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Das Massaker, mit dem der Bürgerkrieg begann

Von Jochen Wittmann, 29. Jänner 2022, 00:04 Uhr
Das Massaker, mit dem der Bürgerkrieg begann
Britischer Soldat misshandelt einen Katholiken in Londonderry. Bild: APA/AFP

Nordirland: Der Blutsonntag von Londonderry jährt sich zum 50. Mal – die Folgen sind bis heute spürbar.

Es war nicht das schlimmste Massaker des nordirischen Bürgerkriegs. Aber unter den vielen Gräueltaten, die die gebeutelte britische Provinz erleiden musste, beansprucht der "Bloody Sunday" einen Sonderplatz. Der Blutsonntag von Londonderry, der sich zum 50. Mal jährt, war lange eine Wunde zwischen Briten und nordirischen Katholiken. Für sie markiert "Bloody Sunday" den Tag, an dem der britische Staat den Krieg gegen sie begann.

Der 30. Jänner ist ein Datum, das sich tief in die kollektive Psyche der Nordiren eingegraben hat. An jenem letzten Sonntag im Jänner 1972 gingen fast 20.000 Menschen in der Frontstadt des Königreichs auf die Straße, die bei Briten und nordirischen Protestanten Londonderry heißt, von Katholiken aber nur Derry genannt wird. Sie protestierten gegen die Diskriminierung, die die katholische Minderheit durch die protestantische Bevölkerungsmehrheit Tag für Tag erfahren musste. Der konkrete Auslöser für die Demonstration waren die Internierungen von Katholiken ohne vorhergehende Gerichtsverfahren. Der Bürgerrechtsmarsch war von der Polizei verboten, verlief friedlich. Bis die Soldaten das Feuer eröffneten. In 20 Minuten mähten britische Fallschirmjäger 28 Personen nieder, die sämtlich unbewaffnet waren. Im Kugelhagel starben 14 Demonstranten.

Weltweites Entsetzen

Das Massaker stieß auf weltweites Entsetzen. In Dublin fackelten entrüstete Iren die britische Botschaft ab. Es bedeutete das Ende der Bürgerrechtsbewegung. Hunderte junger Nordiren entschieden, dass ziviler Widerstand zwecklos sei, und schlossen sich dem bewaffneten Kampf an. Die bis dahin harmlose IRA, nicht viel mehr als ein Altmänner-Verein, konnte sich zu einer der gefährlichsten Terrororganisationen entwickeln.

Die britische Regierung setzte eine Untersuchung ein, die von Anfang an darauf angelegt war, die Armee reinzuwaschen. Der Widgery Report beschloss, dass die Soldaten in Notwehr gehandelt hätten. Nachdem die irische Regierung ein Dossier mit neuen Beweisen zusammenstellte, blieb dem damaligen Premier Tony Blair keine andere Wahl, als eine erneute Untersuchung anzusetzen. Mit einem bisher unerhörten Aufwand versuchte seit 1998 das "Saville-Tribunal", Licht in die Vorfälle zu bringen. Es wurde die größte offizielle Untersuchung in der Geschichte der britischen Justiz und kostete 195 Millionen Pfund. Zwölf Jahre lang verhandelte Richter Lord Saville die Causa, hörte 921 Zeugen und schrieb schließlich einen Bericht, der mehr als 5000 Seiten umfasste. Als Premier David Cameron 2010 den Saville-Report im Unterhaus vorstellte, nahm er kein Blatt vor den Mund. "Völlig ungerechtfertigt" seien die Aktionen der Soldaten gewesen. Sie und nicht IRA-Terroristen hätten das Feuer eröffnet. "Ich bereue zutiefst, was passiert ist", sagte Cameron.

Seitdem ist in der Provinz aber noch lange kein nachhaltiger Frieden eingekehrt. Zwar hat das Abkommen von 1998 zu einer Regierung geführt, in der die Unionisten von der DUP sich die Macht mit den Nationalisten von Sinn Fein teilen. Aber eine gesellschaftliche Teilung gibt es immer noch. Schlechtes Blut macht auch, dass Premier Boris Johnson ein Gesetz vorantreiben will, dass Soldaten davor schützen soll, für Bürgerkriegsverbrechen strafrechtlich belangt zu werden.

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Autor
Jochen Wittmann
Londonkorrespondent
Jochen Wittmann

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