Brexit: London bereitet sich auf einen "No Deal" vor
London verschärft den Ton in Sachen Brexit. Die britische Regierung fordert die Wirtschaft des Landes auf, sich auf einen möglichen "No Deal" vorzubereiten. Mit dem Slogan "Die Zeit läuft ab" startete am Montag eine amtliche Informationskampagne mit Radio- und TV-Beiträgen über einen Austritt aus der EU ohne ein Handelsabkommen. Ebenfalls am Montag schickte das Finanzministerium einen Brief an rund 200 000 Unternehmen, der die neuen Zoll- und Steuervorschriften erläutert, die Anfang nächsten Jahres nach dem Ablauf der Übergangszeit gelten werden. Parallel zu den Vorbereitungen auf einen harten Brexit hält die Regierung allerdings noch "die Tür auf" für weitere Verhandlungen mit der EU.
Geplant war, dass der EU-Verhandlungsführer Michel Barnier am Montag zu weiteren Gesprächen nach London reisen sollte. Doch er wurde vom britischen Chefunterhändler Lord Frost kurzerhand ausgeladen. London ist verärgert über einen Mangel an Entgegenkommen. Es ginge nicht an, unterstrich der Kabinettsminister Michael Gove, dass man ausschließlich von britischer Seite Kompromisse erwarte, wie es das Abschlusskommuniqué des EU-Gipfels in der letzten Woche verlangt habe. Stattdessen müsse sich auch die EU bewegen. Statt des Treffens kam es nur zu einem Telefonat zwischen Frost und Barnier, in dem über "die Struktur" der Verhandlungen gesprochen wurde. London verlangt von Barnier das Zugeständnis, dass es Kompromisse auf beiden Seiten braucht. Zum zweiten will Großbritannien, dass die Gespräche "intensiviert" werden, nachdem dieses Wort aus dem Abschlusskommuniqué entfernt worden war. Darunter wird verstanden, dass jetzt rechtlich verbindliche Vertragsentwürfe vorgelegt werden. "Wir sagen sicherlich nicht", hatte Michael Gove bekräftigt, "dass wir nicht miteinander reden können" – allerdings daran die Bedingung geknüpft: "wenn die EU ihre Position ändert". Beobachter gehen davon aus, dass das Patt nur vorübergehend ist und die formalen Gespräche in der nächsten Woche wieder aufgenommen werden. Denn viel Zeit bleibt nicht. Bis Ende des Monats muss ein ausgehandelter Text vorliegen, damit der Ratifikationsprozess im Europäischen und im britischen Parlament noch vor Jahresende abgeschlossen werden kann. Es gibt jedenfalls drei Knackpunkte: wie das Streitbeilegungsverfahren bei künftigen Vertragsabweichungen gestaltet werden soll, wie erreicht wird, dass die britische Subventionspolitik nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt, und wie die Fischfangquoten aufgeteilt werden sollen.