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Greta Thunberg: "Berühmtheit bedeutet mir nichts. Ich will nur etwas verändern"

28.Mai 2019

Sie ist die Initiatorin der Klimaproteste Hunderttausender Jugendlicher, die an Freitagen die Schulen bestreiken. Vor ihrer Rede bei der Klimakonferenz in der Wiener Hofburg stellte sich Greta Thunberg (16) den Fragen der Bundesländerzeitungen. Das Interview führte Günter Pilch von der "Kleinen Zeitung" in der Du-Form, weil das in Schweden so üblich ist.

Du bis 16 und innerhalb neun Monaten zu einem der bekanntesten Gesichter der Welt geworden. Das Time Magazine zählt dich zu den 100 einflussreichsten Personen, alle wollen Interviews und Selfies. Nimmst du das als Erfolg wahr oder als Last?

Greta Thunberg: Ich hätte nie gedacht, dass das alles einmal diese Entwicklung nehmen würde. Mein Plan war einfach, einen Schulstreik zu machen. Dass die Sache so groß geworden ist, hat mich überrascht. An sich mag ich es nicht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber dann sage ich mir, dass es für eine gute Sache ist. Ich kann mich auch schwerlich beklagen, schließlich habe ich mich selbst in diese Situation gebracht.

Hast du den Eindruck, dass sich etwas verändert hat, seit du aktiv bist?

Die Leute reden mehr über die Klimakrise und die Botschaft verbreitet sich. Wenn die Medien über mich berichten, müssen sie auch über die Klimakrise berichten. Das ist ein guter Nebeneffekt der Berühmtheit. Aber die Berühmtheit bedeutet mir nichts. Ich will nur etwas verändern.

Du sollst privat eher schüchtern sein, die nicht viel spricht. Wie schaffst du es dann, so wie jetzt in Wien vor Hunderten Menschen eine Rede zu halten?

Eigentlich fällt mir das gar nicht so schwer. Privat bin ich sehr zurückgezogen und mache nie Small Talk. Aber wenn ich eine Rede halte oder ein Interview gebe, geht es darum, meine Botschaft rüberzubringen. Ich weiß, was ich sagen will. Und wenn ich auf einer Bühne stehe, konzentriere ich mich nur darauf.

Am Freitag haben weltweit Hunderttausende Jugendliche die Schule bestreikt und nach deinem Vorbild mehr Klimaschutz gefordert. Was kann mit diesem Protest tatsächlich erreicht werden?

Wir können sehr viel erreichen, wenn genügend Menschen mitarbeiten. Die Leute werden aufmerksam, wenn wir ihnen vorhalten: Ihr stehlt uns unsere Zukunft! Gemeinsam können wir Druck auf die Entscheidungsträger ausüben.

OÖN-TV: Taten gefordert

Kritiker sagen, dass es vernünftiger wäre, nachmittags nach Schulende zu demonstrieren. Warum geht ihr während der Unterrichtszeit auf die Straße?

Ich wollte etwas Neues machen. Ich war zuvor bei unzähligen Protestmärschen dabei. Kinder haben sonntags demonstriert, aber das hat keine mediale Aufmerksamkeit erzeugt. Wenn wir diesen Protest nicht in der Schulzeit austragen würden, würde sich niemand dafür interessieren. Es wäre dann einfach nur noch so ein Protest.

Hat es ein Schlüsselerlebnis gegeben, das deinen Einsatz für den Klimaschutz ausgelöst hat?

Als ich acht oder neun Jahre alt war, sahen wir in der Schule einen Film über Plastik im Meer. Wir sahen fürchterliche Bilder von toten Tieren mit Plastik in ihren Bäuchen und von schmelzenden Polkappen. Ich musste weinen und auch meine Klassenkameraden waren traurig. Aber kurz darauf machte jeder so weiter wie bisher. Ich konnte das nicht. Ich konnte diese Bilder nicht mehr aus meinem Kopf bekommen.

Im August 2018 hast du begonnen, freitags die Schule zu bestreiken, weil zu wenig für den Klimaschutz getan wird.

Ja, ich habe zunächst versucht, andere für die Idee zu begeistern, aber keiner wollte mitmachen. Also habe ich alleine begonnen.

Wie haben deine Eltern reagiert?

Die waren nicht sehr glücklich. Sie sagten: Bist du dir sicher, dass du das tun willst? Du riskierst deine Bildung und es gibt doch andere Wege, wie du dir Gehör verschaffen kannst. Ich sagte: Ich habe mich entschieden und mache das. Das werdet ihr akzeptieren müssen.

Wie lange hat es gedauert, bis dir andere Schüler gefolgt sind?

Am ersten Tag war ich allein. Dann kamen einige Journalisten, die etwas über mich schreiben wollten. Ich hatte meine Aktion ja auf Instagram und Twitter gepostet und sie ging viral. Schon am zweiten Tag saß ich nicht mehr alleine da.

Im Jänner hast du in Davos eine inzwischen berühmte Rede gehalten. Du sagtest: "Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die selbe Furcht verspürt, die ich jeden Tag spüre." Worin besteht diese Furcht?

Inzwischen spüre ich diese Angst nicht mehr so stark. Angst hatte ich vor allem damals, als ich in den Bibliotheken gesessen bin und über die schrecklichen Klimaprognosen gelesen habe. Ich hatte Angst, dass ich keine Zukunft mehr haben würde.

Das hat sich geändert?

Ja. Weil ich begonnen habe, mich zu engagieren. Wenn du Angst hast oder traurig bist, ist es der beste Weg, etwas zu unternehmen, zu verändern.

Bist du jemals geflogen?

Ja, natürlich. Als ich jünger war, hatte meine Familie einen sehr großen CO2-Fußabdruck. Meine Mutter ist beruflich viel geflogen und manchmal haben wir sie begleitet. Das war, bevor ich auf die Klimakrise aufmerksam geworden bin.

Die Flugbranche hat zuletzt Einbußen erlitten, weil weniger Kurzstrecken gebucht werden. In der Branche heißt das "Greta Effekt". Siehst du das als Erfolg?

Diese Entwicklung hat nicht notwendigerweise etwas mit dem Klimawandel zu tun. Aber wenn das doch eine Rolle spielt, dann zeigt das, dass die Menschen auf das Problem aufmerksam werden.

Was ist es, das dich antreibt, dass Du so entschlossen bist?

Das kommt daher, dass ich weiß, was auf dem Spiel steht. Ich sehe es als meine moralische Pflicht an, alles zu tun, was ich kann, um das Schlimmste abzuwenden.

Du hast das Asperger Syndrom, eine leichte Form des Autismus. Spielt das dabei auch eine Rolle?

Ja, wenn Leute wie ich in einer Sache sehr entschlossen sind, dann entfalten sie einen eisernen Willen. Und dann wird es durchgezogen.

Deine Reden sind äußerst geschliffen. Das hat dich Verdächtigungen ausgesetzt, du würdest sie nicht selbst schreiben und politisch instrumentalisiert.

Doch, ich schreibe sie selbst. Die Rede, die ich hier in Wien gehalten habe, habe ich im Zug entworfen. Natürlich hole ich mir Rat von anderen und halte Kontakt mit Wissenschaftern für fachliche Fragen.

Greta Thunberg und Arnold Schwarzenegger riefen zu mehr Action auf

Mit eindringlichen Appellen, die globale Klimakatastrophe zu stoppen, startete gestern die Klima-Konferenz „R20 Austrian World Summit“ in der Wiener Hofburg. Stargast Greta Thunberg (16), Klimaaktivistin aus Schweden, warnte dabei: „Das ist nicht irgendein Notfall, sondern die größte Krise, die die Menschheit jemals gesehen hat.“

Die Eröffnungsrede hielt Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Das Staatsoberhaupt unterstrich die Dringlichkeit, mit der der Klimawandel bekämpft werden muss. „Wir wissen, dass uns die Zeit davonläuft – der Klimanotstand ist längst da.“ Beim UN-Klimagipfel in New York will er zudem mit seiner Klimainitiative von europäischen Staatshäuptern weiter Druck machen.

Auch UNO-Generalsekretär António Guterres warnte, dass die Situation „sehr ernst“ ist. Gastgeber Arnold Schwarzenegger rief zu mehr „Action“ auf. Der ehemalige Gouverneur von Kalifornien kritisierte, dass immer noch sieben Millionen Menschen im Jahr aufgrund von Umweltverschmutzung sterben. „Das ist der Status quo, den ihr behalten wollt?“, wandte er sich an die Zweifler. Er rief sie stattdessen dazu auf, sich der grünen Bewegung anzuschließen. „Die Einladung ins Weiße Haus dürfte aber am Postweg verloren gegangen sein.“

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