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"Der Anblick der Geisterstadt Prypjat ist niederschmetternd"

Von Bernhard Lichtenberger, 23. April 2016, 00:04 Uhr
"Der Anblick der Geisterstadt Prypjat ist niederschmetternd"
400 Bilder hat Clemens Pierer mit seiner analogen Fotoausrüstung in der Geisterstadt Prypjat geschossen, die nur wenige Kilometer vom Unglücksreaktor entfernt liegt. Bild: Clemens Pierer

Der Welser Fotograf Clemens Pierer dokumentierte die Tristesse von Tschernobyl. Bernhard Lichtenberger hat mit ihm gesprochen.

Eine Woche lang war der 36-jährige Oberösterreicher im Jahr 2011 in der Sperrzone um das Atomkraftwerk unterwegs.

OÖNachrichten: Was treibt einen dazu, nach Tschernobyl zu reisen?

Clemens Pierer: Als das Unglück passierte, war ich sechs Jahre alt. Das war das erste Erlebnis, das meine Welt verändert hat. Wir durften nicht zum Spielen hinausgehen, und die Fernsehbilder vom Helikopter, der den Reaktor überfliegt, habe ich heute noch vor Augen. Das hat mich nie losgelassen, und ich fragte mich: Kann man jemals zurückkehren? 2011 habe ich mich entschieden, meine Diplomarbeit an einer Wiener Schule für künstlerische Fotografie über Tschernobyl zu machen. Und zwei Tage vor meiner Abreise ist die Reaktorkatastrophe von Fukushima passiert. Die Geschichte hat sich wiederholt.

Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?

Man erhält einen Führer, der einen herumfährt. Mit dem bin ich in den lokalen Wodka-Laden gegangen. Das brauchen alle, um die Situation zu ertragen. Als in der Sperrzone mein Geigerzähler plötzlich angeschlagen hat, meinte der Führer nur: Du musst den Schwellenwert erhöhen. Die nehmen das mit Galgenhumor, was einen einerseits etwas beruhigt, aber es bleibt trotzdem ein Zweifel.

Welche Gefühle begleiten einen durch die Sperrzone?

Der Anblick der Geisterstadt Prypjat neben dem Reaktor ist niederschmetternd. Es schaut aus, als sei sie erst gestern verlassen worden und das Leben stehengeblieben. Wenn man alles liegenlassen muss, weg muss und vielleicht nie mehr zurückkehren kann – das löst Demut und Respekt aus.

Was hat Sie erstaunt?

Man glaubt, alles sei gottverlassen. Dennoch ist Leben dort, die Natur kommt zurück, Wildpferde tummeln sich. Eigentlich ist es jetzt ein Naturreservat mit tragischem Hintergrund. Es hat mich überrascht, kein Ödland vorzufinden. Die Natur kann sich anpassen, der Mensch hat sich selbst aus dem Spiel genommen.

Was ging Ihnen ins Unterfutter?

Die Angst, die einen begleitet, weil man die Radioaktivität nicht wahrnimmt, sie nicht sieht, hört und riecht.

"Der Anblick der Geisterstadt Prypjat ist niederschmetternd"
Bild: Clemens Pierer

Auf welche Menschen trifft man?

Die Führer sind abgebrühte Männer, dem Wodka nicht abgeneigt. Alle rennen in Tarnkleidung herum. Es sieht komisch aus, wenn man mit den Hilfskräften in der Kantine sitzt und sich wie beim Militär vorkommt.

Welches Bild hat sich am tiefsten eingebrannt?

Im Kindergarten ist auf dem Boden ein Meer von Gasmasken gelegen. Wenn man selbst in einem Alter ist, in dem man an Nachwuchs, an Familie denkt, holt einen das Gefühl ein, dass die Kinder am meisten verloren haben, aus ihrer Kindheit gerissen wurden. Das war für mich ganz schlimm.

Wieso trägt Ihr Bildband den Titel "Das friedliche Atom"?

Es gibt einen sowjetischen Film, der den Kindern in der Schule gezeigt wurde, der hieß "Das friedliche Atom". Mit Zeichentrickfiguren sollte die friedliche Nutzung der Kernenergie nähergebracht und als Fortschritt für die Gesellschaft dargestellt werden. Nun weiß man, dass das Unglück Europa verändert hat. Mit dem Titel wollte ich diese paradoxe Situation ausdrücken.

  • Der Bildband "Das friedliche Atom" ist über die E-Mail info@clemenspierer.com zu beziehen
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Bernhard Lichtenberger
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