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Paris-Attentat: Hinweise auf islamistisches Motiv verdichten sich

Von nachrichten.at/apa   21.April 2017

Im Auto des Angreifers, eines 39-jährigen Franzosen namens Karim Cheurfi, wurde auch ein Koran gefunden.

Außerdem hatte der Mann einen Zettel mit den Adressen eines Polizeikommissariats und des Sitzes des Inlandsgeheimdienstes DGSI im Auto.

Der Mann hatte am Donnerstagabend am Champs-Elysees einen Polizisten erschossen und zwei weitere Beamte sowie eine deutsche Passantin verletzt. Er wurde schließlich selbst erschossen. Der IS nahm die kurz vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich verübte Attacke für sich in Anspruch.

Verdächtiger stellte sich in Belgien

Ein im Zusammenhang mit dem Anschlag gesuchter Mann hat sich den belgischen Behörden in Antwerpen gestellt. Die Identität des Täters ist laut belgischer Staatsanwaltschaft weiter ungeklärt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Täter belgischer Staatsangehöriger sei, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Französische Ermittler haben drei Personen aus dem familiären Umfeld des getöteten Angreifers in Polizeigewahrsam vernommen. 

Video: Der mutmaßliche Attentäter soll bereits vorbestraft gewesen sein. Die ORF-Korrespondentin Eva Twaroch erläutert, warum der Mann dennoch einen Anschlag verüben konnte.

"Haben unsere Kunden im Keller versteckt"

Ein Polizeivertreter sagte, der Angreifer sei Donnerstagabend in einem Auto vorgefahren und ausgestiegen. Er habe mit einer Automatikwaffe auf das Polizeifahrzeug geschossen. "Er hat einen der Polizisten getötet und versucht, im Laufen noch weitere zu treffen." Die Sicherheitskräfte riegelten die Champs-Elysees nach dem Angriff weiträumig ab, sperrten mehrere Metro-Stationen und riefen die Bevölkerung auf, den Bereich zu meiden. Über dem Boulevard kreiste ein Hubschrauber. Der Besitzer eines Restaurants nahe den Champs-Elysees sagte AFP, es sei ein kurzer, aber intensiver Schusswechsel zu hören gewesen. "Wir haben unsere Kunden im Keller versteckt."

Was über den Angreifer bekannt ist

Der Täter ist nach Angaben aus Ermittlerkreisen bereits wegen bewaffneter Angriffe auf Polizisten vorbestraft gewesen. Der 39-jährige Franzose, sei im Februar 2005 zu fünf Jahren Haft wegen versuchter Tötung von drei Menschen, darunter zwei Polizeibeamte, verurteilt worden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Ermittlerkreisen.

Der Mann hatte die Angriffe den Angaben zufolge in einem Berufungsprozess gestanden. In erster Instanz sei der Mann 2003 zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. In dem Verfahren ging es laut Ermittlerkreisen zum einen um eine Verfolgungsjagd im Jahr 2001. Der Mann sei in einem gestohlenen Auto und mit einem Revolver bewaffnet unterwegs gewesen und habe ein Fahrzeug gerammt. Darin hätten sich zwei Brüder befunden, von denen einer ein Polizeischüler gewesen sei.

Der Angreifer sei damals zu Fuß geflohen, sei aber von den beiden Brüdern eingeholt worden, von denen einer eine Armbinde mit der Aufschrift "Polizei" getragen habe. Der Angreifer schoss zwei Kugeln auf die beiden Brüder ab und traf beide am Oberkörper. Kurz darauf sei er festgenommen worden, hieß es weiter.

Zwei Tage später habe er einen Polizisten schwer verletzt, der ihn aus seiner Zelle geholt hatte. Der Angreifer habe dem Beamten seine Waffe entwendet und damit mehrmals geschossen.

Video: ORF-Reporter Christophe Kohl spricht über den Täter, der der Polizei bereits bekannt war und dem Zusammenhang des Anschlags mit der Terrormiliz "Islamischer Staat".

 

"Terroristischer Hintergrund"

Nun müsse geklärt werden, ob der Mann Komplizen gehabt habe oder nicht, sagte Anti-Terror-Staatsanwalt Francois Molins. Für Freitag kündigte Molins eine Pressekonferenz an.

Präsident Francois Hollande sagte nach einer Krisensitzung im Elysee-Palast, die Regierung sei überzeugt davon, dass der Angriff einen "terroristischen Hintergrund" habe. Der Schütze habe gezielt auf Polizisten und ihren Wagen gefeuert, bevor er erschossen wurde. Unter den drei Verletzten ist nach Angaben Hollandes neben zwei Polizisten auch eine Touristin. Sie soll laut Polizei durch einen Splitter leicht verletzt worden sein. Ihre Nationalität wurde nicht mitgeteilt. Des getöteten Polizisten soll Freitag früh landesweit gedacht werden. Zudem berief Hollande für Freitag eine Sitzung des nationalen Sicherheitskabinetts ein.

Frankreich mobilisiert seine Sicherheitskräfte vollständig, darunter alle Eliteeinheiten. Dadurch solle die Sicherheit der Bevölkerung bei der anstehenden Wahl gewährleistet werden, sagt Ministerpräsident Bernard Cazeneuve nach einem Treffen mit Vertretern der Sicherheitskräfte am Freitag. Zwei Tage vor der Präsidentenwahl appellierte Cazeneuve an "den Geist der Verantwortung und an die Würde jedes Einzelnen". "Es ist unsere Aufgabe, der Angst, der Einschüchterung und der Manipulation, die den Feinden der Republik in die Hände spielen würde, nicht nachzugeben."

Cazeneuve rief zur Einheit auf und betonte: "Nichts darf diesen für unser Land fundamentalen demokratischen Augenblick beeinträchtigen." In den kommenden Tagen würden mehr als 50.000 Polizisten eingesetzt, um die erste Runde der Präsidentenwahl am Sonntag zu schützen. Auch Spezialeinheiten der Polizei würden in Alarmbereitschaft gesetzt. Bei der bevorstehenden Präsidentenwahl werde für äußerste Sicherheit gesorgt, versprach auch Präsident Hollande. 

Seit den islamistischen Anschlägen im November 2015 gilt der Ausnahmezustand. Bei Anschlägen 2015 und 2016 wurden insgesamt 238 Menschen getötet. Der Angriff auf den Champs-Elysees ereignete sich während einer Serie von Live-Interviews mit den elf Präsidentschaftskandidaten im Sender France 2. Die Präsidentschaftskandidaten Marine Le Pen, Emmanuel Macron und Francois Fillon sagten für Freitag geplante Wahlkampfveranstaltungen ab. Zahlreiche französische Politiker äußerten sich bestürzt und verurteilten die Tat.

Zu dem Angriff von Donnerstagabend bekannte sich der IS über sein Propaganda-Sprachrohr Amaq. Die Agentur identifizierte den Täter als einen Kämpfer namens "Abu Yussef der Belgier". 

Erst zu Wochenbeginn hatten die französischen Behörden nach eigenen Angaben einen Anschlag vereitelt. In Marseille wurden zwei "radikalisierte" Verdächtige festgenommen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden unter anderem Sprengstoff, Schusswaffen sowie eine IS-Flagge gefunden. In den vergangenen Jahren hatte es in Frankreich immer wieder Angriffe auf Sicherheitskräfte gegeben.

"Ein Wahlgeschenk für Marine Le Pen" schreibt OÖN-Außenpolitik-Redakteurin Heidi Riepl in ihrem Kommentar. 

 

Reaktionen

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte den "abscheulichen Angriff" auf Polizisten in Paris via Twitter: "Meine Gedanken sind bei der Familie und den Freunden des Opfers", so Kurz am späten Donnerstagabend. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte auf Twitter, Deutschland stehe "fest und entschlossen an der Seite Frankreichs".

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ via Twitter mitteilen: "Mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien."

Auch US-Präsident Donald Trump sprach den Franzosen sein Mitgefühl aus. "Es endet einfach nie", sagte er in Washington zur anhaltenden Terrorgefahr. In Frankreich sind vor der Wahl tausende Polizisten und Soldaten im Einsatz.

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