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"Nie wieder 22. Juli", ist man sich in Norwegen einig

Von OÖN   22.Juli 2021

"Ob der 22. Juli Norwegen verändert hat?" Kamzy Gunaratnam schüttelt mit dem Kopf. "So leicht ist das nicht", sagt die 33-Jährige. "Wir haben uns das Versprechen gegeben: nie wieder 22. Juli. Wir haben einander versprochen, niemals zuzulassen, dass sich ein solcher Hass ausbreitet. Und dieses Versprechen haben wir nicht gehalten."

Heute ist es zehn Jahre her, dass Norwegen die schlimmste Gewalttat seiner Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg erlebte. Der Terrorist Anders Behring Breivik zündete im Osloer Regierungsviertel eine selbst gebaute Bombe und tötete damit acht Menschen. Anschließend fuhr er zur Insel Utöya, wo die Jugendorganisation der Sozialdemokraten (AUF) ihr jährliches Zeltlager veranstaltete. Er schoss wahllos auf die Teilnehmer. In den 92 Minuten bis zu seiner Festnahme nahm er 69 überwiegend jungen Menschen das Leben. Seine jüngsten Opfer waren 14.

Kamzy Gunaratnam überlebte. Weil sie sich schnell entschieden hatte, zum Festland zu schwimmen. "Ich dachte, ich müsste wählen, wie ich sterben will. Ich bin nicht gut im Schwimmen, aber ich wollte auch nicht erschossen werden." Heute ist die junge Frau stellvertretende Bürgermeisterin von Oslo. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist die Bekämpfung des Rechtsradikalismus. "Die Leute sprechen nicht gern darüber, dass Breivik ein Ergebnis der norwegischen Gesellschaft ist", sagt sie. "Wir müssen uns fragen, wie wir verhindern, dass sich der 22. Juli wiederholt. Das geht nur, indem wir vorbeugen, was Breivik geschaffen hat."

In den Jahren nach dem 22. Juli 2011 wurde in Norwegen vor allem der Polizeieinsatz diskutiert. Es gab zu viele Pannen, die Menschenleben kosteten. Die Polizei hatte keine Hubschrauber, keine Boote, Einsatzkräfte konnten nicht miteinander kommunizieren – bei all dem saß nur eine Person, die nach zwei Anschlägen und hunderten Notanrufen koordinieren musste, in der Operationszentrale. Daraus hat man gelernt. "Die Polizei wurde personell aufgestockt", versichert Thor Kleppen Settem, Staatssekretär im Justizministerium. Außerdem seien die Regierungsgebäude in Oslo nun besser gesichert.

Die Angst bleibt

Doch gesellschaftlich war das Thema lange ein heißes Eisen. "Ich denke, dass Norwegen als Nation Angst hatte, das Thema zu berühren", sagt Lisbeth Royneland. Sie leitet die Gruppe der Angehörigen der Opfer. Utöya ist heute ein Ort zum Erinnern. Breivik wurde zur norwegischen Höchststrafe verurteilt: 21 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Er sitzt isoliert in drei Zellen. Bis heute hat er seine Taten, die er mit einer Furcht vor der Islamisierung der westlichen Welt begründet, nicht bereut. "Ich verschwende keine Gedanken an ihn", sagt AUF-Chefin Astrid Willa Eide Hoem. "Aber ich habe Angst vor Menschen, die von ihm inspiriert wurden."

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23. April 2024