Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Viele denken, Autofahren geht eh so nebenbei"

Von nachrichten.at/apa, 02. Juli 2020, 11:55 Uhr
ÖAMTC-Fahrstudie ergab: Ablenkung begünstigt gravierende Fehler. Bild: HELMUT FOHRINGER (APA)

ÖAMTC-Studie zu Ablenkung am Steuer: Die meisten Testpersonen krachten gegen ein plötzlich auftauchendes Hindernis, als sie während der Fahrt eine Adresse ins Navi eintippten.

Die Unfallstatistik 2019 hat ergeben, dass Unachtsamkeit und Ablenkung mit 31,4 Prozent weiterhin zu den häufigsten Unfallursachen im österreichischen Straßenverkehr zählt. Außerdem verunfallten im Vorjahr 139 Personen tödlich, weil sie oder der Unfallgegner in den entgegenkommenden Verkehr geraten waren.

Der ÖAMTC hat Anfang März gemeinsam mit seinem Partnerclub ADAC im Fahrtechnik Zentrum Teesdorf mit 45 jungen Probanden im Alter von 20 bis 35 Jahren die Untersuchung zu möglichen Auswirkungen unterschiedlicher Nebentätigkeiten auf das Fahrverhalten und die Verkehrssicherheit bei Pkw, Fahrrad und E-Tretrollernutzung durchgeführt.

Bei der Studie wurden bei allen untersuchten Nebentätigkeiten, dazu zählten u. a. das Hantieren mit Gegenständen, Trinken aus einer Wasserflasche, Verwendung des Smartphones und Nutzung des Navi während der Fahrt, gravierende Beeinträchtigungen der Fahraufgabe nachgewiesen - unabhängig vom Fahrzeugtyp.

Viele Fahrer überschätzen sich

"Wir haben unsere Probanden im Zuge von Testfahrten vor Aufgaben gestellt, die in der Realität häufig durchgeführt werden. Dabei konnten wir aufzeigen, dass ablenkende Tätigkeiten zu massiven Fahrfehlern führen, auch wenn man fit und erfahren hinter dem Steuer ist. So wären neun von zehn Autofahrern mit einem plötzlich auftauchenden Hindernis kollidiert und mehr als ein Drittel der Probanden überfuhren zumindest einmal die Mittellinie, was in einer realen Situation dazu führen würde, dass sie zwischen 3,5 und 4 Sekunden im Gegenverkehr landen", erklärte ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Und das hätte im realen Straßenverkehr einen Unfall zur Folge.

"Jede ablenkende Tätigkeit, die wir untersucht haben, so banal diese auch erscheinen mag, hatte messbare Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Unsere Probanden haben sich dabei oft besser eingeschätzt, als sie tatsächlich waren. Die Fehlinterpretation der eigenen Leistung kann zu gefährlichen Unfällen führen", konstatierte Seidenberger. Es stellte sich heraus, dass auch "minderbewertete Sachen wie beispielsweise ein Taschentuch aus dem Handschuhfach nehmen genauso ablenkend ist, wie ins Navi zu tippen", erläuterte die Expertin. Bei der Taschentuch-Aufgabe geriet mehr als ein Drittel der Testpersonen in den Gegenverkehr.

Bei SMS-Schreiben zehn Sekunden auf Gegenfahrbahn

"Es gibt ganz wenig Bewusstsein, wie gefährlich solche Ablenkphasen sind", sagte Fahrtechnik-Zentrumsleiter Georg Scheiblauer. Außerdem wird es von "allen stark unterschätzt, nicht nur von Fahranfängern. Viele denken, Autofahren geht eh so nebenbei. Ja, es geht, aber nur, solange nichts Unvorhergesehenes passiert", warnte der Experte.

Das Tempo-, Blick- und Spurhalteverhalten war deutlich beeinträchtigt, die Pkw-Teststrecke wurde von den Probanden häufig und lange im "Blindflug" - auch im Gegenverkehrsbereich - absolviert. Einzelne Teilnehmer schauten beispielsweise bis zu 25 Mal aufs Handy, als sie die Aufgabe hatten, eine Nachricht zu lesen und zu beantworten. Ein Proband war hierbei gar zehn Sekunden im Gegenverkehr unterwegs, was einer Strecke von 130 Metern entspricht.

Folgendes Video zeigt die Probanden im Zuge der Ablenkungsstudie:

Bei einer weiteren Aufgabe mussten die Testpersonen eine Adresse ins Navi eintippen. Nur eine Minderheit der Lenker - zehn Prozent - war in der Lage, das Testfahrzeug währenddessen rechtzeitig vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis anzuhalten. "Viele Studienteilnehmer wären mit hohem Tempo gegen das Hindernis gefahren - sie leiteten weder zeitgerecht noch kräftig genug die Bremsung ein.

Eine Testperson hat das Hindernis gar nicht bemerkt und wäre auf der Straße völlig ungebremst dagegen geprallt", berichtete Seidenberger. Durchschnittlich wurde vier Mal pro Fahrt auf den Bildschirm des Navigationsgeräts geblickt, was etwas mehr als sechs Sekunden bzw. über 100 Meter "Blindflug" entsprach. "Abgesehen von den Gefahren darf nicht vergessen werden, dass dem Lenker während des Fahrens das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung verboten ist. Aber auch eine anderweitige Verwendung des Mobiltelefons ist nicht erlaubt", sagte die Psychologin. Ausgenommen von dieser Regelung ist die Nutzung des Navigationssystems, sofern es im Wageninneren befestigt ist.

Auch Fahrrad- und Scooterfahrer getestet

Neben dem Pkw wurden auch auf dem Fahrrad und E-Tretroller Ablenkungsmanöver getestet. Das resultierte in gravierenden Spurhaltefehlern, einer veränderten Fahrdynamik, verminderter Handzeichensetzung und einer reduzierten Anhalte-Bereitschaft an Hindernissen und Verkehrszeichen der Testfahrer.

"Für die Probanden mit einspurigen Fahrzeugen waren die Aufgaben ebenso fordernd, wenn sie mit einem Smartphone oder einer Wasserflasche zu hantieren hatten oder die richtige Blicktechnik anwenden sollten, ohne die allgemeinen Verkehrsregeln zu missachten. Dabei kam es trotz umfangreicher Sicherungsmaßnahmen zu massiven Fahrfehlern und sogar zu Stürzen", erläuterte Seidenberger. Besonders am Tretroller zeigte sich, dass dieser extrem instabil wird, wenn Probanden versuchen, Dinge nebenbei zu tun, berichtete die Verkehrspsychologin.

In der Theorie sind sich Fahrzeuglenker in der Regel darüber bewusst, welche Ablenkungen zu gefährlichen Fahrfehlern führen können. Eine Online-Umfrage es ÖAMTC zeigte auf, dass Gespräche mit dem Bei-/Mitfahrer, Bedienen von Geräten und Telefonieren während der Fahrt oder das Hören und Suchen von Musik mitunter am häufigsten als ablenkende Tätigkeiten eingeschätzt werden. "Die Ergebnisse aus unserer aktuellen Fahrstudie beweisen, dass Gefahren durch Ablenkung am Steuer unterschätzt werden. Die Risiken und möglichen Folgen sollten daher stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit von Lenkern aller Fahrzeugtypen gerückt werden, etwa im Rahmen der Fahrausbildung", forderte die Verkehrspsychologin.

Probanden kannten Hintergrund nicht

Die Fahrstudie fand in Kooperation mit ADAC, Neurotraffic, ISWF, MedUni Wien, KTM und Circ statt. Der wahre Untersuchungszweck, nämlich mögliche Auswirkungen unterschiedlicher Nebentätigkeiten auf das Fahrverhalten und die Verkehrssicherheit von Pkw-, Fahrrad- und E-Tretroller-Lenkern, wurde den Teilnehmern nicht kommuniziert.

Stattdessen wurde den Probanden mitgeteilt, dass es sich um einen Gleichgeschwindigkeits-Wettbewerb handelt, bei dem diejenige Person gewinnt, die ihre eigene Testfahrrunde nahezu zeitident mit der eigenen Basisfahrrunde absolviert. Neben der präzisen Fahrzeiteinhaltung wurde auch darauf hingewiesen, dass alle am Fahrbahnrand kundgemachten Tempolimits und Verkehrszeichen äußerst genau einzuhalten sind. Dazu absolvierten die Probanden nach einer kommentierten Eingewöhnungs- und Streckenbesichtigungsrunde jeweils eine Referenzrunde und danach zwei Wertungsrunden. In den beiden Wertungsrunden wurden die Instruktionen zur Durchführung der jeweiligen Nebentätigkeiten per Funk an die Testpersonen kommuniziert, die diese zeitnah umzusetzen hatten.

Für die Erfassung der Auswirkungen der Nebentätigkeiten wurden die Wertungsrunden (="Ablenkungsrunden") mit der Referenzrunde (Basisrunde) durch Datenlogger-Aufzeichnungen verglichen. Zudem absolvierten die Probanden Computertests zu "Wachheit/Alertness" und "Ablenkbarkeit", um weitere Einflussfaktoren detektieren zu können, die ihre Wachheit, Stimmung und Arbeitsleistung zeigen. Dabei schnitten beispielsweise jene Probanden, die in der Nacht zuvor schlecht geschlafen oder länger unterwegs waren, sehr schlecht ab, erläuterte Schlafforscher Gerhard Klösch von der MedUni Wien.

mehr aus Chronik

Grausiger Fund: In Plastiksack verpackte Leiche in Wiener Keller entdeckt

Pensionistin (69) in Uttendorf von Hund angefallen und gebissen

Mann wollte Frau in Wien-Hietzing anzünden und verübte Suizidversuch

Österreichs Direktoren sind am Anschlag

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

5  Kommentare
5  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
weinberg93 (16.324 Kommentare)
am 02.07.2020 14:44

SMS-schreiben, Adresse ins Navi eingeben oder einfach nur von der Getränkeflasche trinken eins zu eins gleichsetzten macht für mich die Studie lächerlich und unseriös!

Ich gestehe, ich trinke auch manchmal (aber selten) – natürlich keinen Alkohol (muss man ja für manche Deppen extra dazu schreiben) – während der Fahrt einen Scluck.
Doch wann?
Auf einer leeren Straße wo ich mind. 4 sec freie Sicht habe (Fahren auf Sicht, die Restbreite ist> 2,5 m), das Getränk befindet sich im Dosenhalter, die ergrifft man wie den Schalthebel ohne hinschauen (oder höchstens 0,2 sec aus den Augenwinkeln) und trinkt, ohne den Blick von der Fahrbahn abzuwenden. Das Getränk wird über den rechten Mundwinkel aufgenommen und behindert nie die Sicht!

lädt ...
melden
weinberg93 (16.324 Kommentare)
am 02.07.2020 14:55

Noch was muss ich gestehen:
Manchmal muss ich zu Unzeiten in eine größere Stadt mit Staus in den Einfallsstraßen.
Da esse ich dann erst meine Wurstsemmel (oder für Vegetarier Käseweckerl, für Veganer hab ich leider nichts), allerdings nur in den Wartezeiten vor den roten Ampeln.
Ist man z. B. der dritte vor der Ampel und hat die Ampel in Sichtweite hat man immer noch mind. 3 sec Zeit (Ampelphase Rot-Gelb und wegfahren der Schläfer vor mir) um die Jause auf den Beifahrersitz zu legen und bei der nächsten (roten!!) Ampel den nächsten Bissen zu nehmen.

lädt ...
melden
Selten (13.716 Kommentare)
am 02.07.2020 17:52

Mach ich auch so und Navitippen mach ich im Stand.

lädt ...
melden
Gugelbua (31.900 Kommentare)
am 02.07.2020 14:30

Viel zuwenig Kontrollen, ich verstehs nicht, so viel Geld läßt man sich entgehen🤑

lädt ...
melden
weinberg93 (16.324 Kommentare)
am 02.07.2020 15:09

Stimmt, bzgl. SMS-lesen und sogar(!) schreiben. Navi-Adresse.

Aber nicht bzgl. Schneuztuch, dabei braucht man den Blick nicht von der Straße abwenden!

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen