75 Jahre Atombomben-Abwurf: Japan gedachte in kleinem Rahmen
HIROSHIMA. Die atomare Bedrohung nimmt nach einer Phase der Entspannung heute wieder zu.
Angesichts der Sorgen vor einem neuen atomaren Wettrüsten hat die japanische Stadt Hiroshima der Opfer des Atombombenabwurfs der USA vor 75 Jahren gedacht. Bei einer wegen der Corona-Pandemie drastisch verkleinerten Gedenkzeremonie legten die Teilnehmer um 8.15 Uhr (Ortszeit) zum Klang einer bronzenen Friedensglocke eine Gedenkminute ein. Um diese Uhrzeit hatte der US-Bomber "Enola Gay" die erste im Krieg eingesetzte Atombombe mit dem Namen "Little Boy" über der Stadt abgeworfen. Schätzungsweise 140.000 Menschen starben, mehr als die Hälfte sofort.
Wegen Corona wurden für die Zeremonie im Friedenspark nur rund 880 Sitze aufgestellt, weniger als ein Zehntel als üblich. Die Teilnehmer, darunter Überlebende der Atombombe, trugen überwiegend Masken und mussten Abstand voneinander halten.
UNO-Generalsekretär António Guterres, der wegen der Pandemie eine Teilnahme an der Zeremonie abgesagt hatte, warnte in einer Video-Botschaft vor einem erneuten atomaren Wettrüsten. "Spaltung, Misstrauen und mangelnder Dialog drohen die Welt zu einem ungezügelten strategischen Nuklearwettbewerb zurückzubringen."
Das Netz aus Rüstungskontrolle, Transparenz und vertrauensbildenden Instrumenten, das während und in der Folge des Kalten Krieges geschaffen worden sei, franse aus. "Staaten, die Atomwaffen besitzen, modernisieren ihre Arsenale und entwickeln neue, gefährliche Waffen und Trägersysteme. Der einzige Weg, das nukleare Risiko vollständig zu beseitigen, besteht darin, Atomwaffen vollständig zu eliminieren", so Guterres.
Papst: "Waffen niederlegen"
Zum Gedenktag warnte auch der Papst vor der zerstörerischen Kraft von Nuklearwaffen. In einer Botschaft an den Gouverneur der Präfektur Hiroshima bekräftigte Franziskus seine Ablehnung von Atomwaffen. "Es war nie klarer, dass wir für ein Gedeihen des Friedens aller Völker die Waffen des Krieges niederlegen müssen, vor allem die mächtigsten und destruktivsten wie Nuklearwaffen, die ganze Städte und Länder verkrüppeln und zerstören können."
Hiroshimas Bürgermeister Kazumi Matsui rief die Regierung seines Landes in seiner Rede auf, dem UNO-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beizutreten. Japan müsse "seine Rolle als Vermittler" zwischen Atomwaffenstaaten und solchen, die keine Atomwaffen besitzen, verstärken. Vor drei Jahren hatten sich zwei Drittel der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen auf diesen Vertrag verständigt. Bisher haben ihn jedoch erst 32 Staaten ratifiziert. Damit er in Kraft treten kann, müssen es 50 Staaten sein. Atommächte wie die USA, Großbritannien, China, Frankreich und Russland haben den Vertrag nicht unterzeichnet.
Japan nicht bei UN-Vertrag dabei
Auch Japan, das als nunmehriger Verbündeter unter dem atomaren Schutzschild der USA steht, will dem UNO-Vertrag nicht beitreten. Regierungschef Shinzo Abe ging auf diesen in seiner Rede in Hiroshima auch nicht ein.
Abe sagte aber, Japan habe als einziges Land, das Opfer von Atombomben im Krieg wurde, die Pflicht, auf eine Abschaffung von Nuklearwaffen weiter hinzuarbeiten. Japan werde alles tun, um eine Welt in dauerhaftem Frieden und frei von Atomwaffen zu realisieren. Die Bedeutung von Hiroshima lässt jedoch nach. Manche Überlebende beschleicht die Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.