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Abschiebungen für Kogler "unmenschlich und unverantwortlich"

Von nachrichten.at/apa, 28. Jänner 2021, 17:05 Uhr
Der Protest gegen die Abschiebung von drei Schülerinnen nach Georgien bzw. Armenien ist Donnerstagfrühin Wien-Simmering von der Exekutive aufgelöst worden.  Bild: APA (APA/CHRISTOPHER GLANZL)

WIEN. Die in der Nacht auf Donnerstag durchgesetzte Abschiebung von drei Schülerinnen nach Georgien bzw. Armenien stößt bei den Grünen auf scharfe Kritik. Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigt sich "zutiefst betroffen".

"Dass heute in den Morgenstunden gut integrierte Mädchen abgeschoben wurden, ist unmenschlich und unverantwortlich. Ich frage mich auch, warum man sich für die Prüfung nicht mehr Zeit genommen hat", sagte Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler in Richtung Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Kritik kam auch von SPÖ und Neos.

Eine Protestaktion gegen die Abschiebung wurde zuvor Donnerstagfrüh in Wien-Simmering von der Exekutive aufgelöst, die Abschiebung konnte danach durchgeführt werden. 160 Personen, darunter Nationalratsabgeordnete der Grünen, der SPÖ und der NEOS, hatten dagegen vor Ort mobil gemacht. Wie die Polizei in einer Aussendung mitteilte, hätten die Demonstranten die Ausfahrt des Polizei-Konvois beim Abschiebezentrum in der Zinnergasse 29 mit sperrigen Gegenständen wie Misttonnen und Einkaufswägen verbarrikadiert. Zudem kam es zu Sitzblockaden.

Die Schüler demonstrierten friedlich Bild: Christopher Glanzl (APA/CHRISTOPHER GLANZL)

"Sehen wir das Menschliche zuerst"

Bundespräsident Van der Bellen zeigte sich angesichts der Abschiebungen "zutiefst betroffen". "Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist", sagte er in einem auf Facebook veröffentlichten Video (https://www.facebook.com/alexandervanderbellen). "Wir müssen einen Weg des menschlichen, respektvollen Umganges miteinander finden. Gerade, wenn Kinder die Hauptleidtragenden sind."

Er habe in diesem Fall keine formale Zuständigkeit, "aber sehr wohl eine klare Haltung", betonte der Präsident. "Um es ganz deutlich zu sagen: Jedes Staatsorgan muss selbstverständlich auf Basis der geltenden Gesetze handeln." Er kenne die Akten der konkrete Verfahren nicht. "Aber: Hätte es nicht einen rechtlichen Spielraum gegeben? Was ist mit den Rechten der Kinder, den Kinderrechten, die gewährleistet sind? Wurden die Kinder ausreichend gehört?" Er appelliere an alle, "die hier Verantwortung tragen": "Geben wir dem Wohl von Kindern und Jugendlichen Vorrang."

Das komplette Statement im Video:

Wöginger kontert "in aller Höflichkeit"

Von ÖVP-Klubobmann August Wöginger kam daraufhin "in aller Höflichkeit" die Aufforderung an den Bundespräsidenten, "die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren" und den Höchstgerichten "das in einem Rechtsstaat selbstverständliche und nötige Vertrauen entgegenzubringen".

Die Polizei löste die Kundgebung auf Bild: Christopher Glanzl (APA/CHRISTOPHER GLANZL)

Vizekanzler Kogler verwies am Donnerstag in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA auf Gespräche mit dem Koalitionspartner ÖVP vor der erfolgten Abschiebung: "Klubobfrau (Sigrid, Anm.) Maurer, Minister (Rudolf, Anm.) Anschober und ich haben gestern intensiven Kontakt mit dem Innenminister gehabt. Minister Nehammer hat mir gestern in einem unserer Telefonate eine gründliche Prüfung der einzelnen Fälle zugesagt."

Video: Proteste gegen Abschiebungen aufgelöst

Abschiebungen "nicht zwingend notwendig"

Die Fälle seien zwar auf Basis der österreichischen Gesetze ausjudiziert, die erfolgten Abschiebungen seien aber nicht zwingend notwendig gewesen, betonte Kogler. "Wenn aber der Innenminister in den konkreten Fällen jetzt behauptet, er kann in dieser Rechtslage nicht anders handeln, dann kann ich nur sagen: Es gibt keine zwingende rechtliche Verpflichtung zur Abschiebung von Schulkindern, die hier in Österreich aufgewachsen sind und gut integriert sind. Das gilt besonders in Zeiten einer Pandemie."

Es bestehe "für uns alle" eine "politische Verpflichtung zur Menschlichkeit", so Kogler. "Diese Menschlichkeit sind wir den Mädchen schuldig, die heute mit polizeilicher Härte abgeschoben wurden, diese Menschlichkeit sind wir aber auch unserem ganzen Land schuldig." Wenn Nehammer trotzdem behauptet, er könne angesichts der Rechtslage nicht anders handeln, "dann muss diese Rechtslage überprüft werden". Die bestehenden Gesetze seien in der Vergangenheit ohne Zustimmung der Grünen beschlossen worden, so Kogler. "Sie zu ändern, braucht Mehrheiten, um die wir uns seit unserer Gründung bemühen. Die sind aber derzeit im Nationalrat nicht gegeben."

 "Nacht der Unmenschlichkeit und Kaltherzigkeit"

Zuvor hatte bereits der Grüne Asylsprecher Georg Bürstmayr, der in der Nacht mit drei weiteren Grünen Abgeordneten bei der Protestaktion vor Ort mit dabei war, Kritik am Vorgehen geübt. Das Vorgehen sei "unverhältnismäßig", das Bild vor Ort habe aufgrund der großen Polizeipräsenz fast an einen "Antiterroreinsatz" erinnert, sagte er zur APA. Innerparteiliche Kritik von den Grünen kam auch von der Abgeordneten Nina Tomaselli: "Jenseitig.", kommentierte sie auf Twitter. Die Wiener Grünen sprachen in einer Aussendung von einer "Nacht der Unmenschlichkeit und Kaltherzigkeit".

Empört zeigte sich auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner: "Als Mutter macht es mich fassungslos, dass gut integrierte Kinder aus ihrem Leben gerissen und in ein fremdes Land abgeschoben werden", schrieb sie am Donnerstag auf Twitter. SP-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sprach von einem "zutiefst zynischer und unmenschlicher Akt", mit dem "vom größten Regierungsversagen im Corona-Management und vom Versagen in der Terror-Bekämpfung" abgelenkt werden solle. " Man hätte diesen Familien "im Sinne des Kindswohls" humanitäres Bleiberecht geben müssen. "Fassungslos" zeigte sich SPÖ-Gemeinderat und Bundesvorsitzender der Österreichischen Kinderfreunde, Christian Oxonitsch.

Hofer äußerte Verständnis für Abschiebungen

Verständnis für die Abschiebungen äußerte hingegen FPÖ-Obmann Norbert Hofer: "So schwierig solche Maßnahmen auch immer sind, aber in einem Rechtsstaat muss klar sein, wenn es kein Recht auf einen Aufenthalt in Österreich gibt, dann muss man auch diese Maßnahmen setzen." Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte verkürzte Asylverfahren bei "chancenlosen Fällen".

Neben Bürstmayr hatten in der Nacht auch der Grüne Klimaschutzsprecher Lukas Hammer, Bildungssprecherin Sybille Hamann und Netzpolitiksprecher Süleyman Zorba an dem Protest teilgenommen. Von der SPÖ war Nationalratsabgeordneter Jan Krainer vor Ort, seitens der NEOS Stephanie Krisper.

Im Vorfeld besonders debattiert wurde der Fall einer betroffenen zwölfjährigen Schülerin, die Montagabend mit ihrer Mutter und laut deren Anwalt fünfjährigen Schwester von der Fremdenpolizei in ein Abschiebezentrum gebracht worden war. Die Gymnasiastin, die im ersten Wiener Gemeindebezirk die Schule besuchte, fand die Unterstützung von Lehrern und Mitschülern, die mit ihrer guten Integration und der Hochphase der Pandemie gegen die Abschiebung argumentierten und (wie im Fall einer weiteren - armenisch-stämmigen - 20-jährigen Schülerin im zehnten Wiener Gemeindebezirk) eine Petition starteten.

Im Innenministerium verwies man darauf, dass mehrere höchstgerichtliche Entscheide vorliegen, die eine Außerlandesbringung vorsehen. Die Familie der 12-Jährigen befand sich demnach bereits seit vier Jahren unrechtmäßig im Land. Der Vater verfügt laut dem Anwalt Wilfried Embacher allerdings über eine Aufenthaltsberechtigung in der Slowakei und kann sich so legal auch in Österreich aufhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Asylverfahren festgehalten, dass die lange Aufenthaltsdauer nicht zuletzt wegen beharrlicher Nichteinhaltung der behördlichen Vorgaben gegeben sei.

Rückkehrentscheidung aus dem Jahr 2019

Bürstmayr verwies darauf, dass die letzte Rückkehrentscheidung der Behörden schon ziemlich alt gewesen sei. Sie stammt laut Embacher aus dem September 2019. Man könne also davon ausgehen, dass sich seitdem eine wesentliche Änderung des Sachverhalts ergeben hat. Nach einem laut Embacher im Mai 2020 gestellten Antrag auf Bleiberecht sei aber nichts geschehen, bis dann die Abschiebung durchgeführt wurde.

  • 1000 Menschen protestierten am Donnerstagabend gegen die Abschiebungen >> Zum Bericht
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