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Erdrutsch in der Ukraine: Wähler schickten die alten Kader in die Wüste

Von Stefan Scholl, 23. Juli 2019, 00:04 Uhr
Erdrutsch in der Ukraine: Wähler schickten die alten Kader in die Wüste
Hat Selenskyj mit seiner Partei "Diener des Volkes" die absolute Mehrheit? Bild: APA/AFP/GENYA SAVILOV

KIEW. Die Partei von Präsident Selenskyj muss jetzt aber rasch seine Wahlversprechen umsetzen.

Beim Erdrutschsieg von Wolodymyr Selenskyjs Partei "Diener des Volkes" haben die ukrainischen Wähler die Masse der etablierten Abgeordneten in die Wüste geschickt. Aber es gibt Befürchtungen, mit den Kadern werde auch die Korruption nur ausgetauscht.

Am Wahlabend wirkten die Sieger im Stab der Partei "Diener des Volkes" noch etwas schüchtern. Man wisse nicht, wer welchen Wahlkreis gewonnen habe, sagte der künftige Abgeordnete David Arachmija. "Wir müssen uns zuerst mal alle miteinander bekannt machen." Für eine Woche soll es in ein parlamentarisches Trainingslager gehen, dort werden die Wahlsieger auf ihre künftige Rolle als Gesetzgeber vorbereitet.

Absolute Mehrheit?

Nach Auszählung von knapp 55 Prozent der Stimmen bestätigt sich der Erdrutsch. Präsident Selenskyj und seine neue Partei "Diener des Volkes" gewinnen angeblich 42,6 Prozent der Stimmen und 127 von 199 Direktwahlkreisen, insgesamt 249 Sitze. Bestätigt sich der Trend, dann hätten sie die absolute Mehrheit. Die prorussische "Oppositionsplattform kommt mit 13 Prozent auf 45 Sitze. Die "Plattform" ist auch eine Neugründung, ebenso wie die proeuropäische Partei "Stimme" des Popstars Swjatoslaw Wakartschuk. Sie meisterte auch die Fünfprozenthürde, Selenskyj hat sie zu Koalitionsverhandlungen eingeladen.

Umso verheerender ist der Ausgang für die etablierten Fraktionen. Der liberale "Block Petro Poroschenkos", des Expräsidenten, der sich zur Wahl in "Europäische Solidarität" umgetauft hatte, verliert von 135 Mandaten 109, sein früherer Koalitionspartner "Volksfront", bisher 80 Sitze, verschwindet ganz aus dem Parlament, wie auch der Russland-nahe "Oppositionsblock", die liberale "Selbsthilfe", oder die populistische "Radikale Partei". Von den alten Kräften konnte sich nur Julia Timoschenkos "Vaterland" behaupten, das mit 26 sogar sechs Sitze dazugewinnt.

Selenskyj hatte dem alten Parlament schon bei seiner Inaugurationsrede angekündigt, er wolle es auflösen, die Abgeordnete wiederholt als korrupte Tagesdiebe beschimpft. Das neue Parlament solle als Erstes die gesetzliche Aufhebung der Immunität für seine Mitglieder beschließen.

Die Wähler haben seinen Wunsch erfüllt, die Masse der alten, korruptionsumwitterten Deputierten in die Wüste zu schicken. Aber schon melden sich Kritiker, die fürchten, mit den Kadern werde auch die Korruption nur ausgetauscht. Das Kreml-nahe Portal ukraina.ru verweist auf die fragwürdigen Biografien vieler Kandidaten des "Diener des Volkes." Sie hätten sich per Internet bewerben können, mit drei Gesetzesvorschlägen und einer Videopräsentation. Im Ergebnis seien Leute auf den Kandidatenlisten der Partei gelandet, die tatsächlich die Interessen regionaler oder allukrainischer Wirtschaftsoligarchen verträten. Etwa des Dollarmilliardärs Viktor Pintschuk. Oder des Magnaten Ihor Kolomoiski, den die Medien schon vor den Präsidentschaftswahlen als Strippenzieher hinter Selenskyj bezeichneten.

Das Wirtschaftsportal liga.net zählte bis zu zehn Listen- und über 20 Direktkandidaten des "Dieners", die geschäftlich gemeinsame Sache mit Kolomoiski machen. Dazu kommen noch die 49 unabhängigen Direktkandidaten, die den Sprung ins Parlament schaffen. Sie neigen traditionell dazu, sich der stärksten Fraktion anzuschließen. Aber ihnen wird auch unterstellt, gegen Geld im Interesse des Großkapitals zu stimmen. Der Oligarch Vadim Rabinowisch, der für die prorussische "Oppositionsplattform" ins Parlament einzieht, scherzte schon auf die Frage, mit wem er dort koalieren wolle: "Mit Kolomoiski."

Wer wird Regierungschef?

Nun streiten Experten, ob Selenskyjs Wille reicht, die alten Spielregeln zu durchkreuzen. Im Westen ausgebildete Selenskyj-Berater würden jetzt die Politik entscheiden. Oder der ehemalige Finanzmanager der Unicredit-Bank der Ukraine, Wladislaw Raschkowan. Er wird als Premier gehandelt. "Wichtig ist, dass die kompetent sind, die das Programm formulieren", sagt der Politologe Karasjew. "Die Abgeordneten müssen einfach nur abstimmen."

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Autor
Stefan Scholl
Russland-Korrespondent
Stefan Scholl
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1  Kommentar
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Erich4614 (105 Kommentare)
am 23.07.2019 11:34

MÖGLICHE STRATEGIEN

.a) Die Ukraine gibt dem Donbass dieselben Autonomierechte wie sie Italien an Südtirol gegeben hat. Die Regierung in Kiew dürfte russisch nicht mehr als zweitklassig behandeln. Der Donbass müsste auf den Anschluss an Russland verzichten. Durch diese Friedenslösung könnte alle Kraft für die Verbesserung der Lebensverhältnisse statt für den Bürgerkrieg aufgewendet werden.

.b) Die Ukraine hofft, dass sich die Separatistengebiete irgendwann einmal bedingungslos der ukrainischen Regierung unterordnen und setzt den jetzigen Zustand fort. Die Ukraine und die Donbass-Republiken, die schon jetzt die ärmsten Gebiete Europas sind, steuern dann weiter auf den Bankrott zu. Die Bandera-Faschisten setzen auf den Endsieg.

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