Schwierige Aufklärung von Verbrechen im Ukraine-Krieg
GENF. Seit über einem Jahr führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ein Ende der Kämpfe ist nicht absehbar - und auch die Frage einer Strafverfolgung russischer Verantwortlicher ist ungeklärt.
Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstößen in der Ukraine laufen schon seit Langem.
Der UN-Menschenrechtsrat setzte vor fast einem Jahr eine Untersuchungskommission ein. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dürfte sich am Montag beim UN-Menschenrechtsrat in Genf dafür einsetzen, die Untersuchung zu verlängern.
Der UN-Menschenrechtsrat hatte am 3. März 2022 eine Untersuchungskommission zur Aufklärung von Verbrechen im Ukraine-Krieg beschlossen. Sie soll Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht untersuchen und Beweise für Gerichtsverfahren sichern. In einem Zwischenbericht im September hatten die UN-Ermittler "zahlreiche Kriegsverbrechen" in der Ukraine festgestellt. Dabei handelte es sich um Taten, die zu Beginn der russischen Invasion in den Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy verübt worden waren.
Das Mandat der Kommission war zunächst auf ein Jahr begrenzt, Deutschland strebt eine Verlängerung um ein weiteres Jahr und eine Erweiterung des Mandats um die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland an.
IStGH in Den Haag zuständig
Zuständig für die Ahndung von Kriegsverbrechen ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Er geht seit 2002 auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nach. Chefankläger Karim Khan ermittelt im Fall der Ukraine und wird dabei von Deutschland und 13 weiteren EU-Ländern unterstützt.
Weder Russland noch die Ukraine sind jedoch Vertragsstaaten des IStGH. Die Ukraine hatte aber nach der Krim-Annexion 2014 die Gerichtsbarkeit des Strafgerichtshofs für alle Verbrechen auf ihrem Territorium anerkannt.
In der Ukraine selbst laufen ebenfalls Ermittlungen und auch die Generalbundesanwaltschaft in Deutschland hat wegen möglicher russischer Kriegsverbrechen bereits ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet.
Ukraine fordert Sondertribunal
Die Ukraine und ihre Verbündeten wollen Russland auch wegen des Verbrechens der Aggression zur Verantwortung ziehen. Dabei geht es um die Planung, Vorbereitung und Ausführung des Angriffs auf die Ukraine, also etwa die Invasion, Bombenangriffe und die Blockade von Häfen. Zwar kann der Haager Strafgerichtshof seit 2018 auch hier theoretisch tätig werden. Da Russland den Gerichtshof nicht anerkennt, kann der IStGH jedoch nicht gegen Moskau wegen des Verbrechens der Aggression vorgehen. Zwar könnte der UN-Sicherheitsrat das Gericht mit einer solchen Untersuchung beauftragen, Russland könnte dies mit seinem Veto aber blockieren.
Die Ukraine fordert deshalb ein Sondertribunal für die "Aggression" Russlands. Baerbock unterstützt dies und schlug Mitte Jänner ein Tribunal auf Grundlage ukrainischen Rechts mit internationalen Richtern vor. Auch damit könnte Kreml-Chef Wladimir Putin aus Gründen der Immunität aber vorerst nicht belangt werden.
Viele Länder bevorzugen deshalb ein internationales Sondergericht. Die Hürden dafür sind allerdings hoch: Entweder müsste der UN-Sicherheitsrat zustimmen, wo Russland ein Vetorecht hat - oder es müsste in der UN-Vollversammlung eine Zweidrittel-Mehrheit geben.