Polizist nach tödlicher Verfolgungsjagd auf Teenager verurteilt
TAMSWEG. Am Bezirksgericht Tamsweg ist am Mittwoch ein Polizist wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten auf Bewährung nicht rechtskräftig verurteilt worden.
Der Beamte saß am 18. November 2021 am Steuer eines Streifenwagens, der in Göriach (Lungau) einen 15-jährigen Mopedfahrer überrollt hatte. Der Teenager, der ums Leben kam, war zuvor der Polizei davongefahren und auf einem Feldweg gestürzt. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig.
Abstand war zu gering
Bezirksrichterin Elvira Gonschorowski-Zehetner begründete den Schuldspruch damit, dass der Polizist bei der Nachfahrt auf dem Feldweg einen Sturz des Mopedfahrers einkalkulieren und deshalb einen dementsprechend größeren Tiefenabstand zum Moped einhalten hätte müssen. Die Nachfahrten an sich seien aber gesetzesgemäß gewesen, sie hätten den Flüchtenden verfolgen müssen, "um die Identität festzustellen". Bei den Privatbeteiligten-Ansprüchen verwies die Richterin auf den Zivilrechtsweg.
Verteidiger kündigt Berufung an
Verteidiger Kurt Jelinek, der einen Freispruch beantragt hatte, kündigte volle Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe an. Die Bezirksanwältin gab keine Erklärung ab. Deshalb ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Folgenschwerer Sturz
Wie berichtet, nahm damals eine Streife die Verfolgung eines unbeleuchteten Mopeds auf, das offenbar zu schnell unterwegs gewesen war. Am Steuer saß jener Polizist, der heute schuldig gesprochen wurde. Verfolgt von der Polizei mit Blaulicht und Folgetonhorn, bog der Jugendliche in Göriach auf einen Feldweg ein. Als er dort stürzte, konnte der Lenker des Polizeiwagens nicht mehr rechtzeitig bremsen und überrollte den Jugendlichen. Trotz Reanimation verstarb der 15-Jährige.
Fraglicher Sicherheitsabstand
Bei der Verhandlung ging es einerseits um die Frage des Sicherheitsabstandes zum Moped, andererseits um die Frage, ob die Verfolgung überhaupt notwendig gewesen wäre. Die Bezirksanwältin warf dem Beschuldigten vor, die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt außer acht gelassen zu haben. Der Abstand des Polizeifahrzeuges zum Mopedlenker sei zu gering gewesen. Verteidiger Kurt Jelinek konnte diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Sein Mandant sei im gleichbleibenden und ausreichenden Abstand hinter dem "auffrisierten" Moped hergefahren. Das bestätigen auch die beiden Polizisten, die ebenfalls im Auto waren. "Das Ziel der Nachfahrt war, ihn irgendwann sicher anhalten zu können", sagte der damalige Beifahrer.
Vorwürfe der Mutter
Die Polizistin, die auf dem Rücksitz gesessen hatte, konnte sich nicht erinnern, ob der Name des Mopedfahrers per Funk erwähnt worden sei und sie habe auch das Kennzeichen des Mopeds nicht gesehen. Die Mutter des Verstorbenen hatte der Polizei vorgeworfen, sie hätte damals anders reagieren können. Weil den Beamten der Name des Lenkers ihrer Meinung nach bekannt gewesen sei, hätte man die Verfolgung abbrechen können. Und Opfer-Anwalt Stefan Rieder meinte, "hätte die Polizei ihn nicht derart verfolgt, wäre der Bursch nicht so schnell gefahren und auch nicht gestürzt". Er sprach von einem gewissen "Jagdtrieb" und beantragte für vier Angehörige des Verstorbenen jeweils 40.000 Euro Teilschmerzensgeld.
"Tiefstes Bedauern"
Der Angeklagte drückte gegenüber der Familie des Burschen sein tiefstes Bedauern aus. Vor Gericht wollte er selbst aber keine weiteren Fragen mehr beantworten. Sein Verteidiger wies darauf hin, dass der Beschuldigte Erste Hilfe gleistet und mit der Reanimation begonnen habe. Zum Unfall sei es aufgrund der Besonderheiten des Sturzes gekommen. Er spielt auf ein Gutachten an, das im Februar 2022 zu einer Einstellung des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft geführt hatte. Darin kam Gutachter Gerhard Kronreif zu dem Ergebnis, dass der Abstand zwischen Moped und Polizeibus sieben bis elf Meter betragen hätte. Da sich die linksseitige Fußraste des Mopeds im Boden verhakt habe, hätte es eine deutlich "höhere Rutschverzögerung" gegeben. Das Zweirad kam durch diese Verhakung im Erdreich sehr abrupt zum Stillstand. Diesen "seltenen" Umstand hätte der Polizist einkalkulieren müssen, um rechtzeitig abbremsen zu können.
Langes Vorspiel zur Verhandlung
Zu einem anderen Schluss kam ein Drei-Richter-Senat des Landesgerichts Salzburg, der auf Antrag der Opfer-Familie eine Fortführung des Verfahrens anordnete. Begründung: Der Lenker hätte einen zu geringen Abstand zum Mopedfahrer eingehalten und deshalb sorgfaltswidrig gehandelt. Die Staatsanwaltschaft brachte daraufhin einen Strafantrag gegen den Polizisten wegen fahrlässiger Tötung ein. Bevor der Prozess jedoch starten konnte, erklärte sich Anfang Juli die Bezirksrichterin für nicht zuständig, weil der Verdacht bestehe, dass der Polizist "grob fahrlässig" gehandelt habe. Dieses Delikt sieht einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft vor, weshalb das Bezirksgericht nicht zuständig sei, hieß es im Beschluss des Bezirksgerichts. Dagegen ergriff der beschuldigte Polizist Rechtsmittel und bekam Recht. Eine grobe Fahrlässigkeit sei nicht zu erkennen, daher sei sehr wohl das Bezirksgericht zuständig, stellte ein Drei-Richter-Senat des Landesgerichts Salzburg fest.
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