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Ein Plädoyer für den Verbrenner?

Von Carsten Hebestreit   15.Jänner 2022

Unter dem Titel "Laufen wir Gefahr, den Wohlstandsmotor abzuschalten?" lud der Motor Presse Klub Austria (MPKA) zu einem Digital-Vortrag mit Jürgen Stockmar. Der Professor gilt als erfahrener Experte der Kraftfahrzeugentwicklung. In den Mittelpunkt seiner Analyse stellte Stockmar die E-Mobilität – um den Hype um die lokal emissionsfreie Fortbewegungsart zu relativieren. Denn emissionsfrei seien E-Autos keinesfalls. Zumindest, wenn die Berechnung über den Lebenszyklus reiche, so Stockmar.

35 Milliarden Tonnen CO2

Bei der Verbrennung eines Kilogramm Kraftstoffes werden 2,4 bis 2,6 Kilogramm CO2 freigesetzt. Weltweit würden pro Jahr 35 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Weil diese Belastung zum Klimawandel führte, müssten die CO2-Emissionen gesenkt werden. Es müsse zu einer Dekarbonisierung kommen, sagt Stockmar. Das Problem der Dekarbonisierung sei die Stromerzeugung. Weltweit würden 72,7 Prozent des Strombedarfes durch die Verbrennung fossiler Energieträger gedeckt. Die Wasserkraft steuere 15,9 Prozent bei.

Die CO2-Emittenten

Dementsprechend ist die Energiewirtschaft für 40,7 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Dahinter folgen die Industrie (21,5 %) und der Verkehr (16 %, Österreich: 30 %). Damit sei klar: Der viel gescholtene Verkehr sei nicht das Hauptproblem. Oder, andersherum: Würden alle Verbrenner-Pkw in Europa durch E-Autos ersetzt, würde der weltweite CO2-Ausstoß um nur 1,6 Prozent gesenkt werden. Dies sei lächerlich wenig. Die Hauptemittenten China und die USA müssten handeln, nicht Europa.

Alte CO2-Emissionen

Holger Heinfellner vom Umweltbundesamt (UBA) kontert: "Das hochentwickelte Europa hat in seiner Geschichte viel mehr CO2 ausgestoßen, als diese Momentaufnahme zeigt." Weil die industrielle Revolution vom alten Kontinent ausging und hier die führende Industrie seit Jahrzehnten massiv CO2 freisetzt. Dies müsse in die weltweite CO2-Bilanz eingerechnet werden.

Stockmar setzt fort: Die E-Autos seien für einen höheren CO2-Ausstoß verantwortlich, als gemeinhin publiziert werde. Allein bei der Produktion einer Batterie würden 165 Kilogramm CO2 pro kWh Akku-Kapazität emittiert. Bei einem 95-kWh-Speicher wie beim Audi e-tron fallen bei der Fertigung also rund 15,6 Tonnen CO2 an. Plus den Stromverbrauch, den Stockmar mit 15 kWh berechnet, auf 150.000 Kilometer (Lebenszyklus) kalkuliert. Beim deutschen Strommix als Basis würden also 50 Gramm CO2 pro Kilometer frei. Addiert werden müsste die Belastung der Akku-Produktion, die er mit 100 Gramm CO2 pro Kilometer errechnete. Macht insgesamt 150 Gramm CO2 pro Kilometer. Damit würden E-Autos "deutlich über der gesetzlichen Emissionsgrenze von 95 Gramm CO2 pro Kilometer", die für Verbrenner gilt, liegen. Freilich: In den 95 Gramm sind weder die Emissionen der Autoproduktion noch die Herstellung des Kraftstoffes eingerechnet.

Heinfellner vom UBA kritisiert zudem den Wert von 165 Kilogramm CO2 pro kWh Akku-Kapazität. "Diesen Wert habe ich in keiner Studie gefunden", sagt der Wiener. "Wir haben selbst Berechnungen angestellt, die eine Belastung von 49 bis 95 Kilogramm CO2 pro kWh ergaben – je nach Strommix." Mit diesen Werten bricht freilich Jürgen Stockmars Kalkulation zusammen.

Der Professor sprach in seinem Vortrag unbeirrt von dem "großen Schwindel" rund um die E-Autos. Auch, weil die Strom- und Wasserstoff-Modelle beim Abgastest mit 0 Gramm CO2 eingestuft werden und im Gegensatz dazu alle anderen flüssigen Treibstoffe mit "dem vollen CO2-Ausstoß belastet werden". Zudem müssten die Batterien von E-Autos zumindest zu 95 Prozent recycelt werden. Weil dies aber nicht geschehe, würde gegen die EU-Richtlinie 2000/53/EG verstoßen. Stockmar: "Beim Elektrofahrzeug wird offensichtlich wegen der vermeintlichen Umweltschonung kontinuierlich Rechtsbruch begangen."

Widerspruch

Freilich: Die OÖN haben mehrfach über das funktionierende Batterie-Recycling bei "Die Saubermacher" geschrieben. Zudem werden immer öfter gebrauchte Lithium-Ionen-Akkus als Puffer-Speicher bei PV-Anlagen usw. eingesetzt.

Stockmars Fazit: "Ein E-Fahrzeug als wenig gefahrener Zweitwagen belastet wegen der ungünstigen Lebenszyklus-Berechnung die Umwelt mehr als die Benutzung eines vorhandenen, sparsamen Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor."

E-Auto besser als Verbrenner

Holger Heinfellner: "Wenn ich für die Rahmenbedingungen nur die schlechtesten Parameter – zum Beispiel ausschließlich Kohlestrom für die Akku-Produktion als auch für den Fahrverbrauch – hernehme, dann ist die Öko-Bilanz eines E-Auto vermutlich schlechter als die eines sparsamen Verbrenners." Mit dem österreichischen Strommix schneide ein Stromer aber freilich weitaus besser ab als ein Diesel oder Benziner.

Jürgen Stockmar

Jürgen Stockmar kann auf eine steile Karriere zurückblicken. Er war Leiter der Abteilung Fahrwerkabstimmung bei Audi-NSU und Entwicklungsleiter Allradfahrzeuge bei Steyr Daimler Puch AG. Daneben war Stockmar Mitglied in diversen Vorständen (Steyr Daimler Puch AG/ Entwicklung; Audi AG, Adam Opel AG/Technik, Magna International und Magna Europa AG/Forschung und Entwicklung). Heute berät er Firmen im automotiven Bereich.

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25. April 2024