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Corona-Infizierter verließ das Spital und fuhr mit dem Zug nach Hause

Von nachrichten.at/apa   20.November 2020

Am Freitag stand ein 48-jähriger Deutscher vor dem Richter. Er hatte sich im März beim Skifahren in Saalbach verletzt und wurde positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Der Mann wurde auf der Covid-19-Station des Uniklinikums Salzburg isoliert, reiste aber mit dem Taxi und Zug nach Hause.

Der Beschuldigte, der in Baden-Württemberg wohnt, zog sich bei dem Sturz am 14. März in dem Pinzgauer Wintersportort ein Schädel-Hirn-Trauma zu. Zunächst wurde er ins Krankenhaus Zell am See gebracht. Aufgrund der attestierten Blutungen im Schädel flog ihn ein Notarzthubschrauber am 17. März zur Neuro-Intensivstation der Christian-Doppler-Klinik des Uniklinikums Salzburg. Nach einem positiven Coronatest am 18. März wurde der Patient auf die Covid-19-Intensivstation des Landeskrankenhauses (ebenfalls Uniklinikum) gebracht und dort am 27. März auf die Covid-19-Normalstation verlegt. Einen Tag später, am 28. März, verließ er eigenmächtig das Spital.

Angeklagter kann sich an nichts erinnern

Ein als Zeuge geladener Arzt, der den Deutschen auf der Covid-Normalstation behandelt hatte, erklärte bei dem Prozess, dem 48-Jährigen sei mitgeteilt worden, dass er positiv auf das Coronavirus getestet worden sei und er weder das Zimmer noch das Krankenhaus verlassen dürfe. Der Angeklagte konnte sich aber an eine solche Mitteilung nicht erinnern, wie er heute meinte.

Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem er das Spital verlassen und keine Medikamente mehr eingenommen habe, könne er sich wieder an alles erinnern, sagte der bisher unbescholtene Kfz-Mechaniker zu Richter Philipp Grosser. Er habe im Krankenhaus weder gewusst, dass er sich auf einer Covid-Station befinde noch dass eine Isolationsnotwendigkeit bestanden habe. Ebenfalls keine Erinnerung habe er daran, dass er während seines Krankenhausaufenthaltes einen "Drang nach draußen" und eine "Bettflüchtigkeit" gehabt hätte, wie das Personal laut einer Sachverhaltsdarstellung festgestellt hatte.

"Es tut mir leid. Ich wusste auch nicht, welche Verletzungen ich hatte. Ich habe im Spital Tabletten und Infusionen bekommen. Schmerzen hatte ich nicht", erklärte der Angeklagte, der von dem Salzburger Rechtsanwalt Markus Kobler verteidigt wurde. Er habe damals keinen Fernseher oder Zugang zum Internet gehabt. Was er noch wisse sei, dass er aus dem Fenster gesehen und sich gedacht habe, "was wollen die noch von mir".

"Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann ist das nicht schön"

Schließlich habe er am Abend, als es schon Dunkel war, das Krankenhaus verlassen und sei auf der Straße in ein Taxi gestiegen, mit dem Wagen nach Freilassing (Bayern) gefahren und dort in den Zug nach München gestiegen. "Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann ist das nicht schön", sagte der Beschuldigte. Sein Verteidiger betonte, dass sein Mandant keine Unterlagen über ein positives Corona-Testergebnis erhalten habe.

Der behandelnde Arzt sagte als Zeuge weiters aus, dass der Patient "leicht sedierende Medikamente" bekommen habe. Dass der Mann wegen des Traumas beeinträchtigt gewesen sei, stehe außer Frage, aber wie lange, das könne er nicht sagen. Auch könne er nicht beurteilen, ob und wie sich die Corona-Infektion bei dem Patienten kognitiv ausgewirkt habe, eine Desorientierung könne ein mögliches Symptom sein.

Verhandlung vertagt

Der 48-Jährige sei "relativ asymptomatisch" gewesen, erklärte der Arzt. Wie hoch der CT-Wert (der Aufschluss über die Infektiosität geben kann) des PCR-Tests war, könne er nicht sagen, das müsste man beim Zentrallabor der Klinik eruieren können, wo der Test ausgewertet wurde. "Wir haben den CT-Wert nicht auf der Station erhalten", sagte der Mediziner. Damals sei der klinische Standard bezüglich Corona ein anderer gewesen als heute.

Der Richter vertagte die Verhandlung schließlich auf unbestimmte Zeit zur Einholung der CT-Werte der Corona-Testergebnisse und zur Erstellung eines neuropsychiatrischen Gutachtens zur Frage über die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt. Es soll auch die Frage geklärt werden, wie weit sich die medikamentöse Behandlung im Spital auf das Urteilsvermögen des Patienten ausgewirkt hat. Der Angeklagte zeigte sich mit einer Begutachtung per Video einverstanden.

Bereits am 11. November musste sich ein 29-jähriger Afghane wegen desselben Deliktes vor Gericht verantworten. Er reiste am 13. Oktober trotz eines positiven Covid-19-Testes und eines Absonderungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (NÖ) per Zug über Salzburg nach Deutschland, weil er dort seinen Angaben zufolge seinen Bruder besuchen wollte und nicht an Corona erkrankt sei. Der Afghane wurde wegen vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon ein Monat unbedingt, nicht rechtskräftig verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil berufen.

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18. April 2024