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Die Kost, die aus der Kälte kam

Von Bernhard Lichtenberger   28.März 2020

Pizzen, allerlei Gemüse und Obst, zu Stäbchen gepresster Fisch, Garfertiges in zig Variationen – gerade in Bevorratungszeiten wie diesen gehen sie weg wie die warmen Semmeln, obwohl sie eiskalt sind: Tiefkühlprodukte. 22 Kilogramm dieser Kost wurden pro Kopf im Vorjahr in Österreich verzehrt, Tendenz steigend. Es ist genau 90 Jahre her, dass in 18 Lebensmittelgeschäften in Springfield im US-Bundesstaat Massachusetts zum ersten Mal schockgefrorene Waren verkauft wurden. Der Markenname, "Birds Eye Frosted Food", verwies auf den Erfinder.

Mach es wie die Inuit!

Den 1886 in Brooklyn geborenen Biologen Clarence Birdseye verschlug ein Forschungsauftrag der US-Agrarbehörde im Jahr 1912 in den eisigen Nordosten, nach Neufundland, wo ihn Inuit das Eisfischen lehrten. Dabei bemerkte er, dass der bei minus 40 Grad aus dem Wasser gezogene Fang sofort gefror. Und erstaunt stellte er fest, dass der Fisch nach dem Auftauen viel frischer schmeckte als der gekühlte, den sein Gaumen aus New York kannte. Das erklärte sich damit, dass die Versuche des Einfrierens bis dahin nur wenig unter null Grad und folglich zu langsam stattfanden. Dadurch entstehen größere Eiskristalle, die das Gewebe des Gutes schädigen, worunter Geschmacksqualität und Konsistenz leiden.

Inspiriert von den arktischen Ureinwohnern, begann Birdseye an der Technik des Haltbarmachens zu tüfteln. Mit seiner ersten Firma, Birdseye Seafoods, setzte er Fischfilets einer Kälte von minus 43 Grad aus. Nur waren die Konsumenten noch nicht reif, sich auf die frostige Ware einzulassen. Das Unternehmen schlitterte in die Pleite.

Der findige Geist ließ sich nicht entmutigen. Er entwickelte eine neue Methode: den Plattenfroster. Der filetierte, in Karton verpackte Fisch wurde zwischen zwei Platten, durch die ein Kühlmittel floss, unter Druck auf bis zu minus 40 Grad abgekühlt. Mit diesem patentierten Verfahren gründete Birdseye seine zweite Firma, die er 1929 um 22 Millionen Dollar an Goldman Sachs und die Lebensmittelfirma Postum verkaufte.

Am 6. März 1930 wurden 26 Produkte als "Birds Eye Frozen Food" den Konsumenten schmackhaft gemacht, darunter Spinat, Fleisch, Erbsen, Austern und Beeren. Der eiskalte Siegeszug war nicht mehr aufzuhalten – und das im wahrsten Wortsinn, da Clarence Birdseye ab 1944 isolierte Kühlwaggons an die Eisenbahngesellschaft vermietete. Bis zu seinem Lebensende – er erlag 1956 in Manhattan einem Herzinfarkt – brachte es Birdseye auf rund 300 Patente in der Lebensmittelverarbeitung.

In Österreich erwärmte man sich etwas später für die Kost, die aus der Kälte kam. Während die ersten Truhen und Produkte aus Deutschland importiert wurden, begann 1941 der heimische Tiefkühlpionier Hans Petter in Raasdorf im Marchfeld mit dem Tieffrieren von Gemüse. Durch Übernahmen sollte daraus die Marke Iglo entstehen.

Kritischer Blick auf Fertigprodukte

An den Vorteilen des Schockfrierens besteht heute kein Zweifel mehr, es gilt als die schonendste Form des Konservierens. Die Zellstruktur des Lebensmittels bleibt durch das schnelle Einfrieren bei etwa minus 30 Grad intakt, die Haltbarkeit verlängert sich, das Wachstum von Mikroorganismen wird gestoppt, Vitamine und Mineralstoffe bleiben gut erhalten – sogar im Vergleich zu Gemüse und Obst, das einige Tage Licht und Wärme ausgesetzt war. Bei Fertigprodukten sollte aber ein kritisches Auge auf Aroma- und Farbstoffe, auf Geschmacksverstärker und den Fettgehalt geworfen werden.

Ausschließlich auf Tiefgekühltes sollte man sich in Krisenzeiten allerdings nicht verlassen. Was, wenn der Strom ausfällt?

  • 1,9 Kilogramm Tiefkühlprodukte betrug 1965 der österreichische Pro-Kopf-Verbrauch.
  • 22 Kilo waren es im Jahr 2019 (Eis und Torten ausgenommen), 46 Kilo in Deutschland.
  • 6 Mal pro Woche öffnen die Österreicher daheim den Tiefkühlschrank.
  • 21 Mal pro Jahr wird im Supermarkt zu Waren aus der Tiefkühltruhe gegriffen.
  • 95 Prozent der österreichischen Haushalte kaufen Tiefgekühltes.
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25. April 2024