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Der Aufstand ohne Anführerin in Weißrussland

Von Heidi Riepl, 12. August 2020, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Weißrussland: Blutige Demonstrationen nach Wahl
Bild: APA/AFP

MINSK. Der Kampf um die Macht spitzt sich bedrohlich zu. Das Regime von Diktator Lukaschenko zeigt erste Risse.

Der Machtkampf in Weißrussland spitzt sich zu. Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja musste auf massiven Druck der Behörden das Land verlassen. Für die Demonstranten ist es ein Dämpfer, der die Wut noch vergrößern könnte.

Wo ist Tichanowskaja?

Die zweifache Mutter meldete sich gestern per Videobotschaft aus Litauen. Darin betont sie zwar, dass sie das Land aus eigenem Antrieb verlassen habe. Doch aus ihrem Umkreis bestätigten sich die Gerüchte, dass die Oppositionskandidatin, die sich selbst zur Siegerin der Präsidentenwahl erklärt hatte, zur Ausreise gezwungen wurde.

Swetlana Tichanowskaja
Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja meldete sich per Videobotschaft aus dem Ausland. Bild: Reuters

Was bedeutet das für die Protestbewegung?

Die Wut auf den Straßen wächst. Tichanowskaja wollte ohnehin nie selbst auf die Straßen gehen. Auch aus dem Ausland hat sie aber Einfluss auf die Protestwelle, die gestern Abend fortgesetzt wurde.

Warum steigen die Weißrussen erst jetzt auf die Barrikaden?

Die breite Bevölkerung hat sich jahrelang lieber stumm mit den Verhältnissen arrangiert. Doch die Corona-Krise war für viele ein Knackpunkt. Weil Lukaschenko das Virus lange als "Psychose" abtat und Wodka und Traktorfahren als Gegenmittel empfahl, verloren selbst seine treuesten Anhänger das Vertrauen in den Langzeitherrscher. Die sich verschärfende Wirtschaftskrise tat ihr Übriges. Bei den vielen am Existenzminimum dahinvegetierenden Weißrussen wuchs die Unzufriedenheit, der Wunsch nach einem Neuanfang wurde plötzlich laut. Dass die 37-jährige Tichanowskaja, die anstelle ihres inhaftierten Ehemanns in den Wahlkampf eintrat, so schnell so populär wurde, war da kein Zufall. Die Oppositionspolitikerin wirkte ehrlich und weckte Hoffnung. Mehr noch: Neben ihr wirkte Lukaschenko plötzlich wie ein alter, brutaler Bürokrat, der nicht mehr in die Zeit passt.

Hat Lukaschenko überhaupt noch die Macht über das Land?

Der Diktator weiß zwar noch immer den mächtigen Staatsapparat aus Ministerien, Geheimdienst KGB und Sicherheitskräften hinter sich – doch auch das ändert sich gerade: In etlichen kleinen Städten weigerten sich Polizisten während der Proteste, hart gegen ihre Landsleute vorzugehen. Auch einzelne Lokalpolitiker stellen sich auf die Seite der Demonstranten.

Warum reagiert der Westen so zögerlich?

Die westlichen Staaten haben zwar zum Frieden gemahnt, doch konkrete Maßnahmen gegen die massiven Wahlfälschungen und die Polizeigewalt sind vorerst nicht geplant. Im Gegenteil: Der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte, dass man zunächst einmal eine ordentliche Lagebeurteilung brauche. Zudem verwies er darauf, dass es für Sanktionsbeschlüsse die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten brauche. Das Zögern hat zwei Gründe: Weißrussland ist nur ein kleiner, weltpolitisch nicht unbedingt wichtiger Staat. Zudem will die EU um jeden Preis verhindern, dass die Ex-Sowjet-Republik, die gerade dabei war, sich ein wenig zu öffnen, sich dem Einfluss Russlands unterordnet.

Wie reagiert Russland?

Vieles spricht dafür, dass Russland Lukaschenko fürs Erste die Stange halten wird. So sehr Putin auch der Eskapaden des Diktators überdrüssig sein dürfte, überwiegt seine Phobie gegen Proteste.

Sind die Vergleiche zur Ukraine gerechtfertigt, wo Putin 2013 die Krim annektierte und einen Bürgerkrieg auslöste?

Die Gefahr ist groß. Wie die Ukraine 2013 steht Weißrussland zwischen Russland und dem Westen. Wie in der Ukraine wünschen sich die Menschen eine engere Anbindung an den Westen und die Chance auf Freiheit und Demokratie. Und wie 2013 besteht die Gefahr, dass Kremlchef Putin Unruhen und eine geschwächte Regierung nutzen könnte, um sich Weißrussland einzuverleiben.

Internationale Zeugen unerwünscht

Die genaue Lage in Weißrussland ist und bleibt undurchsichtig. Diktator Alexander Lukaschenko hatte offenbar selbst nicht mehr an einen ehrlichen Wahlsieg geglaubt. Daher verzichtete er darauf, wie sonst weltweit üblich unabhängige Wahlbeobachter der OSZE einzuladen. Die ausländische Beobachtung beschränkte sich auf lediglich 184 Vertreter von befreundeten GUS-Staaten, die die Wahl wie erwartet für legitim erklärten.

Gleichzeitig erteilte das weißrussische Außenministerium in den letzten Monaten praktisch keine Akkreditierungen für internationale Journalisten und machte für sie die unabhängige journalistische Wahlbeobachtung somit zum Verwaltungsdelikt, das traditionell zur Abschiebung und einem mehrjährigen Einreiseverbot in Weißrussland führte.

Das Regime bei dem brutalen Vorgehen gegen die Opposition will keine Zeugen: So blieb das Internet in den letzten Tagen stundenlang unerreichbar.

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Autorin
Heidi Riepl
Redakteurin Außenpolitik, Weltspiegel
Heidi Riepl
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8  Kommentare
8  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 12.08.2020 12:05

Leider ist sowas "Vollgas mit angezogener Handbremse", wie zB. auch in Hongkong.

Nur die streit- und sensationssüchtigen Medien haben einen Nutzen davon, alle anderen haben den Schaden.

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Einheizer (5.398 Kommentare)
am 12.08.2020 12:10

Vor allem du hast einen Schaden, einen Dachschaden !

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jago (57.723 Kommentare)
am 12.08.2020 12:16

> Vor allem du hast

Was für ein durchschlagendes, sachliches Gegenargument! Respekt.

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LASimon (11.268 Kommentare)
am 12.08.2020 09:47

Offensichtlich gefälschte Wahlergebnisse sind oft der Anfang vom Ende. So begann es in der DDR, so begann es in der Ukraine - die Ausgänge der Proteste waren unterschiedlich, unter anderem, weil Putin und Gorbatschow unterschiedliche Mentalitäten verkörpern.

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Einheizer (5.398 Kommentare)
am 12.08.2020 11:43

Für die Trolle und Idioten in diesem Forum ist in Belarus alles korrekt abgelaufen.

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jago (57.723 Kommentare)
am 12.08.2020 12:19

> Für die Trolle und Idioten

Massen-Gedankenlesen, sapperment!

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jago (57.723 Kommentare)
am 12.08.2020 12:12

> oft der Anfang vom Ende

Damals (1990) ist sogar der Putin noch auf die Lügner in den westlichen, undemokratischen Regierungen reingefallen. Ich auch.

Jetzt ist die Weltsituation ganz anders, Russland und China haben technisch und militärisch aufgerüstet und die westlichen Staaten haben sich politisch-demokratisch in den Abgrund geGretat.

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( Kommentare)
am 12.08.2020 21:48

Laesimon
Die Ukraine brauchte eine Leidensfigur, die man in Julia Timoschenko, der sogenannten Gasprinzessin fand. Zur Zeit des Jelzin-Regimes sorgte sie für Goldgräberstimmung unter den "Investoren". Das Gold nahm sie mit, die Gräber ließ sie zurück. Die Ukraine ist nun eine Art Demokratie die von einer Marionettenregierung gesteuert wird. Das Land ist noch immer nicht befriedet. Aber das sind ja die ganz furchtbar bösen Russen.
Jetzt versucht man die gleiche Masche mit dieser Tichanowskaja in Weißrussland.
Gerade unsere Muster-Demokratien, besetzt mit Muster-Europäern, haben keinen Grund, andere Staatsformen anzuzweifeln, denn sie haben genug Mist vor der eigenen Türe zu kehren. Aber so lässt es sich bequem von den eigenen Problemen ablenken. Iditoten wie dieser Einheizer sind natürlich den Medien hörig. Vorgefasste Meinungen sind eben für Menschen seines flachen geistigen Horizonts einfacher zu verstehen. Nimm´ es diesem Troll nicht übel - er tickt eben nicht richtig.

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