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Schöne Welt im Internet

Von Claudia Riedler   04.März 2020

"Das Schönheitsideal heute ist "irreal, unerreichbar und zudem pseudoindividuell", sagt Sissi Kaiser, Filmemacherin und Medienpädagogin aus Linz. Und es sei eng verbunden mit wirtschaftlichen Aspekten, Markt und Konsum. Das wissen auch die Jugendlichen. "In wissenschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass zwar die Menschen bemerken, dass die Schönheitsideale aus der Werbung irreal sind. Gleichzeitig werden genau diese Schönheitsideale ins eigene Weltbild integriert."

Wichtiger Einflussfaktor – darüber herrscht Einigkeit – sind die sozialen Medien. Hier wird posiert und Promis und Influencern nachgeeifert. Mit diversen Apps lassen sich zudem Bilder und Videos "optimieren". Es werde einfach alles manipuliert, was möglich ist, um dem Ideal näherzukommen. "Man präsentiert sich stets glücklich und ohne negative Gefühle, zeigt viel Haut und erfüllt stereotype Geschlechterrollen und das gesellschaftliche Schönheitsideal", sagt Sissi Kaiser, die in Workshops Jugendlichen Medienkompetenz vermittelt und beim OÖN-Frauentag am 6. März (16.30 Uhr) mit Curvy Model Nadine Mirada, Psychotherapeutin Sandra Wiesinger und der Plastischen Chirurgin Andrea Oßberger über Internet, Körperbild und Selbstbewusstsein diskutieren wird.

"Mädchen orientieren sich an Gleichaltrigen und deren Bewertungen, die natürlich durch die medialen Idealbilder stark beeinflusst werden", sagt Sandra Wiesinger, Psychotherapeutin und Geschäftsführerin im Institut Hartheim. Soziale Vergleiche spielen eine große Rolle, wenn es um Schlankheitsideale gehe. Laut Studie fühlen sich 40 Prozent der elf- bis 17-jährigen Mädchen zu dick. Diese negative Körperwahrnehmung haben auch Normalgewichtige. Essstörungen können die Folge sein. "Der Übergang von normalem Essverhalten hin zu einem gestörten Essverhalten und zu einer Essstörung verläuft fließend", sagt die Expertin.

Das Schönheitsideal habe dabei großen Einfluss auf die Körperzufriedenheit. "Schon nach dem Lesen eines Modejournals sinkt bei vielen das Selbstbewusstsein", sagt Wiesinger. Junge Menschen seien in Bezug auf ihren Körper besonders leicht zu verunsichern.

Operation als "Lösung"

Manche wollen das "Problem" durch eine Schönheitsoperation lösen. "In jedem Alter ist hier die Brust ein Thema, bei jungen Frauen auch Gesichtsasymmetrien und die Lippen", sagt Andrea Oßberger, Plastische Chirurgin im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz. "Je älter Frauen werden, desto häufiger ist jegliche Art der Faltentherapie gefragt."

Das Gesetz schützt Jugendliche insofern, als dass kosmetische Eingriffe erst ab dem 18. Lebensjahr erlaubt sind. "Je nach Indikation ist es aber sinnvoll, die Familienplanung abzuwarten", sagt Oßberger. Sie könne außerdem nur Eingriffe, die wirklich nachvollziehbar seien, befürworten. "Ein psychisches Problem kann man nicht mittels Operation behandeln."

Tipps für Eltern

Sandra Wiesinger, Psychotherapeutin und Geschäftsführerin des Instituts Hartheim, gibt Tipps, wie man eine positive Körperwahrnehmung bei Heranwachsenden fördern kann:

Gefühle zeigen: Kinder sollen unterstützt werden, Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, auszudrücken und gegenüber anderen zu vertreten.
Positive Erfahrungen mit dem Körper ermöglichen.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen (Sein oder Schein) ist wichtig.
Wahrnehmungs- und Bewegungsangebote fördern das Körperbewusstsein.
Selbstreflexion ist wichtig: Wie denke ich über unter- bzw. übergewichtige Menschen? Wie lebe ich meine Rolle als heranwachsende Frau?
Genussvolles Essen (gemeinsam essen, Mahlzeiten liebevoll zubereiten) anregen – Essen soll nicht der Stressbewältigung dienen.
Medienkunde: Fördern Sie die kritische Auseinandersetzung mit der Funktionsweise von Medien.
Selbstwert: Jugendliche sollen auch dabei unterstützt werden, Selbstwert durch andere Faktoren als Gewicht und Aussehen aufzubauen.
Bewertung: Schaffen Sie Freiräume, in denen nicht bewertet wird.

„Meine Mama hat mir immer Mut zugesprochen“

Curvy Model Nadine Mirada über soziale Medien und Selbstwertgefühl.

Spindeldürre Arme oder spitze Knochen sieht man bei Nadine Mirada nicht. Im Gegenteil, die 29-Jährige hat weibliche Kurven und ist nicht trotzdem, sondern genau deshalb ein international gefragtes Model. Sie arbeitet unter anderem für die US-Marke Guess, ist häufig in den USA unterwegs. Beim OÖN-Frauentag ist sie als Talkgast auf der Bühne, um über das Thema Schönheitsideale im Netz zu reden.

Highlights beim OÖN-Frauentag
Curvy Model Nadine Mirada diskutiert beim OÖN-Frauentag über Schönheitsideale im Netz.
Nadine Mirada im Porträt [OÖNplus]

 

Wie würden Sie das aktuelle Schönheitsideal beschreiben?
Nadine Mirada: Ich reise sehr viel, und auf jedem Kontinent gibt es andere Vorstellungen der perfekten Schönheit. Sind es in Amerika Kurven, ist es bei uns der flache Bauch. Ich mag Trends, aber es gefällt mir nicht, dass sich unsere Schönheitsideale wie Modetrends verändern. Was aber überall auf der Welt gilt: Schön ist, wer authentisch ist.

Wodurch wird das Schönheitsideal beeinflusst?
Das sind natürlich die Medien mit der Werbung, die Modeindustrie und die Designer, aber auch die Influencer.

Welche Rolle spielen also die sozialen Medien?
Mit Social Media kann jeder seine Botschaft weit über die Landesgrenzen hinaus mit der Welt teilen. Das ist eine großartige Chance, um gehört zu werden. Social Media kann – richtig genützt – jedem Thema helfen. Es kann aber auch genauso schnell in die andere Richtung umschlagen.

Wie inszenieren Sie sich selbst im Netz?
In Szene setze ich Dinge, die mir wichtig sind. Das ist mein Körper, meine Arbeit als Model, schöne Fotos und Outfits, die meinen Körper inszenieren, das Reisen und ein hochwertiger Lifestyle, den ich mir selbst in den vergangenen Jahren hart erarbeitet habe. Wichtig ist mir, dass alles echt ist.

Welche Erfahrungen haben Sie als Model gemacht, das nicht dem superschlanken Ideal entspricht?
Überwiegend waren es positive Erfahrungen, eben weil ich anders bin. Wenn man allerdings wie ich polarisiert, weil man nicht in eine Kategorie passt, dann ist es schon frustrierend, wenn man etwa nach London eingeladen wird und dann nicht mal bis zum Test-Shooting kommt, weil man zwei Zentimeter zu klein ist! Dass ich nicht superschlank bin, war für mich eher die Chance, als Model Aufmerksamkeit zu bekommen.

Was hat Ihr Selbstbewusstsein geprägt?
Das war schon sehr früh. Meine Mama hat mir immer schon Mut zugesprochen und ist selbst eine extrem attraktive Frau. Ich bin ehrlicherweise auch ganz froh, dass es zu meiner Teenager-Zeit noch kein Social Media gab und generell der Druck nicht so massiv war. Ob ich mit 20 schon so reif und gefestigt wie heute für den Job gewesen wäre, weiß ich ehrlich gesagt nicht.

Was möchten Sie Mädchen und jungen Frauen mitgeben in puncto Körperbild und Selbstbewusstsein?
Jede Frau hat etwas Besonderes. Man soll sich nicht immer mit anderen vergleichen, sondern sich auf seine Stärken und seine individuellen Ziele konzentrieren. Hinsichtlich Ernährung ist mein Rat: Kein Hungern, aber es ist auch nicht egal, wie viel und was man isst. Wichtig ist das Gesamt-Erscheinungsbild. Also, strahlt Glamour aus und ihr werdet glänzen!

Was Sie wissen müssen, um nicht ins Netz zu gehen

Medienpädagogin Sissi Kaiser fordert Medienkompetenz als Teil der Ausbildung, Verbot von Werbung bei Kindern und Maßnahmen gegen stereotype Rollenbilder.

Wenn es um die Medienkompetenz geht, bestehe ein großes Manko bei Schülerinnen und Schülern, aber ebenso bei Eltern und Lehrenden, sagt Sissi Kaiser. Die Filmemacherin, Medienpädagogin und Multimediale Kunsttherapeutin hält Workshops zum Thema und weiß: „Eltern und Lehrende erleben sich in diesem Bereich oft als hilflos.“ Es bestünden große Ängste. Medienkompetenz müsse also Teil der Ausbildung werden – für alle an der Medienerziehung Beteiligte.

„Wir können mittlerweile auch belegen, wie sehr sogar eine einmalige intensive Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen vor falschen Idealen schützt, die Realität einschätzen lässt, die Eigenwahrnehmung erheblich stärkt und Stereotypen entgegenwirkt“, sagt Kaiser.

Wichtig sei auch eine klare Regelung für Werbung für Produkte, die Kinder und Jugendliche ansprechen soll. „Oder wollen wir, dass ein Unternehmen Videos für Kinder anbietet, in denen versteckt Werbung vorkommt?“ fragt die Medienpädagogin. Sie fordert ein uneingeschränktes Verbot von Werbung bei Kindern und ein uneingeschränktes Verbot von Datenerhebungen zum Zweck der Profilerstellung bei Menschen unter zwölf Jahren durch Apps und Internet.

Selbstbewusster und kreativer

Doch nicht nur die Werbung ist für das aktuelle Körperbild verantwortlich. Die Einflüsse sind vielfältig. „Unsere Gesellschaft hat auch heute noch ein veraltetes Weltbild der Frau und des Mannes, sowohl auf die Rollen bezogen als auch auf die äußeren Merkmale. Das findet sich heute immer noch in Kinderbüchern, aber auch in allen anderen medialen Ausdrucksformen. Gleiches gilt für Beruf und Ausbildung – im Prinzip für alle Bereiche der Gesellschaft“, sagt Kaiser.

Möchte man die Sichtweise auf uns und unseren Körper realitätsnah und frei von Rollenbildern richten, sei das heute kaum möglich. „Ursache dafür ist unter anderem ein stereotypes Rollenverständnis, das noch immer durch alle Altersklassen, alle Gesellschaftsschichten, alle Berufe, täglich, meist unbewusst und in allen Lebenslagen gelebt wird“, sagt die Filmemacherin. Studien würden aber belegen: Weniger Stereotype führen zu einer freieren Entfaltung der eigenen Persönlichkeit schon im Kindesalter. „Das erzeugt Kreativität und Selbstbewusstsein.“

Was muss man also wissen, um nicht ins Netz der schönen Scheinwelt zu gehen? „Mädchen und Frauen sollten wissen, dass es niemandem, der ihnen etwas empfiehlt oder anbietet, darum geht, dass es ihnen gut geht. Oder dass sie sich dauerhaft attraktiv und selbstbewusst fühlen. Sie sollten wissen, dass es nur das Ziel gibt, dass sie sich stets unattraktiv fühlen, damit sie immer mehr und weiter kaufen“, sagt Kaiser.
„Und sie sollten wissen, dass Social-Media-Plattformen und andere davon leben, dass diese das irreale Schönheitsideal mitvermarkten. Sie sollten wissen, dass Beziehungen zwischen Influencern und Nutzerinnen einseitig und parasozial sind. Und sie sollten wissen, dass sie nicht nur manipuliert werden, um Waren zu kaufen, sondern mittlerweile selbst die Ware sind.“

  • OÖN-Frauentag am 6. März in den Linzer Promenaden Galerien: Mehr Informationen und Programm auf frauenzeit.nachrichten.at
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