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"Eine Wahlnacht schüchterner Hoffnung für die Zukunft in Russland"

Von Stefan Scholl   10.September 2019

Der russische Wahltag ist trotz regionaler Pleiten der Staatspartei "Einiges Russland" nicht zur nationalen Protestabstimmung geworden. "Einiges Russland" bleibe die führende politische Kraft im Land, gratulierte sich Dmitri Medwedew, Premierminister und Chef der Staatspartei "Einiges Russland" (ER), selbst.

Tatsächlich musste ER beim russischen Einheitswahltag schwere Schlappen einstecken. Aber der erhoffte nationale Erdrutsch blieb aus. Alle 16 Kandidaten der Staatsmacht gewannen ihre Gouverneurswahlen, der Kreml bleibt meistenorts Herr der Lage. Bei den Stadtratswahlen in Moskau, wo das Image der ER als besonders mies gilt – weswegen sie nur "unabhängige" Kandidaten ins Rennen schickte –, holte ihre Konkurrenz 20 von 45 Mandaten. Besonders gut schnitten die Kommunisten (KPRF) ab. Sie eroberten 13 Sitze. Zuvor hatte der demokratische Politiker Alexei Nawalny aufgerufen, die Wähler sollten statt der von ER unterstützten "Unabhängigen" deren aussichtsreichste Gegner wählen, Nawalny listete vor allem KPRF-Bewerber auf. Auch drei Kandidaten und eine Sympathisantin der liberalen "Jabloko"-Partei gewannen. "Das war eine Wahlnacht zumindest schüchterner Hoffnung für die Zukunft", schreibt der ebenfalls zu den Wahlen nicht zugelassene Demokrat Dmitri Gudkow.

Herbe Verluste im Fernen Osten

Richtig schlimm erwischte es die Staatspartei in der Fernostregion Chabarowsk. Hier hatte schon 2018 der Kandidat der nationalpopulistischen "Liberaldemokraten" (LDPR) sensationell die Gouverneurswahlen gewonnen. Jetzt siegte hier auch bei Nachwahlen zur Staatsduma der LDPR-Mann Iwan Piljajew, bei den Wahlen zum Regionalparlament holte die Partei 55 Prozent, ER musste sich mit peinlichen 12,5 Prozent und dem dritten Platz hinter der KPRF begnügen. Auch bei den Parlamentswahlen in Sewastopol auf der annektierten Krim stürzte ER von 76,7 auf 38,5 Prozent ab. "ER und mit ihr der Kreml haben diese Wahlen verloren", sagt der Moskauer Parteienexperte Juri Korgonjuk. "Es wird künftig sehr schwer für die verknöcherte Staatsmacht, sich mit der erstarkten Opposition zu verständigen." Allerdings bleibt die ER in Sewastopol die stärkste Partei, wie auch in elf der 13 Gebiete, in denen neue Parlamente gewählt wurden. In sieben Regionen holte sie wieder über 50 Prozent. Und der Petersburger Politologe Dmitri Trawkin glaubt, dass das System keinen ernsthaften Schaden nehmen werde. Der Kreml müsse sich angesichts der schwächelnden ER künftig mehr auf Nationalpopulisten und Kommunisten stützen, kontrolliere aber schon jetzt beide Parteien.

In mehreren Regionen wurden wieder massenhafte Einwürfe von Wahlzetteln gefilmt, in Sankt Petersburg schleppten Mitglieder der Wahlkommissionen ganze Urnen davon, Beobachter wurden verprügelt. "Reales Banditentum", schimpfte Alexei Nawalny. Am Ende siegte auch hier Amtsinhaber Alexander Beglow mit 64,6 Prozent.

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