EU hat ein Problem mit Maltas Rechtsstaatlichkeit
Brüssel weiß nicht so recht, wie sie mit dem Mord an der Reporterin Daphne Caruana Galizia umgehen soll.
Am 16. Oktober 2017 starb die maltesische Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia auf ihrer Heimatinsel durch eine Autobombe. Sie wurde 53 Jahre alt. Die Aufdeckerin hatte gegen einen Filz aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung angeschrieben. Sie prangerte Korruption, Geldwäsche und den lukrativen Verkauf von EU-Pässen an reiche Drittstaatler an.
Zwei Jahre nach dem Mord an der Journalistin sind die Täter noch immer nicht gefasst. Aber die Ermittlungen reichen mittlerweile in die höchsten Kreise, bis ins Büro des Ministerpräsidenten. Der sozialistische Premier Joseph Muscat hat seinen Rücktritt angekündigt. Vollziehen will er diesen erst Mitte Jänner. Das ist der Familie des Mordopfers und vielen Abgeordneten im EU-Parlament zu spät. Ihre Befürchtungen: Die Ermittlungen könnten behindert werden, Reformen in der Justiz unterbleiben.
Auch ein langjähriger Weggefährte Muscats gilt als in den Fall verwickelt, er wurde vorübergehend festgenommen. Das EU-Parlament dürfte daher heute mit großer Mehrheit eine Resolution verabschieden, die die Missstände in Malta scharf verurteilt und die EU-Kommission auffordert, ein Rechtsstaatsverfahren zu prüfen.
Muscats Rücktritt ist "ein Muss"
Auch die sozialdemokratischen Abgeordneten, zu deren Parteienfamilie Muscat gehört, werden zustimmen. "Außer vielleicht jene aus Malta", wie SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder einschränkte. Für ihn ist der Rücktritt des maltesischen Premiers "ein Muss".
Das sieht nach schöner Einigkeit in der Verteidigung rechtsstaatlicher Standards im Inneren der Union aus. Die Debatte um Malta offenbart aber das Dilemma, in dem die Union in Rechtsstaatsfragen schon seit geraumer Zeit steckt. Dazu gehört, dass Konservative und Sozialdemokraten einander stets die Verfehlungen auf der Seite des jeweils anderen vorwerfen.
Das ist auch diesmal so. Die "Europäische Volkspartei" (EVP) fordert Muscats sofortigen Rücktritt. Sie verstehe nicht, wie man da noch zögern könne, sagt ÖVP-Delegationsleiterin Karoline Edtstadler. Umgekehrt vermisst Sozialdemokrat Schieder in der EVP "diese Schärfe", wenn es um Viktor Orbán in Ungarn geht.
Sohn kritisierte die EU heftig
Der Sohn der ermordeten Journalistin hatte vor zehn Tagen die mangelnde Unterstützung der EU beklagt. Zwar habe das EU-Parlament eine Delegation nach Malta geschickt, passiert sei aber nichts, beklagte Andrew Caruana Galizia. Tatsächlich reiste Muscat vergangene Woche zum EU-Gipfel nach Brüssel, als wäre nichts gewesen.
Dort waren die Vorgänge kein Thema. Bei der Abschlusspressekonferenz wurde Ratspräsident Charles Michel gefragt, ob er Muscat auf den Mordfall angesprochen habe. Das verneinte Michel unter dem Hinweis auf laufende Ermittlungen. Gleichzeitig versicherte er der Familie von Daphne Caruana Galizia, die EU werde alles tun, damit ihr Gerechtigkeit widerfahre.