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Tusk bei Faymann: "Zurück zu Schengen"

01.März 2016

"Zurück zu Schengen" - die letzten Worte von EU-Ratspräsident Donald Tusk nach seinem Besuch bei Bundeskanzler Werner Faymann am Dienstag - aber die wesentlichen: Nach ihrem Gespräch über Wege aus der Flüchtlingskrise gaben sich Tusk und Faymann einig darüber, dass nur die effiziente Kontrolle der EU-Außengrenzen den Weg zu einer gemeinsamen europäischen Lösung des Flüchtlingsproblems öffnen könne.

"Österreich ist kein Wartezimmer für Deutschland", hatte Faymann bereits einleitend die Linie der Regierung gegen eine "Politik des Durchwinkens" bekräftigt. "Weil uns Schengen wichtig ist, ist es uns wichtig, an den EU-Außengrenzen Klarheit zu schaffen, wer nach Europa darf, wer zurückgeführt werden muss und wer in Europa verteilt wird. Wenn diese Klarheit an den Außengrenzen nicht existiert, dann müssen Länder wie Österreich an ihren Grenzen agieren."

"Österreich im Auge des Orkans"

Faymann erinnerte daran, dass Österreich im Vorjahr 90.000 Asylanträge entgegengenommen und die Schutzsuchenden in die Grundversorgung übernommen habe. "Das ist pro Kopf mehr als Deutschland." Die nun festgesetzte Grenze von 37.500 pro Jahr würde dazu führen, dass, "würde Europa in ähnlicher Weise agieren, mehr als zwei Millionen Menschen Asyl in Europa bekommen würden", rechnete der Kanzler einmal mehr vor. "Nur die gemeinsame europäische Politik an den Außengrenzen kann erfolgreich sein." Faymann dankte Tusk für die bisherige Zusammenarbeit, "denn sie ist nötig - auch gegenüber jenen, die sich daran gewöhnt haben, einfach nach Österreich durchzuwinken."

"Österreich befand sich während der letzten Monate im Auge des Orkans", räumte auch der EU-Ratspräsident ein. Es könne daher "kaum als Überraschung kommen, dass die Frustration steigt - die Geduld geht zu Ende, während populistische Kräfte in die erste Reihe drängen". Allein, gerade in Zeiten wie diesen sei es wichtig "die Ruhe zu bewahren und gemeinsam an einem europäischen Plan zu arbeiten - und das schnell." Nach dem heutigen Gespräch mit Faymann sei er überzeugt, dass Österreich daran mitarbeiten werde.

"Keine Alternative zu Schengen"

Beim letzten EU-Gipfel habe man Übereinkunft darüber erzielt, "dass wieder alle Mitgliedsstaaten ohne Ausnahme unsere gemeinsamen Regeln, das Schengen-Abkommen, erfüllen", erinnerte Tusk. Er räumte ein, "dass das nicht für alle einfach ist", die Frage sei aber nicht, ob, sondern lediglich wie die Schengen-Regeln wieder effektiv angewendet würden. "Die Wahrheit ist: Es gibt keine Alternative dazu." Darüber müsse gemeinsam beraten werden - "ohne dass jemand ausgeschlossen wird", fügteTusk an, ohne konkret die Westbalkankonferenz in Wien zu erwähnen, zu der die österreichische Regierung Griechenland sehr zum Ärger Athens nicht eingeladen hatte.

Neben einem effektiven Grenzmanagement müsse die EU aber auch "gemeinsam die humanitären Konsequenzen unserer Entscheidungen bewältigen", sagte Tusk, vor allem Griechenland sei hier zu unterstützen. "Die Nagelprobe unseres 'Europäertums' wird einerseits darin bestehen, zum Schengen-Regime zurückzukehren, anderseits aber Athen während dieser schweren Zeit beizustehen."

Leise Kritik ließ der EU-Ratspräsident am Verhalten der Türkei anklingen, die Tusk ebenfalls in den nächsten Tagen besuchen wird: "Europa ist, wie es bereits demonstriert hat, bereit, jenen Staaten, die an die vom Krieg zerrissenen Regionen angrenzen substanzielle finanzielle Unterstützung zu geben. Gleichzeitig aber erwarten wir ein stärkeres Engagement von unseren Partnern als absolute Voraussetzung dafür, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.

Vermittlungstour durch Europa

Die Stimmung in der EU ist angesichts der Flüchtlingssituation angespannt. Mit Spannung wird der Gipfel am 7. März erwartet. Nicht nur EU-Ratspräsident Tusk ist deshalb auf Vermittlungstour. Vor dem europäischen Sondergipfel zur Flüchtlingskrise in der kommenden Woche unternimmt EU-Ratspräsident Donald Tusk ab Dienstag eine mehrtägige Vermittlungsmission durch Länder entlang der Balkanroute. Erste Station ist zu Mittag Wien, wo Tusk mit Bundeskanzler Werner Faymann zusammentrifft.

Noch am selben Tag folgt ein Treffen mit Sloweniens Regierungschef Miro Cerar in Ljubljana.

Bis Donnerstag stehen dann noch Kroatien, das Nicht-EU-Land Mazedonien und Griechenland auf dem Programm. Die Regierung in Athen kritisiert seit Tagen die Verschärfung von Grenzkontrollen entlang der Balkanroute, die zu einem Rückstau tausender Flüchtlinge in Griechenland führen. Die EU will bei einem Sondergipfel am kommenden Monat eine Bilanz ihrer bisherigen Flüchtlingsstrategie ziehen, die zunehmend durch nationale Alleingänge wie Grenzschließungen oder Flüchtlingsobergrenzen unterlaufen wird.

Verbindliche Töne aus Griechenland

Die Griechen sind nun auch Richtung Österreich um verbindlichere Töne bemüht. "Wir sind Partner, nicht Gegner", sagte der griechische Außenminister Nikos Kotzias am Montagabend in der "Zeit im Bild 2". Er bekräftigte aber die Verärgerung Athens: "Man kann nicht über unsere Grenze diskutieren, ohne uns dabei zu haben." Kotzias bezog sich dabei einmal mehr auf die Nicht-Einladung zu der am vergangenen Mittwoch in Wien abgehaltenen Konferenz mit den Staaten entlang der Balkanroute.

Mit der gegenwärtig eingeschlagenen Taktik, "die Grenzen zu Griechenland dicht zu machen, und zu glauben, dann kämen keine Flüchtlinge mehr durch, machen sich einige Leute Illusionen", meinte Kotzias. In Wahrheit würden sich die Menschen denken: "Dann finden wir andere Wege, nach Zentraleuropa zu kommen." Um dieser Situation Herr zu werden, brauche man "eine Lösung, ohne dass einer dem Anderen etwas aufzwingen will."

Heikle Situation am Brenner

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) war am Montag nach Brüssel gereist, um mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über die Situation am Brenner zu beraten. Er betonte, dass es zu keinem "Chaos" kommen dürfe. Italien müsse rechtzeitig den Flüchtlingsstrom stoppen, damit Tirol "kein Wartesaal für Migranten" wird. Juncker selbst zeigte sich besorgt, dass Europa an der Frage Brenner scheitern könnte. Die Freude des Kommissionspräsidenten über die Obergrenzen und Grenzkontrollen sei "endend wollend".

Verteidigungsminster besucht den Libanon

Über die EU-Grenzen hinaus führt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) seine Reise von Mittwoch bis Freitag. Er macht sich bei seinem erster Auslandstruppenbesuch im Libanon ein Bild von dem Land, das massiv von der aktuellen Flüchtlingskrise betroffen ist. Neben der Visite bei den österreichischen Soldaten im Südlibanon steht auch der Besuch eines Flüchtlingsprojekts am Programm.

Der Minister möchte sich gemeinsam mit UNHCR-Österreich-Chef Christoph Pinter und Generalstabschef Othmar Commenda vor Ort ein Bild von der Situation im Nachbarland Syriens machen. Die ist, gelinde gesagt, eine Herausforderung: In dem Land mit gut 6,2 Millionen Einwohnern, das kaum größer als Kärnten ist, sind 1,2 Millionen Flüchtlinge.

 

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