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Die Gnade der Fehlbarkeit

Von Analyse von Heinz Niederleitner   14.April 2012

Dieses Alter regt zum Nachdenken an: Wenn ein Papst zur Erkenntnis komme, dass er den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen könne, dann habe er das Recht und die Pflicht, zurückzutreten, sagte Benedikt XVI. einmal. Darüber zu entscheiden, liegt allein bei ihm. Papstbruder Georg Ratzinger hat angedeutet, dass Benedikt XVI. nicht mehr soviel reisen werde.

Die strapaziösen Auslandsreisen sind ein Erbe, das Benedikt von seinem Vorgänger übernommen hat. Die Gabe von Johannes Paul II. war es, durch seine Präsenz, durch sein Charisma zu wirken, auch wenn er Unerwünschtes sagte. Bei Benedikt steht mehr die inhaltliche Botschaft im Zentrum. Entscheidend für sein Wirken sind vor allem die Reden, Predigten, Enzykliken und Bücher. Manche Beobachter nennen ihn daher einen „lehrenden Papst“. Zwar soll jeder Papst die kirchliche Lehre verkünden. Aber Benedikt konzentriert sich ganz besonders darauf.

Das Lehren stand schon immer im Mittelpunkt von Joseph Ratzingers Leben: Früh wurde er Hochschullehrer – vor allem für Dogmatik, also jene Wissenschaft, die sich mit der Lehre der Kirche beschäftigt. Interessanterweise fallen in diese Phase die fortschrittlichsten Stellungnahmen Ratzingers: Mit Genuss zitieren Kirchenreformer, was er als Theologe auf und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) schrieb. Noch 1970 wollte Ratzinger den Zölibat auf den Prüfstand stellen.

Sieben Jahre später wurde er ein Kirchenfürst. Doch die Zeit als Erzbischof von München und Freising war nur ein Übergang. Fast ein Vierteljahrhundert – zwischen 1982 bis 2005 – war Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, also oberster Wächter über die Lehre der Kirche. Als derjenige, der für die Maßregelungen von Querdenkern und Abweichlern verantwortlich war, nahm Kardinal Ratzinger ein schlechtes Image in Kauf. Zu seiner Arbeit gehörte zwar auch die Erstellung des „Katechismus der katholischen Kirche“. Dieser zementierte aber die konservative Haltung der Kirchenspitze in vielen Fragen ein.

Die Wahl zum Papst 2005 ermöglichte es Ratzinger, das Zerrbild des „Panzerkardinals“ abzustreifen und die positiven Aspekte des Glaubens herauszustreichen. „Gott ist die Liebe“ heißt die erste Enzyklika von Benedikt XVI. Es ist auch bezeichnend, dass der Papst auf den „Aufruf zum Ungehorsam“ der österreichischen Pfarrer-Initiative bislang keine Sanktionen in den Raum gestellt hat. Als Papst darf Ratzinger versöhnen.

Beschämend für die Kirche ist die Flut von Enthüllungen über Missbrauch an Kindern in kirchlichen Einrichtungen. Benedikt hat die Taten – nachdem sie an die Öffentlichkeit gelangt waren – verurteilt und Opfer getroffen. Zu einer Diskussion über Strukturveränderungen in der Kirche ließ er es nicht kommen.

Gegen den „Relativismus“

Er wählt weiter die Lehrer-Rolle: Systematisch handelt er bei den Generalaudienzen Glaubensthemen ab. Bislang sind zwei Bände seines Jesus-Buches erschienen. Er will auch Mahner sein und betont den Glauben, um gegen den „Relativismus“ zu arbeiten: gegen eine orientierungs- und wertelose Welt.

Die Konzentration auf den Glauben im engeren Sinne fordert aber einen Preis: Benedikts Stellungnahmen zu globalen Entwicklungen sind – verglichen mit Johannes Paul II. – bescheiden. Ratzinger ist kein Politiker. Sein Wirken „in den Schuhen des Fischers“ war bislang auch von Pannen überschattet: Da ist das missverständliche Zitat in der Regensburger Rede, das die muslimische Welt erzürnte. Da sind verwirrende Aussagen über Kondome und Aids sowie über Ureinwohner, die christliche Missionare herbeigesehnt hätten (die aber in Begleitung brutaler Eroberer kamen). Und da ist das zu weit gehende Entgegenkommen des Papstes gegenüber der extrem konservativen Piusbruderschaft.

Ratzingers politisches Defizit zeigt sich auch im Unvermögen, den Vatikan zu reformieren. Dass unter den vier Bischöfen der Piusbruderschaft, denen er die Strafe der Exkommunikation erließ, ein Holocaustleugner ist, hat der Papst nicht gewusst – umso peinlicher für seine Zuarbeiter.

Am Boden der Realität

In diesem Zusammenhang zeigte sich der Papst sehr menschlich: Er beklagte angesichts der Kritik offen, dass auch Katholiken „mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten“. Aber wenn es auch schmerzhaft ist, so stutzen doch die Fehler während Benedikts Pontifikat das Papsttum nach dem überhöhten Amtsinhaber Johannes Paul II. auf ein menschliches Maß zurück. Diese „Gnade der Fehlbarkeit“ könnte eine Chance für die römisch-katholische Kirche sein, sich kollegialere Strukturen zu geben. Von Benedikt ist ein erster Schritt in diese Richtung aber nicht zu erwarten.

 

1927 Geburt: Am 16. April 1927 wird Joseph Ratzinger in Marktl am Inn geboren.

1951 Priesterweihe: Nach der Priesterweihe 1951 schlägt er eine Universitätskarriere mit mehreren Stationen ein.

1977 Erzbischof: Ratzinger wird Erzbischof von München und Freising. Fünf Jahre später tritt er das Amt des Präfekten der Glaubenskongregation in Rom an.

2005 Papstwahl: Nach dem Tod von Johannes Paul II. wählt das Konklave der Kardinäle Ratzinger am 19. April 2005 zum neuen Papst. Er nennt sich Benedikt XVI.

2007 Österreich-Besuch: Im September 2007 besucht Papst Benedikt XVI. Österreich.

2012 „Jahr des Glaubens“: Im Herbst soll das von Benedikt ausgerufene „Jahr des Glaubens“ starten – in Erinnerung an den Beginn des Zweiten Vatikanums vor 50 Jahren.

 

Feierlichkeiten

Zum Papstgeburtstag am Montag kommen deutsche Bischöfe und eine Delegation aus Bayern unter Führung von Ministerpräsident Horst Seehofer nach Rom.

Am 20. April spielt das Gewandhausorchester Leipzig Mendelssohn-Bartholdys „Lobgesang“ für den Papst.
Am 19. April, dem siebten Jahrestag der Papstwahl Benedikts, zelebrieren Kardinal Christoph Schönborn und Nuntius Peter Stephan Zurbriggen im Wiener Stephansdom ein Pontifikalamt.

 

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19. April 2024