Die Angst in der Ukraine wächst: Dreht Russland jetzt den Strom ab?
KIEW/MOSKAU. Russische Truppen halten das AKW Saporischschja schon seit Anfang März besetzt.
Die Ukraine befürchtet, dass Russland das größte Atomkraftwerk des Landes vom nationalen Stromnetz trennen will. Es gebe Hinweise darauf, dass russische Truppen das Abschalten der noch betriebenen Reaktoren im AKW Saporischschja vorbereiteten, teilte der staatliche Energieversorger Energoatom mit. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, sich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine Lösung des Streits um das AKW einzusetzen.
Ein Ausfall der Stromlieferungen aus der riesigen Anlage – Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk Europas – würde vor allem den Süden der Ukraine treffen. Das Land bereitet sich angesichts von Krieg und Verknappung der Energieversorgung auf den schwierigsten Winter seit Erklärung der Unabhängigkeit vor. "Das russische Militär sucht derzeit Treibstofflieferanten für Dieselgeneratoren", teilte Energoatom mit. Mit den Dieselgeneratoren sollen die Kühlsysteme für die hoch radioaktiven Kernbrennstoffe nach dem Herunterfahren des Atommeilers am Laufen gehalten werden. Das Unternehmen bekräftigte den Vorwurf, Russland bereite eine "Provokation großen Ausmaßes" vor. Umgekehrt hatte die Regierung in Moskau der Ukraine genau denselben Vorwurf vorgehalten.
International wird ein besonderes Augenmerk auf Saporischschja gelegt, denn ein Beschuss der Reaktoren könnte eine Nuklearkatastrophe ähnlich wie in Tschernobyl 1986 auslösen. Auch der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi, warnte vor einem "Spiel mit dem Feuer, mit möglichen katastrophalen Folgen". Am Freitag beschwichtigte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow: Die militärische Präsenz Russlands sei Garant dafür, dass sich Tschernobyl nicht wiederholen werde.
Der türkische Präsident Erdogan kündigte unterdessen an, er werde mit Putin über Saporischschja sprechen. Der ukrainische Präsident Selenskyj habe ihm gesagt, Russland müsse alle Minen in der Gegend entfernen. "Wir werden diese Fragen mit Putin erörtern und ihn ausdrücklich darum bitten, dass Russland das tut, was es als wichtigen Schritt für den Weltfrieden tun muss", erklärte Erdogan.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron griff gestern zum Telefon, um mit Putin über das AKW Saporischschja zu reden.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist traurig
Im Rahmen seiner Ukraine-Reise hat sich UN-Generalsekretär Antonio Guterres gestern in der Hafenstadt Odessa ein Bild vom kürzlich wieder aufgenommenen Getreideexport gemacht. Er lobte das dafür abgeschlossene Abkommen der Kriegsparteien, betonte aber, es sei noch viel zu tun, um Getreide aus der Ukraine und aus Russland auf den Weltmärkten zugänglich zu machen.
Entwicklungsländer bräuchten massive und großzügige Hilfen, um an diese Grundnahrungsmittel gelangen zu können.
Obwohl der nach dem Getreide-Deal wieder aufgenommene Export von Nahrungsmitteln ein Grund zur Freude sei, empfinde er auch Traurigkeit, „wenn ich in diesen wunderbaren Hafen und in diese Terminals schaue, die praktisch leer sind“, sagte Guterres. In weniger als einem Monat seien bisher über 600.000 Tonnen Getreide in 25 Schiffen aus der Ukraine ausgefahren.
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