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Mondsüchtiger Borstenwurm

27. März 2010, 00:04 Uhr

„Platynereis dumerilii“ ist ein Borstenwurm an den Küsten des Mittelmeeres und des Atlantiks. Dort lebt er in selbst gebauten Wohnröhren auf Algen. Zur Vermehrung geben Männchen und Weibchen bei Neumond Spermien und Eizellen ins Wasser ab.

Die lunaren Sex-Praktiken des bis zu vier Zentimeter langen Borstenwurms untersucht die aus Görlitz in Sachsen stammende Neurobiologin Kristin Tessmar-Raible (32), Assistenzprofessorin der Universität Wien an den von Medizinuniversität Wien und Universität Wien getragenen Max Perutz-Laboratories. Für ihre Studien erhielt sie 2008 den START-Preis für Nachwuchsforscher des „Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ und des Bildungsministeriums. Im Linzer Kepler-Salon sprach sie zum Thema „Wie der Mond die Fortpflanzung der Tiere steuert.“

Im Mittelpunkt: „Platynereis dumerilii“. Der Allesfresser mit Vorliebe für breitblättrige Algen hat nur ein Problem: Er vermehrt sich nicht durch Kopulation, sondern überlässt die Befruchtung dem Meerwasser. In Paarungslaune umkreist das Männchen seine Auserwählte, die Partner stoßen ihre Keimzellen ab, die frei schwimmend zueinander finden. Das kann nur gelingen, wenn die Reifung der Eier und Spermien aufeinander abgestimmt ist. Bewirkt wird diese Synchronisation durch das Mondlicht.

An sich ist das keine neue Erkenntnis. „Schon in der Antike wussten die Fischer an den Mittelmeerküsten, dass die Körpermasse etwa von manchen Muscheln oder See-Igeln größer ist, wenn sie zu bestimmten Mondphasen ins Netz gehen“, berichtet die Forscherin im OÖN-Gespräch. Und zwar deshalb, weil den Großteil ihrer Masse die Keimzellen ausmachen, deren Bildung von den Mondphasen gesteuert wird.

Auch die Sexualhormone des Borstenwurms Platynereis spielen erst durch den Mond verrückt. Hinweise darauf fanden die Meeresbiologen schon vor hundert Jahren. Schon damals war ihnen aufgefallen, dass die Menge der beobachtbaren Würmer (aber auch Muscheln, See-Igel und Krabben) von den Mondphasen bestimmt wird. Abhängig vom Mond, kamen mehr oder weniger Tiere zum Vorschein, um sich zu paaren.

Der Tübinger Biologe Carl Hauenschild wollte es genauer wissen: Anfang der 1950er-Jahre ging er im Hafen von Neapel auf Würmerfang, untersuchte die Exemplare im Labor. Dort imitierte er die Mondphasen mit Hilfe von künstlichem Licht. Und siehe da: Die Produktion ihrer Keimzellen ließ sich auf diese Weise perfekt synchronisieren.

Hauenschilds Nachfolger an den Max Perutz-Laboratories sind den molekularen Grundlagen auf der Spur, die die Vermehrung der Borstenwürmer in Gleichklang bringen. „Wir haben schon vor längerer Zeit lichtempfindliche Zellen im Gehirn des Wurms entdeckt, die sehr große Membranausstülpungen aufweisen“, berichtet Tessmar-Raible. Bei ihnen dürfte es sich um die „Mondlichtfänger“ handeln. Das versuchen die Forscher nachzuweisen, indem sie die entsprechenden Zellen mit einem grün fluoreszierenden Protein zum Leuchten bringen und dann durch Einwirkung eines Lasers abtöten.

„Wir vermuten, dass die Keimzellen nach dem Verlust der Lichtrezeptoren nicht mehr zur Reifung kommen können“, sagt die Forscherin. Das würde deren entscheidenden Einfluss auf die Vermehrungsrhythmen bestätigen.

Durch menschlichen Einfluss werden die Mondphasen an den Meeresküsten immer unwirksamer, warnt Tessmar-Raible: „Störlicht von Hotels, Straßen und Ölplattformen bringt sicherlich die Vermehrungsrhythmen der Würmer durcheinander.“ Das könnte die gesamte Nahrungskette in den Küstengewässern beeinträchtigen.

Ob die Mondphasen auch Einfluss auf den Menschen haben? Da ist die Wissenschafterin skeptisch. Es gebe keinerlei stichhaltige Beweise. Beim Anbau der Nutzpflanzen in ihrem Garten lasse sie sich jedenfalls nicht davon leiten, „auch nicht beim Haareschneiden“. Die Mondnächte verbringt sie ohnehin meist im Labor. „Und daheim kümmere ich mich um meine dreijährige Tochter“ – gemeinsam mit ihrem Mann Florian, der sich als Forscher mit den Mechanismen und der Evolution der Hormonsysteme befasst.

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