Wenn der letzte Wille nicht gilt
LINZ. Der Oberste Gerichtshof hat die Formerfordernis für fremdhändige Testamente verschärft. Ältere Exemplare sollten durchgesehen und gegebenenfalls neu errichtet werden.
"Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs sind ein Paukenschlag", sagt Franz Haunschmidt, Anwalt in der Linzer Kanzlei HMTP und Experte für Erbrecht. Haunschmidt nimmt Bezug auf zwei aktuelle Entscheidungen (2 Ob 143/19x, 2Ob 145/19s) des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu fremdhändigen Testamenten.
Im ersten Fall hat ein Tiroler seine Ehefrau in seinem Testament als Erbin eingesetzt. Der letzte Wille wurde am Computer geschrieben, er bestand aus zwei Seiten, die durchnummeriert waren. Auf der ersten Seite befand sich der Text, auf der zweiten fanden sich nur der Ort und das Datum, das handschriftliche "Das ist mein letzter Wille", die Unterschrift des Erblassers sowie die Unterschriften der drei Zeugen. Die zwei losen Blätter wurden in ein offenes Kuvert gesteckt. Die Söhne meldeten Zweifel an der Gültigkeit an, was auch der OGH so sah.
Innere oder äußere Einheit
Bei einem fremdhändigen Testament schreibt der Erblasser nicht selber mit der Hand. Er bedient sich etwa eines Computers, einer anderen Person oder eines Rechtsanwalts. Es gelten strenge Formerfordernisse: Der Erblasser muss "Das ist mein letzter Wille" schreiben und eigenhändig unterschreiben. Außerdem braucht es drei Zeugen, die gleichzeitig anwesend sein und unterschreiben müssen und deren Identität aus dem Dokument hervorgeht. Sie dürfen außerdem im Testament nicht begünstigt werden.
Das alles lag im Tiroler Fall vor. Besteht das Testament aber aus mehreren losen Blättern oder Bögen, brauche es zusätzlich entweder einen äußeren oder einen inneren Zusammenhang, sagt Haunschmidt. Eine innere Einheit liege etwa vor, wenn sich der Text über mehrere Seiten fortsetze. Äußere Einheit sei gegeben, wenn die Blätter und Bögen so fest miteinander verbunden werden, dass die Verbindung nur durch ein Zerstören der Urkunde gelöst werden könnte. "Das wird etwa durch Kleben oder Nähen erreicht." Büro- oder Heftklammern seien nicht ausreichend, auch ein Kuvert nicht.
Das sei aber nicht die einzige Verschärfung, sagt Haunschmidt: "Der OGH verlangt, dass die Verbindung vor oder während der Errichtung hergestellt wird." Bisher sei es in den Kanzleien üblich gewesen, dass das Testament erst im Nachhinein gebunden werde. Diese Verschärfung gelte für alle bisher erstellten Testamente.
Alte Testamente durchschauen
"Ich kann nur allen Juristen raten, alle bei ihnen hinterlegten Testamente durchzuschauen, im Fall von Zweifeln mit dem Testator Kontakt aufzunehmen und das Testament neu zu errichten." Am sichersten sei, den Zusatz "Mein letzter Wille" am Ende jedes Blatts anzubringen und den Erblasser unterschreiben zu lassen. Ebenfalls auf jeder Seite: die Unterschrift der Zeugen, ein Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft sowie Angaben zu ihrer Identität. Dann sei es auch kein Problem, wenn Tixo oder Faden sich lösen.
Sei das Testament aufgrund mangelnder Formerfordernisse ungültig, hafte der Anwalt dafür, warnt Haunschmidt. Bei HMTP wurden 15 von rund 1000 Testamenten überprüft.
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