Innenminister ringen um "historische Entscheidung" zu EU-Asylsystem

LUXEMBURG/WIEN. Nach jahrelangem Ringen wollen sich die EU-Innenminister am Donnerstag endlich auf die zentralen Streitfragen für das künftige gemeinsame EU-Asylsystem verständigen.
Bei einem Treffen in Luxemburg soll die Frage der Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU geklärt werden, zum anderen stehen Vorprüfungen von Asylanträgen an den europäischen Außengrenzen im Raum. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erwartet sich ein "hartes Ringen", aber auch ein Ergebnis.
"Gerade die letzten Meter eines Weges sind oft die härtesten und schwierigsten, daher erwarte ich intensive Verhandlungen", sagte Karner vor dem Treffen. Es bräuchte "schnellere, schärfere und damit gerechtere Verfahren an den EU-Außengrenzen". Zudem werde er für Asylverfahren in "sicheren Drittstaaten" kämpfen, betonte der Innenminister weiter. Auf die Frage nach der Verteilung von Flüchtlingen und möglichen Kompensationszahlungen antwortete Karner: Österreich habe "in der Vergangenheit immer wieder Solidarität gezeigt" wie etwa mit österreichischen Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze. Karner unterstrich, dass in Österreich in den letzten Jahren pro Kopf die zweitmeisten Asylanträge gestellt wurden.
Video: EU-Innenministertreffen zur Asyl-Reform
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser drängte im Vorfeld auf eine "historische Entscheidung". Im ARD-"Morgenmagazin" sagte Faeser: "Ich befürchte, wenn wir kein gemeinsames Asylsystem bekommen, dann fallen wir in die Nationalstaatlichkeit zurück." Wahrscheinlich sei dann Schengen mit offenen Grenzen nicht mehr möglich. Für Deutschland stelle eine Einigung in der Asylfrage deshalb einen guten Kompromiss dar. Als "Kernpunkt dieser Reform" bezeichnete sie die vorgesehene Registrierung von Asylsuchenden an den EU-Außengrenzen. Diesbezüglich hatte Berlin jüngst Bewegung signalisiert, zugleich aber auf Ausnahmen für Ausnahmen für Familien mit Kindern gedrängt.
"Wir sind so knapp davor wie nie zuvor. Es ist nicht leicht. Aber es wird nie wieder leichter sein als heute, zu einer Entscheidung zu kommen", sagte die schwedische Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard vor dem Treffen. Ähnlich äußerte sich der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska: "Wenn uns das nicht gelingt, sind wir alle Verlierer." Schweden hat noch bis Ende Juni den EU-Ratsvorsitz inne, danach übernimmt Spanien für ein halbes Jahr.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson verglich die Verhandlungen mit einem Marathon, bei dem "wir vielleicht noch hundert Meter vor uns" haben. "Wir sind so nah dran", zeigte sich Johansson zuversichtlich und sprach von einem "ausgewogenem" Vorschlag.
Video: Innenminister Karner (ÖVP) über den Asyl-Gipfel
Metsola fordert zügige Entscheidung
Umstritten ist vor allem die logische Folge von gemeinsamen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, nämlich die Verteilung der ankommenden Flüchtlinge innerhalb der EU. Während Staaten wie Österreich, Polen und Ungarn eine verpflichtende Quote bei der Umverteilung von Asylsuchenden strikt ablehnen, fordern südliche Länder wie Italien und Griechenland, in denen viele Migranten ankommen, seit Jahren mehr Unterstützung. Künftig soll es aber die Möglichkeit geben, sich von der Flüchtlingsaufnahme freizukaufen. Im Gespräch waren zuletzt Kompensationszahlungen um die 20.000 Euro pro Asylbewerber.
Ob sich die EU-Innenminister am Donnerstag darauf einigen können, ist noch unklar. Gesucht wird die Zustimmung von 15 EU-Staaten, die gleichzeitig zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Kommt es zu einer Einigung, müssten sich die Mitgliedsländer noch mit dem EU-Parlament auf den finalen Gesetzestext verständigen.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola forderte eine zügige Entscheidung. "Wir brauchen jetzt von allen EU-Ländern einen konstruktiven Ansatz und eine schnellstmögliche Entscheidung, idealerweise an diesem Donnerstag", sagte Metsola der "Welt" (Donnerstagsausgabe). Dann könne das EU-Parlament das neue Migrations- und Asylpaket der EU noch vor dem Ende der Legislaturperiode im Juni 2024 verabschieden. "Wir können uns nicht erlauben Zeit zu verlieren, möglicherweise sogar Jahre", sagte Metsola. Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zeigte sich optimistisch, dass nach dem jahrelangen Streit ein "Durchbruch" erzielt werden könne.