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Das Rätsel um die Himmelsscheibe von Nebra

21. November 2020, 00:04 Uhr
Worum es bei der Debatte um die Himmelsscheibe von Nebra geht
Der Fund von Nebra mit der Himmelsscheibe aus Bronze und Gold: Der österreichische Wissenschafter Ernst Pernicka datiert ihn auf die Bronzezeit. Bild: OÖN, Fink

Echt oder Fälschung, bronzezeitlich oder keltisch, geschlossener Fund oder Einzelstück? 13-köpfige Forschergruppe erklärt die Kontroverse als gelöst.

Seitdem sie vor 20 Jahren wieder aufgetaucht ist, gibt es um die Himmelsscheibe von Nebra wissenschaftliche Debatten. Bei dem sensationellen Fund durch Raubgräber 1999 auf dem Mittelberg nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt handelt es sich um nicht weniger als die älteste bisher bekannte konkrete Himmelsdarstellung. Die 32-Zentimeter-Scheibe aus Bronze und Gold dürfte 4000 Jahre alt sein und gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe in Deutschland. Sie diente vermutlich sakralen Zwecken.

Im heurigen September publizierten die Forscher Rupert Gebhard und Rüdiger Krause jedoch "Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra". Kleine Lichter sind die beiden Wissenschafter keine. Gebhard ist Direktor der Archäologischen Staatssammlung München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität. Krause wirkt als Professor für Vor- und Frühgeschichte Europas an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Die Archäologen äußerten Zweifel an der Datierung der Scheibe. Sie halten sie zwar für echt, aber 1000 Jahre jünger (Eisenzeit) als bisher angenommen. Unter anderem schrieben sie: "Für eine Einordnung in die mitteleuropäische Frühbronzezeit könne kein vergleichbares Symbolgut benannt werden." Zudem sei die Geschlossenheit des Fundes nicht gegeben. Das würde bedeuten, Schwerter und Scheibe stammten von verschiedenen Fundstellen.

Der Krimi um die Scheibe

Die Entdeckung der Himmelsscheibe gleicht eher einem Krimi als einem Archäologenalltag. Ausgegraben wurde der Schatz 1999 von zwei Sondengehern, die dafür keine Genehmigung hatten. Erst drei Jahre danach konnte er bei einer fingierten Verkaufsaktion in Basel (Schweiz) sichergestellt werden. Seither befinden sich die Himmelsscheibe, zwei Schwerter, zwei Beile, ein Meißel und Bruchstücke von Armreifen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt). Vor dem Hintergrund, dass im kommenden Jahr ebendort eine große Ausstellung zum Thema 20 Jahre Himmelsscheibe geplant ist, galt es, möglichst schnell die Vorwürfe auszuräumen, sagt Ernst Pernicka. Der Wiener Chemiker ist spezialisiert auf Archeometrie und wirkt am Curt-Engelhorn-Zentrum in Mannheim, ein international agierendes Forschungsinstitut und Labor für Materialanalysen. Pernicka als Studien-Erstautor einer 13-köpfigen Forschungsgruppe hält fest, "dass Gebhard und Krause mit unvollständigen und teilweise falschen oder verfälschend wiedergegebenen Daten argumentieren". In einer Publikation im Fachjournal "Archaeologia Austriaca" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften führte das Forschungsteam jüngst Belege für die Entstehung der Scheibe in der Bronzezeit zusammen und will damit die Kontroverse gelöst haben. Doch wie bei vielen außergewöhnlichen Funden werde die Diskussion "wohl nie ganz beendet sein", fürchtet Pernicka.

Ein weiterer Hintergrund zur Debatte dürfte mit dem Bernstorfer Goldfund von 1998 in Bayern zusammenhängen. Mit Gebhard/Krause und Pernicka sind dieselben Akteure dabei. Krause hält den Fund für echt und datiert ihn auf die Mittlere Bronzezeit. Pernicka hält ihn für eine Fälschung. Er argumentiert mit dem hohen Reinheitsgrad des Goldes, der nur mit Hilfe moderner Verfahren zu erreichen sei. Weiterführende Untersuchungen durch die deutsche Bundesanstalt für Materialforschung und der Technischen Universität München stützen Pernickas Analysen.

"Man braucht nur irgendwelchen Unsinn oft genug wiederholen, bis irgendwann im Sinne der Ausgewogenheit beide Seiten dargestellt werden", sagt Pernicka. Das führt zur absurden Situation wie etwa in den USA, wo die Entstehungsgeschichte der Welt nach der Bibel gleichwertig in Schulen dargestellt werden muss wie die Evolutionslehre." Es sei besorgniserregend, dass diese Strategie auch in der Wissenschaft um sich greife.

Wer waren die Aunjetitzer?

„Es ist nicht so, dass die Menschen damals auf den Bäumen lebten“, sagt Ernst Pernicka, Professor für Geowissenschaften an der Universität Heidelberg. Die Aunjetitzer Kultur hatte ihre Blütezeit zwischen 1900 und 1600 v. Chr. „Ihr Ende könnte mit dem Vulkanausbruch von Santorin von 1627 zusammenhängen, der ja große Auswirkungen auf das Klima hatte“, sagt Pernicka. Dies sei aber schwer zu belegen.

Kann man die Aunjetitzer Kultur als erste Hochkultur in Europa bezeichnen?

„Von einer Hochkultur würde ich nicht sprechen“, so Pernicka. Eine solche sei definiert als eine, die über Schrift verfüge, was bei der Aunjetitzer Kultur nicht der Fall gewesen sei.

„Was aber aufgrund von Bodenfunden feststeht, ist, dass die Siedlungen kaum Verteidigungsanlagen hatten. Das lässt sich so interpretieren, dass die Aunjetitzer Kultur bereits eine geschichtete Gesellschaft hatte, wo die reiche Oberschicht auch die Sicherheit, sprich die Außengrenzen, garantiert hat.“ Das spreche für „ein staatenähnliches Gebilde einer menschlichen Gemeinde, die in einem relativ großen Raum Kontrolle hatte und den Austausch von Waren und vielleicht auch Ideen kontrolliert hat“, sagt Pernicka. „Man hat sich bekriegt – ja –, aber kulturell war man eine große Einheit.“

Wie die Aunjetitzer Kultur in die Welt kam

Als Aunjetitzer Kultur werden die Bewohner auf dem Gebiet des heutigen Polens, Ostdeutschlands, Tschechiens, der westlichen Slowakei bis nach Niederösterreich während der Frühbronzezeit (ca. 2300 bis 1600/1500 v. Chr.) bezeichnet. Namensgebend waren die Prager Prähistoriker Karel Buchtela und Lubor Niederle. Únetice/Aunjetitz heißt ein Ort nördlich von Prag, wo bedeutende Funde gemacht wurden. Der bekannteste Fund ist die Himmelsscheibe von Nebra (Sachsen-Anhalt). Die Aunjetitzer gehen aus den spätsteinzeitlichen Kulturen der Glockenbecher und Schnurkeramik hervor. Um 1600 v. Chr. wurde die Aunjetitzer Kultur durch die Hügelgräberbronzezeit abgelöst.

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