Bei der Wahlwiederholung in Istanbul gewann der Oppositionskandidat klar
ISTANBUL. Ekrem Imamoglu erreichte 54 Prozent der Stimmen, AKP-Mann Yildirim kam auf 46 Prozent.
Seit dem Jahr 2002 war es die "Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP) des heutigen türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan stets gewohnt, Wahlen immer nur zu gewinnen. Seit gestern ist das anders. Bei der Wahlwiederholung in Istanbul hat mit Ekrem Imamoglu ein Kandidat der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) gewonnen – mit deutlichem Vorsprung.
Der 49 Jahre alte Imamoglu, der von seinen Anhängern gerne als "türkischer Obama" bezeichnet wird, erreichte laut vorläufigen Ergebnissen knapp 54 Prozent der Stimmen. Sein schärfster Konkurrent, der treue Erdogan-Gefolgsmann Binali Yildirim von der AKP, kam auf 46 Prozent der Stimmen. Imamoglu siegte damit klarer als noch am 31. März. Damals lag er um gut 14.000 Stimmen vorne, nun sind es 760.000 Stimmen.
Schwere Niederlage für Erdogan
Damit ist dieser Urnengang in der Millionenmetropole am Bosporus auch eine schwere Niederlage für Erdogan selbst. Denn die im In- und Ausland höchst umstrittene Wahlwiederholung hatten Erdogan und seine AKP durchgesetzt. Dazu kommt, dass Erdogan seine politische Karriere einst in Istanbul begonnen hatte.
Imamoglu bezeichnete seinen Sieg als "neuen Beginn" für die Türkei. "Nicht eine einzelne Partei, sondern ganz Istanbul und die Türkei haben diese Wahl gewonnen", sagte Imamoglu am Sonntagabend nach Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse. Bei seiner Stimmabgabe hatte er betont: "Heute ist der Tag, der türkischen Demokratie zuliebe den illegalen Prozess zu korrigieren."
Yildirim erkannte bei seinem Auftritt wenige Minuten nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse an, dass sein Rivale Imamoglu führt. "Ich gratuliere ihm und wünsche ihm viel Glück", sagte er. "Ich hoffe, dass Ekrem Imamoglu Istanbul gut dienen wird. Wir werden versuchen, ihm auf jede Weise zu helfen." Die Abstimmung zeige, dass "die türkische Demokratie ohne Probleme funktioniert".
Nach der ersten Wahl vom 31. März hatte Imamoglu nur einen Vorsprung von gut 14.000 Stimmen gehabt. Erdogans AKP hatte daraufhin seinen Sieg angefochten und der Opposition "Diebstahl an den Urnen" vorgeworfen. Unter ihrem Druck annullierte die Wahlkommission Anfang Mai die Wahl schließlich. Die Entscheidung begründete die Behörde unter anderem damit, dass in einigen Fällen die Vorsitzenden der Wahlräte – anders als gesetzlich vorgesehen – keine Beamten gewesen waren. Die Annullierung wurde nicht nur international heftig kritisiert.
Wahlhilfe aus dem Gefängnis
Nicht unwesentlichen Anteil am Wahlerfolg Imamoglus hatten die Kurden. Erstens stellte die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) wie schon im März keinen eigenen Kandidaten auf, und zweitens sprach der inhaftierte frühere HDP-Chef Selahattin Demirtas aus dem Gefängnis eine Wahlempfehlung aus. "Wir glauben, dass es notwendig ist, den Diskurs von Herrn Imamoglu zu unterstützen", twitterte Demirtas vergangene Woche.
"Das ist längst keine Wahl mehr, bei der man noch eine Wahl hat." Es gebe nur eine Option für Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit in der Türkei, schrieb er.
> Video: Jörg Winter (ORF) über den Wahlsieg der Opposition in Istanbul
Ekrem Imamoglu: Der „türkische Obama“
Freundlich und volksnah: Diese Eigenschaften haben dem Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu geholfen, die Bürgermeisterwahl in Istanbul am 31. März überraschend zu gewinnen – und so konnte der 49-Jährige bei der gestrigen Wiederholung erneut siegen. Sein Wahlspruch lautete diesmal „alles wird gut“.
Seine Unterstützer halten Imamoglu und seine Frau Dilek, mit der er drei Kinder hat, für die türkischen Obamas: anständig, bodenständig – Vermittler in einem tief gespaltenen Land.
Es hilft, dass Imamoglu ein eher ungewöhnlicher Kandidat der kemalistischen, säkularen und manchmal abgehoben wirkenden Mitte-Links-Partei CHP ist. Er ist gläubig, kommt aus der konservativen Schwarzmeerregion, und seine Mutter trägt Kopftuch. Damit können auch Konservative etwas anfangen.
Imamoglu hat eine unverkrampfte Art mit jungen Leuten. Sein Wahlkampf hielt sich eng an die Bedürfnisse der Stadtbürger. Statt von Megaprojekten sprach er von Kindergärten oder verkehrsfreien Zonen.
Ihm kommt auch zugute, dass viele Menschen der regierenden AKP von Präsident Erdogan für die schlechte ökonomische Lage verantwortlich machen.
Binali Yildirim: Der brave Parteisoldat
Er ist ein loyaler Parteisoldat und macht, was der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan von ihm verlangt. Binali Yildirim ist daher gestern erneut als AKP-Kandidat bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul angetreten – obwohl er die erste Wahl am 31. März, die auf Betreiben Erdogans annulliert wurde, verloren hat und ihm immer wieder nachgesagt wurde, gar keine Lust auf das Bürgermeisteramt in der Millionenmetropole zu haben.
Schon in den 1990ern stand der heute 63-Jährige an der Seite Erdogans. Damals war der heutige Staatschef Bürgermeister von Istanbul, Yildirim war der Chef der städtischen Fährgesellschaft „Ido“. Er folgte Erdogan in die Politik und gründete gemeinsam mit ihm die islamisch-konservative AKP.
Als die AKP 2002 an die Macht kam, wurde Yildirim Verkehrsminister, 2016 wurde er Premier. Als Ministerpräsident warb der verheiratete Vater dreier Kinder vergangenes Jahr für die Einführung eines Präsidialsystems und damit für die Abschaffung seines eigenen Amtes.
Yildirim stammt aus der osttürkischen Provinz Erzincan. An der Technischen Universität Istanbul studierte er Schiffbau.
Zahlen & Daten zur Wahl
16 Millionen Menschen leben in Istanbul, also gut 20 Prozent aller Türken. Daher ist dieser Bürgermeisterposten der wichtigste im Land. Es heißt auch oft: Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei.
10,5 Millionen Menschen waren gestern wahlberechtigt; bei der regulären Wahl am 31. März haben 8,8 Millionen Istanbuler ihre Stimme abgegeben – gestern war die Wahlbeteiligung deutlich höher.
24 zusätzliche Flüge nach Istanbul bot die Fluglinie „Turkish Airlines“ am Wochenende an, da zehntausende Stadtbewohner rechtzeitig zur Wahl aus dem Urlaub zurückkehren wollten. Um urlaubsbedingt keine Stimmen zu verlieren, hatte die Opposition in Feriengegenden mit witzigen Kampagnen begonnen. Mit Slogans auf Postkarten appellierte sie, wählen zu gehen. In der westtürkischen Provinz Canakkale hieß es zum Beispiel: „Haifisch-Angriff erwartet an Bozcaada-Stränden am 23. Juni. Wählt in Istanbul. Werdet nicht zu Haifischfutter.“
14 Wahlbeobachter entsandte der Europarat. Und die Partei CHP, der Ekrem Imamoglu angehört, hatte allein 200.000 freiwillige Wahlbeobachter im ganzen Stadtgebiet im Einsatz, um Betrug zu verhindern. Der Vorsitzende des unabhängigen Wahlbeobachter-Vereins „Oy ve Ötesi“ („Stimmen und mehr“), Mustafa Köksalan, sagte: „Das türkische Wahlsystem ist besser als sein Ruf.“ Seiner Meinung nach sei es schwer, in Istanbul zu betrügen, „weil so viele Leute auf ihre Stimmen aufpassen“.
14.000 Stimmen gaben bei der regulären Wahl am 31. März den Ausschlag zu Gunsten des Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu. Auf Betreiben von Staatschef Erdogan wurde die Wahl annulliert und gestern wiederholt.
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Der wilde Erdogan ist nicht dafür bekannt, dass er ein sanftes Lämmlein wird, wenn er in die Enge getrieben worden ist.
als Machthaber des Landes werde er sicher versuchen die Macht des NEUEN in Istanbul einzuschränken .
Jaja, der Bosporustschusch Erdogan wird dem neugewählten Bürgermeister das regieren schwer machen.
Also, ich mag den Erdogan!
Im Gegensatz zu unseren PolitikerInnen hat er was für sein Volk getan.
Das mit der Wirtschaft ist von weiter oben gesteuert, für denen ist er auch nur ein kleiner Zwerg.
Da sieht man das es nicht mal mehr auf die Größe des Staates/Volk ankommt.
Wennst nicht spurst machen sie dich fertig.
DEINGEWISSEN
Erdogan hat früher als kleineren Politiker die TR Wirtschaft aufgebaut , als president wieder ABGEBAUT .. nicht von oben gesteuert, ER SELBER !
Es gibt auch in der Türkei Menschen mit Hausverstand.
Damit dürfte für Erdogan bei der nächsten Wahl auch das Schicksal besiegelt sein. Der wirtschaftliche Niedergang in diesem Land wird das beschleunigen. Vielleicht können die Türken, die bei uns in der soz. Hängematte liegen, heimkehren und mithelfen, das Land vor dem Untergang zu retten. Sind ja alles "Fachkräfte" wie sie sich selbst bezeichnen.
Erdogan hat verloren. soweit einmal so gut. Ich höre schon die ersten Trolle in Brüssel, die schon wieder für einen EU-Beitrtt der Türkei reden. Die andere seite der Medaille.
Reglementierte Wirtschaftsunion, mehr nicht.
Wer in Kleinasien urlaubt, unterstützt die dortige Regierung so o. so.
Und das tun ziemlich viele Ösls ...
Der Oppositionskandidat ist besser weil?
Tja wer hat gewonnen, Pest oder Cholera?
Beide Kandidaten sind strenge Moslems und bringen Religion mit in die Politik, also egal wer gewonnen hat.
Die Pest u. Cholera wurde in AT unlängst gestürzt ...
Denke mal gut nach was du geschrieben hast! Vielleicht findest du den Fehler!
Der nächste Schritt des Westentaschendiktators wird sein: Einmarsch starker Truppen in Istanbul ...
Die Istanbuler haben Hirn und Mut bewiesen. Ist den Auslandstürken bei der nächsten Regierungswahl auch zu empfehlen.
Ein fettes Eigentor, Herr Erdogan.
:-)))))))))))
Wie bei uns die FPÖ bei der Präsidentenwahl.
Wähler werden nicht gern verar...ähm veräppelt.