Dutzende Flugausfälle nach Ausschreitungen in Barcelona
BARCELONA. Vor einem angekündigten Generalstreik und weiteren Demonstrationen von Separatisten ist es in Katalonien die vierte Nacht in Folge zu Ausschreitungen gekommen. Dutzende Menschen wurden verletzt, elf seien festgenommen worden. Am Freitag soll ein Generalstreik die Region lahmlegen.
Die heftigsten Zusammenstöße gab es in der Regionalhauptstadt Barcelona. Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung setzten im Zentrum unter anderem Müllcontainer sowie Tische und Stühle von Straßencafés in Brand. Außerdem seien eine Bankfiliale und ein Bekleidungsgeschäft verwüstet worden, teilte die Polizei mit.
Vereinzelt kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Beamten seien erneut mit Steinen und Böllern angegriffen worden und hätten ihrerseits Schaumgeschoße eingesetzt, hieß es in Medienberichten.
Proteste als Folge auf Haftstrafen für Seperatistenführer
Verhindern konnte die Polizei Zusammenstöße zwischen den Separatisten, die nach Unabhängigkeit für die wirtschaftlich starke Region im Nordosten Spaniens streben, und Rechtsradikalen, die eine Gegenkundgebung veranstalteten. Nach Schätzungen des spanischen Fernsehens waren auch nach Mitternacht in Barcelona noch viele Tausend Unabhängigkeitsbefürworter unterwegs. Demonstrationen gab es am Donnerstag auch in anderen katalanischen Städten wie Girona und Lleida.
Die Proteste hatten nach der Verurteilung von neun Separatistenführern zu langjährigen Haftstrafen begonnen. Wegen des gerichtlich für illegal erklärten Abspaltungsreferendums von Oktober 2017 hatte das Oberste Gericht in Madrid am Montag sieben ehemalige katalanische Spitzenpolitiker und zwei Anführer ziviler Organisationen schuldig gesprochen. Die Höchststrafe bekam der Ex-Vizeregionalchef Oriol Junqueras mit 13 Jahren Freiheitsentzug.
Flugausfälle und blockierte Straßen
In Katalonien hat am Freitag ein Generalstreik aus Protest gegen die Haftstrafen für neun Separatistenführer begonnen. Am Flughafen von Barcelona wurden mehrere Dutzend Flüge vor allem der Gesellschaften Iberia und Vueling gestrichen. Die Flugverbindungen nach Wien sind jedoch derzeit nicht betroffen, wie der Flughafen Wien mitteilte.
Viele Passagiere seien vorsorglich fünf bis sechs Stunden vor ihrem Flug zum Airport El Prat gekommen, berichtete das spanische Fernsehen. Auch Hafenarbeiter und Angestellte des Autobauers Seat legten die Arbeit nieder; die große katalanische Supermarktkette Bonpreu blieb ebenfalls geschlossen.
Der Zugverkehr verlief zunächst normal, allerdings seien die Sicherheitskräfte etwa am Hauptbahnhof von Barcelona verstärkt worden, hieß es. Demonstranten blockierten schon in der Früh mehrere Straßen der abtrünnigen Region. Im Laufe des Tages wurde mit weiteren Demonstrationen und Protestaktionen gerechnet. Am Nachmittag sollten fünf "Märsche für die Freiheit" Barcelona erreichen. Die Teilnehmer hatten sich vor einigen Tagen in verschiedenen Teilen der Region in Richtung ihrer Hauptstadt aufgemacht, wo eine Großkundgebung geplant ist.
Sagrada Familia von Demonstranten blockiert
Die Zugänge zur weltberühmten Basilika Sagrada Familia in Barcelona sind am Freitag im Rahmen der Proteste der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung von Demonstranten blockiert worden. Zahlreiche Befürworter einer Abspaltung der Region von Spanien versammelten sich am Vormittag vor dem bis heute unvollendeten Gotteshaus des Architekten Antonio Gaudí (1852-1926).
Touristen, die eine Besichtigung gebucht hätten, könnten derzeit nicht in die Basilika gelangen. Sie könnten ihre Tickets über die Webseite stornieren, hieß es auf dem Twitter-Account der Sagrada Familia. Man hoffe, dass die Situation sich bald normalisiere. Die Sagrada Familia, mit deren Bau 1882 begonnen wurde, ist ein Wahrzeichen Barcelonas und eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Spaniens.
Video: ORF-Reporter Josef Manola erzählt über die momentane Lage in Barcelona im Zuge der Ausschreitungen:
Vorerst keine erneute Zwangsverwaltung
Die sozialistische Zentralregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez weist unterdessen die Forderungen konservativer Kräfte zurück, Katalonien erneut unter Zwangsverwaltung zu stellen, wie es schon nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom Herbst 2017 geschehen war.
Spanische Fußball-Liga verschiebt Spiele
Wegen der Unruhen habe die spanische Fußball-Liga die Verschiebung des für den 26. Oktober geplanten Spitzenspiels zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid beschlossen, hieß es zudem.Der spanische Fußball-Verband RFEF habe dem FC Barcelona und Real Madrid den 18. Dezember als neuen Termin für den "Clásico" vorgeschlagen, hieß es in Medienberichten. Zuvor hatte auch die spanische Regierung eine Verschiebung des Spiels empfohlen, das eigentlich am 26. Oktober in Barcelona stattfinden sollte. An dem Tag ist in der Stadt eine Großdemo der Separatisten geplant.
Die beiden Clubs seien mit dem neuem Austragungstermin einverstanden, berichteten Medien wie die Zeitungen "As" und "Marca". Die Profi-Liga sei aber dagegen, den "Clásico" an einem Mittwoch austragen zu lassen - offenbar weil Einbußen bei den TV-Einnahmen befürchtet werden. Der Verband habe alle Parteien dazu aufgefordert, sich bis Montag auf einen neuen Termin zu einigen, hieß es.
Puigdemont meldete sich nach Haftbefehl bei der belgischen Polizei
Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat sich am Freitagmorgen bei der Polizei in Brüssel gemeldet, nachdem Spanien einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erneuert hatte. Puigdemont habe dies aus freien Stücken getan, hieß es in einer Erklärung seines Büros. Er widerspreche den Vorwürfen der spanischen Justiz. Der frühere Separatistenführer war 2017 nach Belgien geflohen. Die spanische Justiz wirft ihm Aufruhr und Zweckentfremdung öffentlicher Gelder vor. Einem früheren Auslieferungsbegehren waren die belgischen Behörden nicht gefolgt.
Puigdemont war 2018 in Deutschland festgenommen worden, aber nach einigen Tagen Haft wieder freigekommen. Später hob das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Auslieferungshaftbefehl auf. Am Montag hatte die spanische Justiz den internationalen Haftbefehl reaktiviert.
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