Wieder Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-ÖSV-Trainer Charly Kahr

BLUDENZ. Verleumdungsprozess brachte pikante WhatsApp-Nachrichten an die Öffentlichkeit.
Verleumdungen, Intrigen, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Zügellosigkeiten, verrohte Sitten: der Verleumdungsprozess des früheren Skitrainers Karl (Charly) Kahr gegen eine ehemalige Skirennläuferin hatte alle Zutaten für eine ungustiöse Geschichte im Dunstkreis des österreichischen Skizirkus in den 60er und 70er Jahren.
Karl Kahr hatte die Frau auf üble Nachrede geklagt, weil diese und deren Ehemann in mehreren WhatsApp-Nachrichten an Skilegende Annemarie Moser-Pröll ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hatten. Die Bombe im Verfahren ließ die ehemalige Athletin selbst platzen: Sie outete sich als eines jener Opfer, die angeblich von Kahr verschiedentlich sexuell genötigt wurde.
„So, heute bist du dran“
Im Verfahren, geleitet von Richterin Daniela Flatz, erzählte die Ex-Skirennläuferin von mehreren Vorfällen, in denen Kahr teils mit Gewalt versucht habe, sie zu sexuellen Handlungen zu zwingen.
1969 sei das während einer Zugfahrt aus der Schweiz passiert, als Kahr sie zu Oralsex zwingen wollte. In St. Moritz 1973 habe er einen Mannschaftskollegen dazu gebracht, sich ihr in einschlägiger Art und Weise zu nähern, während Kahr selbst im Bett daneben mit ihrer damaligen Zimmerkollegin Annemarie Moser-Pröll sexuell vergnügt habe. Zu einem traumatischen Ereignis sei es 1976 im kanadischen Quebec gekommen. „Ich lief damals im Hotelgang zum Zimmer von Nicola Werdenigg, die krank war. Plötzlich ging eine Tür auf und Kahr riss mich in sein Zimmer aufs Bett. ‚So heute bist du dran‘ hat er gesagt, während im Bett daneben Toni Sailer betrunken und mit entblößtem Oberkörper lag.“
Kahr habe sie fixieren wollen und ihr dabei am rechten Handgelenk Verletzungen zugefügt. Sie habe sich mit aller Kraft losreißen und sich im Badezimmer verschanzen. Etwa 20 Minuten später habe sie sich von da wieder rausgetraut. Kahr und Sailer seien mittlerweile eingeschlafen und sie habe das Zimmer dann verlassen können.
Plötzlich war die Wut da
Die Wucht der Vorwürfe erzeugten bei den zahlreichen Prozessbesuchern – einige mussten wegen Überfüllung den Saal 27 vor Beginn des Verfahrens verlassen – basses Erstaunen. Auch als die ehemalige Rennläuferin unter anderem zu Gerichtsprotokoll gab, wie ihr 1969 die damals 15-jährige Moser-Pröll an einem Jännerabend in einem Hotel in St. Gervais ein schmerzhaftes sexuelles Erlebnis mit Kahr gebeichtet habe.
Jahrelang habe sie die Erlebnisse, die sie zum Teil ihrem Mann erzählt habe, auf sich ruhen lassen. Doch im Zuge der Me too-Bewegung, mit dem Outing von Nicola Werdenigg und vor allem nach Moser-Prölls Reaktion auf die Missbrauchsvorwürfe gegen Karl Kahr – die Jahrhundertsportlerin gab an, nichts gewusst zu haben – sei alles bei ihr hochgekocht.
Die WhatsApp-N<chrichten an Moser-Pröll mit den Vorwürfen gegen Kahr startete ihr Gatte. Moser-Pröll solle sich schämen, Charly Kahr und Toni Sailer, die zahlreiche Mädchen missbraucht und gebrochen hätten, in Schutz zu nehmen, lautete der Inhalt der ersten Nachricht an Moser-Pröll. Es folgten weitere Mails von beiden Eheleuten an Moser-Pröll, in denen Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens durch Karl Kahr und auch durch Toni Sailer formuliert wurden.
Ihre ehemalige Team- und Zimmerkollegin Moser-Pröll, so behauptet sie, habe mit beiden hohen Funktionären ein intimes Verhältnis gehabt.
Allein die Einvernahmen der Angeklagten dauerten fast fünf Stunden, ehe Karl Kahr als Kläger und gegen 20.45 Uhr Moser-Pröll als Zeugin einvernommen wurden.
Der Prozess wegen übler Nachrede ist am späten Freitagabend auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Richterin Flatz wollte weitere Zeuginnen - mutmaßliche Missbrauchsopfer - hören, außerdem soll der Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Leoben eingeholt werden.
Video: Nach Vorwürfen von sexuellem Missbrauch ist der ehemalige ÖSV-Trainer Karl Kahr vor Gericht gezogen. Er verklagt ein Ehepaar aus Vorarlberg wegen übler Nachrede.