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E-Mobilität in Oslo: Sogar Benzinbrüder fahren elektrisch

Von Carsten Hebestreit, 23. März 2020, 07:22 Uhr
"Sogar Benzinbrüder fahren elektrisch!"
Paal Mork, der Kommunikation und Kulturgeschichte studiert hat, fährt seit 2002 elektrisch: damals einen „Think“, heute einen Tesla. Bild: Mathias Mork

Paal Mork ist in Oslo für die E-Mobilität zuständig – Der Norweger leitet Forschungsprojekte, wie der Verkehr 2030 aussehen könnte.

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E-Autos in Norwegen

E-Autos in Norwegen

PDF-Datei vom 20.03.2020 (3.652,53 KB)

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Norwegen gilt als weltweites Musterbeispiel für gelungene E-Mobilität. Wie hat das erdölreiche Land die Veränderung angestoßen? Wohin soll die Reise gehen? Fragen, die wir Paal Mork gestellt haben. Der 54-Jährige arbeitet für die Kommune Oslo und ist in der Stadt für das Projekt "E-Mobilität" zuständig.

OÖN: Norwegen ist ein erdölreiches Land, hätte also auch in naher Zukunft noch reichlich Energiereserven, um ein sorgenfreies Dasein führen zu können. Warum also der Schwenk Richtung E-Mobilität?

Mork: Wir möchten die CO2-Emissionen reduzieren. Da der Verkehr sehr viel CO2 ausstößt, setzen wir auf Elektro-Mobilität. Der Umstieg ist letztendlich eine Umweltfrage. Norwegen hat ja nicht nur viel Erdöl, sondern auch viel Wasserkraft. 98 Prozent unseres Stroms wird durch Wasserkraft erzeugt. Und der Rest stammt von Windkraftwerken. Unser Strom ist also absolut grün. Daher ergibt es Sinn, diesen grünen Strom auch entsprechend zu nutzen – zum Beispiel für den Verkehr.

Wer hat den Wandel hin zur E-Mobilität angestoßen? Der Staat? Die Energieversorger?

Der Beginn reicht weit zurück – bis in die 1990er-Jahre. Damals hoffte man, ein norwegisches Elektro-Auto bauen zu können. Es hieß schließlich "Think City" und kam tatsächlich auf den Markt. Mitgeholfen haben damals auch die Umweltorganisationen. Der Staat hat noch in den 1990ern E-Autos von der Steuer befreit, auf die Straßenmaut verzichtet und die Fähren kostenlos gemacht. Kurzum: Die Regierung hat viele Maßnahmen eingeführt, um die E-Mobilität zu fördern.

Und die Kommunen haben mitgespielt?

Ja. Ich arbeite bei der Stadt Oslo, auch wir waren sehr aktiv. Lange Zeit haben E-Auto-Fahrer in der Stadt nichts für Mautstraßen bezahlt, jetzt kostet’s ein wenig. Ein Diesel zahlt 3,45 Euro, ein E-Auto keine 50 Cent. Bis Ende 2019 war auch das Parken für E-Autos kostenlos, allerdings waren dadurch ständig sämtliche Ladesäulen verstellt. Nun kostet das Parken tagsüber einen Euro bzw. nachts 50 Cent pro Stunde. Park-Problem gelöst! Der Strom selbst ist gratis.

"Sogar Benzinbrüder fahren elektrisch!"
Mehr als 1600 öffentliche Ladesäulen verteilen sich über das Stadtgebiet von Oslo. Inzwischen kostet das Parken einen Euro pro Stunde tagsüber, in der Nacht 50 Cent. Der Strom selbst ist offiziell kostenlos. Bild: Anne-Lise Reinsfelt

Welche Leistungen haben die Ladesäulen?

Private Unternehmen betreiben die 50-Kilowatt-Schnelllader und haben eigene Preise. Die Kommune hat Stationen, an denen kostenlos mit 3,6 oder 7,2 kW geladen werden kann. Nur fürs Parken muss man bezahlen. Und wir haben einige Säulen mit 22 kW, da kostet das Parken dann 1,30 Euro.

Die Benutzung der Busspuren war ja auch für Stromer erlaubt...

Ja, aber weil’s inzwischen so viele E-Autos gibt, waren auch diese Busspuren oft verstopft. Deshalb wurde eine neue Regelung eingeführt: Es müssen mindestens zwei Personen im Auto sitzen, dann darf man die Busspuren benützen. Dies gilt stadteinwärts von 7 bis 9 Uhr und stadtauswärts von 14 bis 18 Uhr.

Der größte Anreiz, sich ein E-Auto zu kaufen, sind aber immer noch die Steuererleichterungen...

Ja, wir haben in Norwegen sehr hohe Steuern auf Autos. Nehmen wir einen VW Golf mit Benzinmotor. Das Modell hat voriges Jahr in Norwegen 33.000 Euro gekostet. Dasselbe Auto kostet in Deutschland 19.000 Euro. Der Preisunterschied basiert einzig auf der extrem hohen Besteuerung bei uns.

"Sogar Benzinbrüder fahren elektrisch!"
Busspuren sind in Oslo für E-Autos offen. Allerdings müssen während der Stoßzeiten zwei Personen im E-Pkw sitzen. Bild: Sture Portvik

In Österreich hängt ein Teil der Steuern an der Höhe der CO2-Emission. Ist dies in Norwegen auch der Fall?

Ja. Früher, in den 1960er- und 70er-Jahren, war der Besitz eines Autos in Norwegen Luxus. Man musste eine sehr hohe Luxussteuer bezahlen. Der Staat hat dann die Luxussteuer in eine – wörtlich übersetzt – "Einmalsteuer" umgewandelt: Je schmutziger die Abgase, umso höher die Abgaben. Diese Steuer ist ein Mix aus Steuergruppe des Fahrzeugs, Gewicht, CO2- und NOx-Emissionen und Motorgröße. Das heißt für E-Autos: Sie müssen weder die Einmalsteuer noch die 25 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen. Darum wieder der Golf-Vergleich: Ein Elektro-Golf kostet in Deutschland 35.000 Euro, in Norwegen 34.000 Euro. Daher hat der Autokäufer bei uns die echte Wahl zwischen Verbrenner und Elektro, denn beide Modelle kosten annähernd dasselbe.

Sind Diesel- und Benzin-Autos in Norwegen gleich besteuert?

Nein, Dieselautos zahlen mehr – wegen höherer Schadstoff-Emissionen. Und auch die Straßenmaut ist höher als für Benzin-Modelle.

Hat es Widerstand gegen die E-Mobilität gegeben?

Natürlich gibt’s Leute, die dagegen sind. Aber der Widerstand ist heute viel geringer als früher. Die echten Benzinbrüder fahren in Norwegen inzwischen auch elektrisch (lacht)!

Warum?

Die Elektro-Autos sind besser als die Verbrenner. Und dazu kommt die Preisfrage. Man zahlt so viel weniger Maut, es ist so viel einfacher, einen Parkplatz zu bekommen, man kann fast überall parken.

Darf man mit einem Verbrenner im Stadtzentrum von Oslo noch parken?

Nein, denn wir haben die Parkplätze im Zentrum gestrichen. Unser vorrangiges Ziel ist nicht, den Autoverkehr zu elektrifizieren, sondern den Verkehr zu reduzieren. Wir möchten, dass die Leute mit dem Fahrrad, der Straßenbahn oder dem Bus fahren. Egal, ob mit Diesel, Benziner oder Elektro: Man kann nicht mehr durch das Stadtzentrum fahren, man muss außen herum über eine der drei Ringstraßen. Man kann zwar hereinfahren, aber eben nicht durch die Stadtmitte hindurch. Außerdem gibt’s ja keine Parkplätze für Verbrenner.

Und für E-Autos?

Wir haben im Zentrum (Ring 1) ein großes Parkhaus, das ausschließlich nur für E-Autos offen ist. Alle 85 Plätze haben eine Lademöglichkeit, entweder 3,6 oder 7,2 kW.

Sind Alternativen für Verbrenner vorhanden?

Ja, entlang der äußeren Ringstraßen stehen private Parkhäuser. Die Anbieter nehmen allerdings gutes Geld für die Plätze.

Wann hat Oslo die ersten öffentlichen Ladestationen aufgestellt?

Das war 2008. Aktuell arbeiten wir an einer neuen Ladeinfrastruktur für die Stadt. Denn wir denken, dass es 2030 nur noch Elektro-Autos in Oslo geben wird. Und das werden insgesamt – so unsere Kalkulation – 200.000 Pkw sein.

Wie viele Autos sind derzeit in Oslo gemeldet?

261.000 Pkw plus 80.000 leichte Nutzfahrzeuge. Von den 261.000 sind fast 50.000 Elektro-Autos. Wir versuchen allerdings künftig den Verkehr in der Stadt weiter zu verringern. Wir gehen davon aus, dass 2030 nur noch 200.000 Pkw in Oslo gemeldet sein werden. Und davon werden 197.000 E-Autos sein. Mit diesem Ziel vor Augen müssen wir die Ladeinfrastruktur ausbauen. Das ist eine riesige Aufgabe.

Öffentlich laden ist in Österreich teuer, vor allem die Schnelllader gehen ins Geld. Daher gilt: Wer keine private Lademöglichkeit hat, braucht sich kein E-Auto anschaffen. Wie schaut’s in Norwegen aus, hat in Oslo jeder eine private Ladestation, eine Wallbox?

Oslo ist eine Großstadt, in der viele Menschen in Wohnungen und nicht in einzelnen Häusern wohnen. Die meisten Leute haben also keinen privaten Parkplatz. Deswegen können sie auch nicht zuhause laden und sind daher auf öffentliche Ladestationen angewiesen. Wir wollen aber ohnehin für die Zukunft, dass diese Leute ihr Auto weggeben und mit dem Fahrrad fahren. Oder, wenn sie noch ein Auto haben wollen, dass dies elektrisch angetrieben wird. Deshalb müssen wir die öffentliche Ladeinfrastruktur ausbauen. Gleichzeitig muss der Strompreis günstig sein.

Was kostet das Laden daheim und an der öffentlichen Säule?

Daheim kann man mit drei bis vier Kilowatt laden, ein Kilowatt kostet umgerechnet zehn Cent, das heißt man bezahlt pro Stunde 30 bis 40 Cent. An der öffentlichen Ladestation bezahlt man nachts 50 Cent pro Stunde (offiziell fürs Parken, der Strom ist kostenlos, Anm.). Ob’s in der Zukunft auch so billig sein wird, lässt sich derzeit nicht sagen.

In Oslo ist ja der Anteil an E-Autos schon sehr hoch. Wie schaut’s in den ländlichen Gebieten aus?

Bisher war die Verbreitung der E-Autos ein Großstadt-Phänomen, Oslo, Bergen, Stavanger und Trondheim haben den größten E-Auto-Anteil. Jetzt folgen die ländlichen Gebiete, denn die Reichweiten der neuen E-Modelle steigen. Und damit werden die E-Autos auch für das Land interessant.

Norwegen ist ja ein weites Land, von Oslo bis in den Norden sind’s 2000 Kilometer. Wir hoffen, dass der Staat die E-Mobilität noch so lange unterstützt, bis ganz Nordnorwegen elektrifiziert worden ist.

Derzeit wird diskutiert, ob für E-Autos künftig wieder 25 Prozent Mehrwertsteuer bezaht werden sollen, weil ja der Staat jedes Jahr auf hohe Einnahmen verzichtet. Zehn Prozent des norwegischen Auto-Bestandes sind elektrisch, in Oslo waren im Vorjahr 57 Prozent der Neuzulassungen E-Autos.

Wann wird’s diesbezüglich eine Entscheidung geben?

Die Regierung hat versichert, dass die Steuerbefreiung auf jeden Fall bis zum Ende der Regierungsperiode bestehen bleiben wird. Das heißt, bis September 2021 wird sich nichts ändern. Was danach passiert, ist völlig offen.

Bisher war’s so, dass man sich auf die Regierung verlassen konnte. Alles war auf Jahre hinaus planbar, weil die Beschlüsse gehalten haben. Diese Transparenz und Verlässlichkeit war vor allem für die Autoverkäufer und -käufer extrem wichtig.

Warum hat sich Norwegen für den Elektro-Antrieb entschieden und nicht für Wasserstoff?

Unser Steuersystem ist technologieneutral. Das heißt, man bezahlt auch keine Steuern für Wasserstoff-Autos. Trotzdem ist der Trend eindeutig, die E-Autos haben sich durchgesetzt. Dies auch, weil es kaum Brennstoffzellen-Autos gibt.

Sie haben gesagt, zehn Prozent des Kfz-Bestandes sind elektrisch. Um wie viel stieg der Stromverbrauch in Norwegen an?

Wenn alle Autos in Norwegen elektrisch fahren, würde der Gesamtstromverbrauch um vier bis fünf Prozent steigen. Die Energieversorger sagen, dass es kein Problem ist, beispielsweise Oslo mit ausreichend Strom zu versorgen. Allerdings, und das ist auch klar: In einigen Gebieten muss das Stromnetz ausgebaut werden. Oder, das ist die andere, bessere Lösung, wir installieren ein Lademanagement für die E-Autos, damit das Netz zu Spitzenzeiten nicht zu stark belastet wird. Derzeit forschen wir, wie wir die Netzlast verteilen können und durch Sonnenstrom zusätzlich Energie gewinnen.

Das ist ein europäisches Forschungsprojekt?

Ja. Der Inhalt ist, dass wir den Stromverbrauch planbarer machen. Der Autofahrer muss dann angeben, wann er das nächste Mal wegfahren will. Damit bei der Abfahrt der Akku voll ist. Daneben schauen wir uns das Wetter an, damit wir wissen, wie viel Sonnenstrom wir erwarten können. All dies fließt in unsere Energieplanungen ein.

Wie viele Ladestationen hängen an der Testanlage?

39 Ladestationen. Aber im Test rechnen wir den Verbrauch für bis zu 230 Ladepunkte hoch, da simulieren wir den Energiebedarf.

Was können Sie anderen Städten und Ländern raten, die dem norwegischen Beispiel folgen möchten?

Erstens: E-Autos müssen gleich viel kosten wie Verbrenner. Zweitens: Es muss ganz einfach sein, ein Elektro-Auto zu benutzen. Sprich: Es müssen ausreichend Lademöglichkeiten vorhanden sein.

Braucht man in der Stadt mehr Schnelllader oder mehr langsame Ladepunkte?

Das Elektro-Auto an sich braucht beide Lösungen. Wenn man nur die Schnelllader benutzt, verringert sich die Lebensdauer der Batterie, man muss also auch die Möglichkeit haben, langsam zu laden. In Norwegen beispielsweise haben 80 Prozent eine Ladestation daheim. Für längere Überland-Reisen braucht man Schnelllademöglichkeiten. Aber auch in Innenstädten braucht man Ladepunkte mit mehr als 50 kW, denn wir haben nicht genug Parkplätze, damit alle langsam laden können.

Hersteller bringen immer mehr E-Modelle auf den Markt. Wird dadurch auch der E-Auto-Anteil in Norwegen steigen?

Elektro-Autos werden immer vergleichbarer mit Verbrennern – dank höherer Reichweite und mehr Lademöglichkeiten. Ich glaube, dass wir bisher erst den Anfang der Elektro-Mobilität gesehen haben. Wir sind jedenfalls optimistisch, dass es bei uns in Oslo im Jahr 2030 nur noch Elektro-Autos geben wird.

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Autor
Carsten Hebestreit
Redakteur Motor
Carsten Hebestreit
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sol3 (13.727 Kommentare)
am 23.03.2020 08:26

Jeder kann sich einen Tesla leisten.

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