Ältester Holocaust-Zeitzeuge Österreichs verstorben
SALZBURG. Marko Feingold ist im Alter von 106 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.
Er überlebte fünf Jahre in mehreren Konzentrationslagern, half nach dem Krieg Tausenden Juden bei der illegalen Auswanderung nach Israel und war bis zuletzt ein wacher und unermüdlicher Kämpfer gegen das Vergessen der NS-Gräueltaten: Gestern, Donnerstag, ist Marko Feingold, seit 1979 Präsident der kleinen Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, im Alter von 106 Jahren gestorben.
Vier Konzentrationslager überlebt
Der älteste Holocaustüberlebende Österreichs war einer der wenigen Juden, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Salzburg zurückgekehrt sind. Dabei war es Zufall, dass sich Feingold in der Festspielstadt niederließ. Am 11. April 1945 wurde das KZ Buchenwald von den Amerikanern befreit. Österreich kümmerte sich aber nicht um die Heimholung seiner Häftlinge. In einem letztlich selbst organisierten Transport wollten 128 Überlebende nach Wien fahren. Doch an der Demarkationslinie an der Enns gab es Probleme, bei der Rückfahrt nach Deutschland stieg Feingold spontan in Salzburg aus.
Als "Flüchtling im eigenen Land", hat er sich dabei bezeichnet. Denn die Tausenden Überlebenden der Konzentrationslager, die es als "displaced persons" (DPs) nach Salzburg verschlug, wollte man dort genau so wenig, wie die Juden, denen vor 1938 die Flucht ins Exil gelungen war. Sie wurden offiziell nie zur Rückkehr eingeladen oder aufgefordert.
Schon kurz nach seiner Ankunft wurde Feingold die Leitung der Verpflegungsstätte für ehemalige KZ-Häftlinge übertragen, später auch die Administration mehrere DP-Lager in Stadt und Land Salzburg. Er half der Untergrundorganisation Bricha bei der Organisation der illegalen Flucht Tausender Juden nach Palästina. Von der Landesregierung "erpresste" er dazu Lastautos für den Transport. "Als sie mir keine geben wollten, habe ich gesagt: Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder ich bekomme die Lastautos, oder die Juden bleiben da", erzählte er einmal. Der erste Konvoi bestand aus sechs Lkw.
Als die Flucht über den Brenner von den Alliierten unterbunden wurde, war Feingold an der Suche nach einer Alternativroute beteiligt. Im Sommer 1947 flohen 5.000 jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa zu Fuß über den Krimmler Tauern, um von Italien aus in Richtung Palästina auszuwandern. Seit 2007 erinnert die jährliche Überquerung "Alpine Peace Crossing" an das Ereignis. Ebenfalls 1947 kaufte Feingold im Auftrag der Bricha alte Boiler und Waschmaschinen auf, in denen - wie er erst später erfuhr - Waffen nach Palästina geschmuggelt wurden.
Rückkehr nach Salzburg
1948 eröffnete er in Salzburg das Geschäft "Wiener Moden", das er bis zu seiner Pensionierung 1977 führte. Er heiratete und ab 1979 leitete er die Israelitische Kultusgemeinde in Salzburg, die heute noch wenige Dutzend Mitglieder umfasst. Immer mehr wurde parallel dazu der Kampf gegen das Vergessen zur Lebensaufgabe. Feingold hielt mehr als 6.000 Vorträge vor Schulklassen - und zeigte sich über das oft fehlende Wissen der Jugendlichen bedrückt. "Es wird in Schulen nicht ausreichend über Rechtsradikalismus unterrichtet."
Im Herbst 2013 wurde Feingold zum Protagonisten des dutzendfach aufgeführten Zeitzeugenprojekts "Die letzten Zeugen" des Wiener Burgtheaters. Wenige Monate später besuchte er - damals schon 100-jährig - einen 21-Jährigen im Gefängnis, der wegen NS-Schmierereien und der Beschädigung der jüdischen Synagoge in Salzburg in U-Haft saß. Der angeblichen Läuterung des jungen Mannes stand er durchaus skeptisch gegenüber. Dabei pflegte Feingold zeitlebens einen charmanten Schmäh. Als ihn der frühere Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser einmal nach dem Geheimnis seines langen Lebens fragte, antwortete er: "Suchen Sie sich eine jüngere Frau." Feingolds zweite Gattin Hanna ist 35 Jahre jünger als er.
Nationalsozialisten als "verirrte Menschen"
Hass und Verbitterung schienen ihm trotz der schlimmen Erfahrungen in den Konzentrationslagern fremd. "Die Nationalsozialisten waren verirrte Menschen", sagte er einmal in einem Interview. Den vielen muslimischen Flüchtlingen, die es nach 2015 auch nach Salzburg verschlug, begegnete Feingold allerdings mit Skepsis. Er fürchtete, dass mit ihnen antisemitische Ressentiments zurückkehren.
Conny Bischopberger:
Das Mauthausen Komitee Österreich hat 59 Vorfälle zwischen 2013 und 2017 dokumentiert und kommt zum Schluss, dass „rechtsextreme Aussagen und Handlungen in der FPÖ dauernd und auf allen Ebenen vorkommen“.
Marko Feingold:
Vielleicht halten die zu viele Sitzungen ab. Ich habe ein sehr enges Verhältnis mit denen. Ich kann nur sagen: In meinem Beisein ist mir nie etwas aufgefallen. Und: Mir war es immer wichtig, mit allen zu reden. Ich bin der Überzeugung: Alles lässt sich aussprechen.
Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, will mit der FPÖ nach wie vor nichts zu tun haben. Warum sind Sie versöhnlicher?
Ich kenne solche Ausgrenzungen nicht. Fast alle Parteien haben im Lauf der Geschichte einmal die Ausrichtung gewechselt, sodass man nicht sagen kann: Antisemiten sitzen nur in dieser oder jener Partei. Antisemiten gibt es überall. Das musste ich als Sozialist am eigenen Leib erfahren.
Danke Marko Feingold!
Ruhe in Frieden!
Niemals vergessen!
Die Mahner verstummen und die Kriegstreiber werden immer lauter.
Gott sei seiner Seele gnädig!
Marko Feingold, einen schönen Namen hatte er. Aber leider kein so feines Leben, (Holocaust überlebender)
Möge er bei Gott für immer in Frieden Ruhen!