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Die spinnen, die Amerikaner? Ein Wahlvergleich

Von Peter Filzmaier   04.November 2014

In den USA werden heute alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der 100 Senatoren gewählt. Hinzu kommen 36 aus europäischer Sicht sträflich unterschätzte Gouverneurswahlen. Denn im US-Föderalismus ist Politik automatisch Kompetenz der Einzelstaaten, solange die Verfassung nicht das Gegenteil sagt, was selten der Fall ist. Über österreichische Debatten zur Steuerhoheit der Länder lacht man in Washington. Das ist sowieso klar, und in den Konföderationsartikeln als Verfassungsvorläufer waren sogar Währung und Armee keine Bundessache.

Bei uns werden zudem Landeshauptleute und Bundesräte von den Landtagen nominiert, weshalb Zweitgenannte keiner kennt. Dass es nicht unmittelbar vom Volk gewählte Politiker gibt, das macht uns aus Sicht der Amerikaner fast zum kommunistischen Land. Weil in den USA keiner für Parteilisten stimmen will, sondern allein Personen wählbar sind. Parteien wurden von den Verfassungsgründern als Splittergruppen bezeichnet.

Daher sind nach einer Studie von "YouGov" bloß acht (!) Prozent der Wähler mit dem Kongress zufrieden, nachdem sich die Parteilinien seit den 1990er Jahren radikal verschärft haben. Im Vergleich ist Österreichs Parlament mit Vertrauensdaten von einem Drittel eine Insel der Seligen. Ein Grund ist das Wahlrecht: Nach dem "The Winner Takes All"-Prinzip wird Repräsentant oder Senator, wer im jeweiligen Bezirk bzw. Staat vorne ist.

Durch die Mehrheits- statt der Verhältniswahl fühlen sich viele Wähler nicht vertreten, wie es bei uns mit Mandaten für Parteien ab vier Prozent der Stimmen anteilig vorgesehen ist. Gäbe es das US-Wahlsystem, wären Grüne, Neos und Team Stronach nicht im Nationalrat. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind Kleinparteien kein Thema, die Medienaufmerksamkeit ist auf sündteure Schlüsselwahlkämpfe konzentriert.

Fast lächerliche Diskussion

Laut dem Center for Responsive Politics kosten die Kongresswahlen 3,7 Milliarden Dollar. Unabhängig von der in den USA größeren Wählerzahl wirkt da die heimische Diskussion um das Sieben-Millionen-Euro-Limit pro Partei fast lächerlich. Im Rennen um den Senatssitz von Kentucky verbrauchten Mitch McConnell und Alison Grimes mehr Geld als SPÖ, ÖVP, FPÖ & Co zusammen.

Während abgesehen von Frank Stronach unser politischer Wettbewerb via Parteiförderung überwiegend mit Steuergeld bestritten wird, gibt es in den USA ausschließlich private Wahlkampffinanzierung. Kritikpunkt ist, dass niemand Millionen auftreibt und von den Geldgebern unbeeinflusst bleibt. Das sagte früher Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown, der heute erfolgreichster Sammler von Großspenden ist. Doppelmoral gibt es offenbar in der Politik diesseits und jenseits des Atlantiks.

Doch kommt in den USA ein Großteil der Ausgaben nicht halbwegs transparent von Parteien, sondern von Interessengruppen mit unklarem Hintergrund. Politische Superaktionskomitees (Super-PACs) dürfen nach einer höchstgerichtlichen Aufhebung aller Obergrenzen mit unendlich dicker Brieftasche agieren.

Die besser gefüllte Kriegskasse der Republikaner kann über die Mehrheitsverhältnisse entscheiden. Vermutlich gibt es eine geteilte Regierungsmacht, was mit einer Koalition wie in Österreich nichts zu tun hat. Der Demokrat Barack Obama wird daher wohl bald republikanischen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und Senat gegenüberstehen.

Nur im Senat hofft Obama noch

In Umfragen werden republikanischen Kandidaten bereits 228 wahrscheinliche Sitze im Repräsentantenhaus vorhergesagt. Das ist mehr als die Hälfte, der Überhang an Republikanern scheint bestätigt. Nur im Senat hofft Obama noch, dass fünf seiner acht extrem gefährdeten Amtsinhaber ihren Sitz und dadurch das Plus der Demokraten retten.

Parteikollegen überschlagen sich aber in ihrer Distanzierung vom Präsidenten. Das erinnert an unsere Landespolitiker, die den Bundesparteichef medial an die Wand knallen. Die Senatoren aus Colorado und Alaska, Mark Udall und Mark Begich, haben Obama ausgerichtet, ihn nicht treffen zu wollen, obwohl sie im Kongress zu 99 Prozent für seine Politik stimmten. So wie in Landtagswahlen häufig Bundespolitiker quasi Einreiseverbot bekommen, versucht Obama gar nicht erst in umkämpften Staaten als Wahlhelfer aufzutreten. Das tut nur seine Frau Michelle, die in Florida an der Seite von Charlie Crist kämpft. Überstrahlt wird sie von Hillary Clinton, die zur Unterstützung Mary Landrieus zur Senatswahl nach Louisiana reiste. Auf der Gegenseite ist Jeb Bush – Sohn und Bruder der gleichnamigen Präsidenten – ausgerückt, um Obama für dessen Ebola- und IS-Politik anzugreifen.

Die Ablehnung des Präsidenten verwundert, weil die USA besser aus der Krise gekommen sind als gedacht. Das Wachstum beträgt mehr als drei Prozent, die Arbeitslosigkeit ist auf sechs Prozent gesunken. Obama predigt ähnlich wie Bundeskanzler Werner Faymann richtige Wirtschafts- und Sozialdaten, wonach es schlimmer sein könnte und man nicht Jammern auf hohem Niveau betreiben dürfe. Damit erreichen beide oft nicht die Herzen enttäuschter Wähler.

Wieder Clinton gegen Bush

PS: Das Engagement von Frau Clinton und Herrn Bush nährt Spekulationen über sie als Kontrahenten bei der Präsidentschaftswahl 2016. Das wäre von den Namen her – 1992 gewann Bill Clinton gegen George W. Bush – der gleiche Wahlkampf wie vor fast einem Vierteljahrhundert. Dass wir das Gefühl haben, vor und nach Wahlen stets die gleichen Politikernamen zu hören, verbindet uns mit den USA.

Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl Franzens-Universität Graz

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