Schiffsunglück: Opfer fordern Schadenersatz
NANTERRE/TALLINN/STOCKHOLM. Vor 25 Jahren geschah das schlimmste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte: Die "Estonia" sank und 852 Menschen verloren ihr Leben. Nun wird über die Entschädigung entschieden.
In der Nacht auf den 28. September 1994 kenterte die Ostseefähre bei der Überfahrt von Tallinn nach Stockholm. Die traurige Bilanz waren fast 900 Todesopfer. Nur 137 überlebten. Bis heute ist die Ursache der Katastrophe nicht abschließend geklärt. Nun soll ein Gericht in Nanterre bei Paris über die Schadenersatzforderungen der etwa 1000 Überlebenden und Angehörigen der Opfer entscheiden. Es geht um mehr als 40 Millionen Euro. Zahlen sollen sie die französische Prüfstelle Bureau Veritas und die Papenburger Schiffsbauwerft Meyer. Anfang der 1980er Jahre lief das Schiff bei der Meyer Werft vom Stapel, das Bureau Veritas stufte das Schiff als seetüchtig ein.
Die Bugklappe öffnete sich
Vor der finnischen Insel Utö brachen bei schwerer See die Scharniere der Bugklappe. Wegen des hohen Wellenganges brach das Bugvisier weg, wodurch Unmengen an Wasser in das Schiff strömen konnten. Warum das passierte, konnte nie endgültig geklärt werden. Weil sich das Schiff in einem stark befahrenen Gebiet befand, war zwar eine Stunde nach Abbruch des Funkkontakts ein Rettungschiff vor Ort, die hohen Wellen behinderten aber die Seenotrettung. Die meisten Passagiere konnten die Estonia nicht verlassen. Ein Teil derjenigen, die das Schiff verlassen haben, starb im kalten Wasser an Unterkühlung. Nur 94 Verstorbene wurden geborgen. Die Stockholmer Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen zur Klärung der Schuldfrage als ergebnislos ein. Die Estonia liegt noch heute am Grund des Meeres. Die Reednerei EstLine zahlte nach der Katastrophe eine einmalige Opferentschädigung. Die Angehörigen und Überlebenden klagen aber nun auf psychischen Schaden. Die 66-jährige Elisabeth Nilsson, die ihren Ehemann verloren hatte, sei erstaunt gewesen, als sie von dem Verfahren erfahren hatte. "Ich dachte, der Fall sei schon seit Jahren ad acta gelegt worden." Sie habe aber keine großen Erwartungen, da das Unglück niemals richtig untersucht wurde. Am Freitag soll die Entscheidung verkündet werden.