Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

EU-Gipfel: Kandidatenstatus für Ukraine und Moldau

Von nachrichten.at/apa, 23. Juni 2022, 20:32 Uhr
EU-Ratspräsident Charles Michel (links) beim EU-Gipfel. Bild: LUDOVIC MARIN (AFP)

BRÜSSEL/KIEW/MOSKAU. Der EU-Gipfel in Brüssel hat am Donnerstag der Ukraine und Moldau offiziellen EU-Beitrittskandidatenstatus verliehen. Dies teilten mehrere Regierungschefs auf Twitter mit.

Seitens der EU war von einer "historischen Entscheidung" die Rede. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach via dem Kurznachrichtendienst ebenfalls von einem einzigartigen und historischen Moment in den bilateralen Beziehungen. "Die Zukunft der Ukraine ist in der EU", twitterte Selenskyj.

 

Auch Moldau wurde am ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel der Kandidatenstatus verliehen. Lettlands Ministerpräsident Krisjanis Karins nannte diese auch eine "historische Entscheidung." EU-Ratspräsident Charles Michel twitterte ebenfalls: "Ein historischer Moment. Heute ist ein entscheidender Schritt auf Ihrem Weg in Richtung EU. Michel gratulierte Selenskyj und der moldauischen Präsidentin Maia Sandu sowie den Völkern der Ukraine und Moldaus. "Unsere Zukunft ist zusammen."

Auch Bosnien-Herzegowina könne heuer noch den offiziellen EU-Beitrittskandidatenstatus bekommen, wenn es wichtige Wahlrechts- und Verfassungsreformen umsetze, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach den Beratungen in Brüssel. Nehammer sprach von einem "Paradigmenwechsel". Es sei gelungen, dass Bosnien "wieder in den Fokus zurückgekommen ist", obwohl die Ukraine mit dem Krieg das dominierende Thema sei. Zuvor hatte Nehammer vor einer Ungleichbehandlung der Westbalkanstaaten gegenüber der Ukraine gewarnt.

Selenskyj wurde nach der Entscheidung live zum Gipfel zugeschaltet. Er bedankte sich bei Michel, von der Leyen sowie den Staats- und Regierungschefs für die Unterstützung. "Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU." Auch die Präsidentin von Moldau, Maia Sandu, sprach von einem historischen Tag. "Wir haben einen schwierigen Weg vor uns, der viel Arbeit und Mühe erfordern wird", erklärte sie auf Facebook. Eine EU-Mitgliedschaft würde ihrem Land mehr Wohlstand, mehr Chancen und mehr Ordnung bringen. Moldau liegt zwischen der Ukraine sowie dem EU- und NATO-Land Rumänien.

Video: Raffaela Schaidreiter berichtet aus Brüssel über die Beratungen der EU

Michel teilte außerdem mit, der Gipfel habe Georgien eine europäische Perspektive gegeben. Die EU sei bereit, dem Land den Kandidatenstatus zu verleihen, sobald es die von der EU verlangten Prioritäten angehe. "Georgiens Zukunft liegt in der EU", so der EU-Ratschef. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommentierte: "Heute ist ein guter Tag für Europa." Die Länder seien Teil der europäischen Familie. Die historische Entscheidung der Staats- und Regierungschefs bestätige das. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf Twitter: "27 Mal Ja! Der Europäische Rat begrüßt zwei neue Beitrittskandidaten zur EU. Auf gute Zusammenarbeit in der europäischen Familie!" Die EU-Entscheidung hatte sich zunächst stundenlang verzögert. Grund dafür waren laut mehreren EU-Diplomaten aber nicht Zweifel daran, dass das von Russland angegriffene osteuropäische Land den Status erhalten sollte. Vielmehr hätten einige Teilnehmer in der Debatte der EU-Staats- und Regierungschefs die Frage gestellt, ob dann nicht auch etwa das Westbalkan-Land Bosnien-Herzegowina einen Kandidatenstatus erhalten sollte. Dies hatte etwa Ungarn vor dem Gipfel gefordert.

Der Grund ist eine etwas andere Systematik, die für beide Länder gelten würde. Die EU-Kommission hat etwa für Bosnien-Herzegowina Anforderungen formuliert, deren Erfüllung dann zum Kandidatenstatus führen würde. Im Falle der Ukraine wird der Status aber vor der Erfüllung der Auflagen erteilt. Etliche EU-Regierungen, darunter jene aus Österreich und Deutschland hatten mehrfach davor gewarnt, dass die Solidarität mit der Ukraine nicht dazu führen dürfe, die sechs Westbalkan-Staaten Serbien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien, Kosovo und eben Bosnien-Herzegowina vor den Kopf zu stoßen.

Bosnien-Herzegowina hat auch noch keinen offiziellen Kandidatenstatus. Die EU-27 einigten sich nun auf eine Formulierung, die Bosnien-Herzegowina eine Art Automatismus zum Kandidatenstatus in Aussicht stellt, wenn das Land die Anforderungen erfüllt. Bei Nordmazedonien und Albanien blockiert derzeit Bulgarien die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen.

Die Entscheidung folgte einem eher kontroversen EU-Westbalkan-Gipfel am Vormittag in Brüssel. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama attackierte Bulgarien. "Es ist eine Schande, dass ein NATO-Land zwei andere NATO-Länder als Geisel hält", sagte er zur bulgarischen Blockade. Die anderen 26 EU-Staaten hätten eine "furchterregende Show der Impotenz" gezeigt.

Die wichtigsten Fragen:

Was bedeutet der Kandidatenstatus?

Relevant ist der Status vor allem psychologisch und symbolisch. Die EU will den mehr als 40 Millionen Ukrainern zeigen, dass sie eine Perspektive haben, EU-Bürger zu werden. Er soll zudem ein Zeichen dafür sein, dass es sich lohnt, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. "Die Ukraine steht an der Frontlinie und verteidigt europäische Werte", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich.

Ist der Kandidatenstatus mit Finanzhilfen verbunden?

Einen Automatismus zwischen Kandidatenstatus und Finanzhilfe gibt es nicht. Für die EU-Beitrittskandidaten sind von 2021 bis 2027 allerdings insgesamt 14,16 Milliarden Euro als sogenannte Heranführungshilfen eingeplant. Das Geld soll Reformen unterstützen, die Auszahlung müsste jedoch von den Mitgliedstaaten bewilligt werden. Unterm Strich dürften diese Hilfen aber ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Der Wiederaufbau der hoch verschuldeten Ukraine wird schätzungsweise weit mehr als eine Billion Euro kosten.

Wie lange dauert der Weg vom Kandidatenstatus bis zum EU-Beitritt?

Das kann niemand vorhersagen. Die Türkei etwa wurde 1999 EU-Kandidat - und war wohl noch nie weiter von einer Mitgliedschaft entfernt als heute. Relevant ist auch, dass jeder Schritt der Annäherung einstimmig von den EU-Staaten beschlossen werden muss. Theoretisch kann ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden.

Wie geht es jetzt für die Ukraine weiter, wenn sie EU-Kandidat ist?

Die Staats- und Regierungschefs stellten sich hinter eine Empfehlung der EU-Kommission. Demnach muss das Land vor dem Beginn von Beitrittsverhandlungen zunächst sieben Voraussetzungen erfüllen. Es geht unter anderem um das Auswahlverfahren ukrainischer Verfassungsrichter und eine stärkere Korruptionsbekämpfung - insbesondere auf hoher Ebene. Auch fordert die EU-Kommission, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird.

Kann die Ukraine diese Voraussetzungen in absehbarer Zeit erfüllen?

Das ist äußerst unwahrscheinlich. Der Europäische Rechnungshof stellte dem Land noch im September ein verheerendes Zeugnis aus. "Obwohl die Ukraine Unterstützung unterschiedlichster Art vonseiten der EU erhält, untergraben Oligarchen und Interessengruppen nach wie vor die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine und gefährden die Entwicklung des Landes", hieß es damals.

Zwar hätten EU-Projekte und EU-Hilfen dazu beigetragen, die ukrainische Verfassung sowie eine Vielzahl von Gesetzen zu überarbeiten. Die Errungenschaften seien allerdings ständig gefährdet, und es gebe zahlreiche Versuche, Gesetze zu umgehen und die Reformen zu verwässern. Das gesamte System der strafrechtlichen Ermittlung und Strafverfolgung sowie der Anklageerhebung bei Korruptionsfällen auf höchster Ebene sei alles andere als gefestigt.

Ist die EU überhaupt in der Lage, weitere Länder aufzunehmen?

Die Europäische Union gilt vielen schon jetzt - mit 27 Mitgliedern - als behäbig. Weil in Bereichen wie der Außenpolitik Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen, kommt es immer wieder zu Blockaden. Kanzler Olaf Scholz mahnt deshalb, die EU müsse sich "erweiterungsfähig" machen. Dazu gehöre auch, für einige Entscheidungen das Prinzip der Einstimmigkeit aufzuheben. Jedoch ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Staaten bereit sind, ihr Veto-Recht aufzugeben.

Welche Rolle spielt Russlands Krieg auf dem EU-Weg der Ukraine?

Vermutlich eine zweischneidige. Auf der einen Seite müsste die Ukraine ohne den Krieg wohl noch lange auf den Kandidatenstatus warten. Auf der anderen Seite dürfte der Krieg die Bemühungen erschweren, die Auflagen für den Beginn der Beitrittsverhandlungen zu erfüllen. Zudem gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor Kriegsende EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand von anderen EU-Staaten einfordern - die EU wäre offiziell Kriegspartei.

Welche Länder streben noch in die Europäische Union?

Bereits seit längerem Beitrittskandidaten sind neben der Türkei die Länder Albanien, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Hinzu kommen Bosnien-Herzegowina und das Kosovo als sogenannte potenzielle Kandidaten. Kurz nach der Ukraine hatten sich im März auch Georgien und Moldau beworben. Moldau sollte beim EU-Gipfel wie die Ukraine zum EU-Kandidaten gemacht werden. Georgien sollte zunächst Reformen erfüllen, ehe es so weit ist. Die Hoffnungen der Balkan-Staaten auf Fortschritt auf ihrem Weg in die EU wurden bei einem gemeinsamen Treffen mit der Staatengemeinschaft am Donnerstag enttäuscht.

mehr aus Außenpolitik

Israels Armee führt "Offensivaktion" im Südlibanon aus

Spaniens Premier Sánchez lässt überraschend Amtsgeschäfte ruhen

Russischer Vize-Verteidigungsminister wegen Korruption verhaftet

Sunak bei Scholz: Antrittsbesuch nach 18 Monaten

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

Aktuelle Meldungen