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Der weißrussische Staatschef schüttelt weiterhin jede Hand

Von Stefan Scholl   27.März 2020

Wie angenehm es doch jetzt sei, Fernsehen zu schauen, sagte der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko dieser Tage: "Die Leute arbeiten auf dem Traktor, niemand redet über das Virus. Der Traktor heilt alle." Der 65 Jahre alte Lukaschenko erinnert sich gerne daran, dass er früher als Sowchosdirektor arbeitete.

Damals soll er betrunkene Traktoristen verprügelt haben, angesichts der aktuellen Pandemie aber predigt er Milde. "Ich trinke ja nicht, aber in letzter Zeit scherze ich gern, man müsse sich mit Wodka nicht nur die Hände waschen, sondern mit 40 bis 50 Gramm Alkohol täglich das Virus vergiften."

Lukaschenko, seit 1994 im Amt, gilt als wortgewaltiger Exzentriker, nervt Moskau ebenso wie den Westen schon viele Jahre mit seiner Schaukelpolitik. Jetzt, wo der Rest der Welt gegen das Virus kämpft, gefällt er sich als einsamer Verächter von Corona. "Dieses Virus ist eine weitere Psychose, die jemandem nützt und anderen schadet."

Sicher, der Präsident und seine Umgebung würden sich jetzt häufiger die Hände waschen, sagt seine Sprecherin Natalia Ejsmont. Aber kein Besucher müsse Masken tragen. Und der passionierte Eishockeyspieler treibe weiter Sport und schüttle wie immer jede Hand. Medizinische Sondermaßnahmen in seiner Residenz habe er kategorisch ausgeschlossen.

Die Republik Belarus, wo es nach offiziellen Angaben 86 Infizierte und keine Corona-Toten gibt, hält im Gegensatz zu sämtlichen Nachbarn ihre Grenzen offen. Die oberste weißrussische Liga ist die einzige Profiliga Europas, in der noch Fußball gespielt wird, die Betriebe arbeiten weiter, auch Unis, Schulen und Kindergärten.

Ministerium rät zu Verliebtheit

Das Gesundheitsministerium rät zu guter Laune und Verliebtheit, schließlich würden die dabei produzierten Endorphine das Immunsystem kräftigen. Immerhin verpflichtete das Ministerium gestern Einreisende aus stark vom Coronavirus betroffenen Ländern zu zweiwöchiger Selbstisolation.

Hinter dem Frohmut Lukaschenkos verbergen sich Kalkül und Angst. Die Krise hat seine marode Planwirtschaft heftig getroffen, vergangene Woche verlor der weißrussische Rubel gegenüber dem Dollar zehn Prozent. Die russische Zeitung "Iswestija" vermutet, eine Quarantäne würde dem Land 40 Prozent seiner Exporte und 20 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes kosten. Und im August will sich Lukaschenko zum sechsten Mal zum Präsidenten wählen lassen.

Auch wenn seine Sicherheitsorgane alle Oppositionsgruppen seit Jahrzehnten brutal unterdrücken, ein wirtschaftlicher Kollaps dürfte Lukaschenkos Regime auch politisch in große Schwierigkeiten bringen. Allerdings könnte das ebenso für das Coronavirus gelten, wenn die Epidemie italienische oder spanische Dimensionen annimmt.

Aber so etwas gilt in Belarus als kaum denkbar. Erst gestern wurde der Journalist Sergei Sazuk festgenommen, der in einem Artikel die offiziellen Zahlen zum Coronavirus angezweifelt hatte.

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23. April 2024