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"Austro-Nobelpreis" 2019 an Historiker Ther und Mikrobiologen Wagner

Von nachrichten.at/apa   17.Juni 2019

Der Wittgenstein-Preis 2019 geht an den Historiker Philipp Ther und den Mikrobiologen Michael Wagner (beide Uni Wien). Der Wissenschaftsfonds FWF verlieh den "Austro-Nobelpreis" - mit einer Dotation von jeweils 1,5 Millionen Euro der höchste Wissenschaftsförderpreis in Österreich - Montagabend in Wien. 

Der Wittgenstein-Preis soll exzellenten Forschern "ein Höchstmaß an Freiheit und Flexibilität bei der Durchführung ihrer Forschungstätigkeit garantieren, um eine außergewöhnliche Steigerung ihrer wissenschaftlichen Leistungen zu ermöglichen". Mit den Start-Preisen (siehe weiter unten) will man jüngeren Forschern die Möglichkeit bieten, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungsarbeiten zu planen und sich durch die Leitung einer Arbeitsgruppe für eine Führungsposition im Wissenschaftssystem qualifizieren. Die Preise werden vom Wissenschaftsministerium finanziert und vom FWF vergeben, die Preisträger werden von einer Jury ausländischer Wissenschafter ausgewählt.

Philipp Ther (52) ist seit 2010 Professor für Geschichte Ostmitteleuropas an der Universität Wien und in diesem Studienjahr als Gastprofessor bzw. mit einem Freisemester an der New York University tätig. In den vergangenen Jahren wurde er mit seinen Büchern auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Sein 2014 erschienenes Buch "Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa" wurde 2015 mit dem Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Die Geschichte Europas als eine Geschichte massenhafter Fluchtvorgänge beschreibt er in seinem 2017 erschienenen Buch "Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa" (beide Suhrkamp).

Ther ist gerade dabei, sein nächstes Buch fertigzustellen, das im Herbst wieder bei Suhrkamp erscheint. "Das andere Ende der Geschichte. Die große Transformation" lautet der Titel und es wird sich der Frage widmen, "warum die Geschichte ganz anders geendet hat, als 1989 erwartet wurde", sagte der im Vorarlberger Kleinwalsertal geborene Historiker, der die deutsche und österreichische Staatsbürgerschaft hat, im Gespräch mit der APA. Habe man damals angenommen, alles ende in der Marktwirtschaft und in der liberalen Demokratie, "sind wir nun mit einer Renaissance des Nationalismus und mit Illiberalismus konfrontiert".

Mit dem Wittgenstein-Preis will er vor allem den von ihm aufgebauten "Research Cluster for East Central Europe and the History of Transformations" (RECET) ausbauen. Mit einem Team junger Wissenschafter will er sich dort dem Thema Wirtschaftsreformen und ihren sozialen Folgen widmen, die von steigender sozialer und regionaler Ungleichheit bis hin zum Phänomen der Arbeitsmigration sehr weitreichend seien. Ther hat dabei nicht nur die Transformationen in Osteuropa im Fokus, sondern plant auch global zu vergleichen, etwa die Entwicklung in postsozialistischen Ländern wie China oder Vietnam, aber auch Westeuropa. "Denn die postkommunistische Transformation hat ja Westeuropa ko-transformiert."

Michael Wagner (53) ist seit 2003 Professor für Mikrobielle Ökologie an der Uni Wien. Der gebürtige Bayer zählt zu den meistzitierten Wissenschaftern Österreichs und den weltweit führenden Forschern bei der Untersuchung von Mikroorganismengemeinschaften (Mikrobiomen), die von entscheidender Bedeutung für das Leben und die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und dem Menschen sind. Allerdings können bis heute die meisten Mikroben nicht im Labor gezüchtet und mit konventionellen Verfahren untersucht werden. Wagner hat in den vergangenen 25 Jahren Methoden entwickelt, die es erstmals erlauben, Bakterien, Viren und Archaeen direkt in medizinischen oder Umweltproben zu untersuchen.

Ein Schwerpunkt seiner "sehr stark neugiergetriebenen" Forschung liege auf Mikroben, die wesentliche Funktionen im globalen Stickstoffkreislauf ausführen, so der "anwendungsoffene Grundlagenforscher" gegenüber der APA. Diese sogenannten Nitrifikanten sind dafür verantwortlich, dass der in der Landwirtschaft verwendete Stickstoffdünger nicht von den Pflanzen aufgenommen wird, sondern in die Gewässer gelangt und dort zu Problemen wie Algenblüten führt. Zudem produzieren diese Mikroben Lachgas, ein wirksames Treibhausgas. Wagner hat in den vergangenen Jahren zahlreiche neuartige Nitrifikanten identifiziert, etwa sogenannte Comammox-Bakterien, die völlig andere Stoffwechseleigenschaften haben. Nicht nur auf diesem Gebiet biete sein Wissenschaftsbereich noch jede Menge "Terra incognita".

Mit dem Preisgeld will Wagner, der mittlerweile zu "40 Prozent" über die Entwicklung von Forschungsmethoden und zu "60 Prozent über die Organismen selbst" nachdenkt, das heuer gegründete und von ihm geleitete Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft als weltw

Start-Preise 2019 an Physiker, Mathematiker und einen Iranisten

Sechs Nachwuchsforscher erhielten jeweils mit rund 1,2 Millionen Euro dotierte Start-Preise. Gleich drei Physiker bilden den Kern der Preisträger, denen heuer auch zwei Mathematiker und ein Iranist angehören. Als einzige Frau erhält die Mathematikerin Christa Cuchiero am Montagabend einen der Start-Preise. Im Folgenden die Gewinner:

Mit "Defektverstärkten Quantenpunkten als Silizium-Lichtemitter" wird sich der Physiker Moritz Brehm vom Institut für Halbleiter- und Festkörperphysik der Universität Linz im Rahmen der Förderung beschäftigen. Probleme bei auf Licht basierenden neuen Ansätzen zur Übertragung von Daten auf Siliziumchips möchte der am 4. April 1982 in Linz geborene Wissenschafter umgehen, indem er Lichtquellen aus Materialen wie etwa Germanium verwendet. Das Vorhaben könnte ein wichtiger "Schritt zur Einbindung von Silizium-basierten Lichtquellen in moderne Halbleiterbauelemente sein", heißt es.

Die ebenfalls in Linz geborene Mathematikerin Christa Cuchiero (13. April 1983) will am Institut für Statistik und Mathematik der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien "Universelle Strukturen in Finanzmathematik" ins Visier nehmen. Dabei liege ihr Augenmerk auf erstaunlich stabilen Mustern in sehr verschiedenen Finanzmärkten. Die Phänomene sollten künftig auch "mit universellen mathematischen Methoden" analysiert werden können.

Bruno De Nicola wurde am 7. September 1979 in Buenos Aires (Argentinien) geboren und arbeitet seit 2018 am Institut für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Dort wird er sich im Rahmen seines Projekts mit "Nomadischen Manuskriptkulturen" auseinandersetzen. Anhand von islamischen handgeschriebenen Büchern aus der Zeit der Expansion des Mongolischen Reichs ins westliche Eurasien im 13. Jahrhundert möchte De Nicola herausfinden, wie die einstigen nomadischen Herrscher mit den sesshaften Eliten kooperierten und so eine zusammenhängende Kultur etablierten.

Die "Nanoskalige Spannungsmessung in metallischen Glas-Kompositen" steht im Zentrum der Forschung des am 4. April 1983 in Wien geborenen Physikers Christoph Gammer. Am Erich Schmid Institut für Materialwissenschaften der ÖAW in Leoben wird er sich auf die Suche nach Hochleistungswerkstoffen der Zukunft widmen, indem er die Eigenschaften von Glas-Kristall-Verbundmaterialien analysiert. Die Erkenntnisse sollen dabei helfen, "gezielt neuartige Werkstoffe zu entwerfen, die extrem hart sind", jedoch nicht wie Glas brechen.

Der am 11. Mai 1982 in Buenos Aires geborene Mathematiker Jose Luis Romero arbeitet seit 2011 in Wien. Um neue Einsichten in die miteinander in Verbindung stehende Struktur von zeitlichem und frequenziellem Verhalten eines Signals geht es im Rahmen seines Projekts mit dem Titel "Zeit-Frequenz-Analyse, Zufälligkeit und Abtastung". Dazu wird sich der an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien tätige Wissenschafter im Grenzbereich zwischen Mathematik, Akustik, drahtloser Kommunikation, statistischer Datenanalyse sowie mathematischer Physik bewegen.

Der am 3. Juli 1986 in Erfurt (Deutschland) geborene Richard Wilhelm mit der Start-Förderung am Institut für Angewandte Physik der Technischen Universität (TU) Wien an die "Beobachtung von lonenstreuung in Echtzeit (time4ions)" machen. Der seit 2017 an der TU tätige Jungforscher will durch Bombardements mit hellen Laserblitzen und Pulsen aus geladenen Teilchen mehr über die atomare Zusammensetzung von Oberflächen herausfinden.

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24. April 2024