„Abschiedsbotschaft“ des Kampusch-Entführers ist gefälscht

WIEN. Der Entführer von Natascha Kampusch, Wolfgang Priklopil (44), hinterließ seiner Mutter angeblich eine Abschiedsbotschaft, bevor er von einem Zug getötet wurde. Diese ist laut eines Gutachtens des Bundeskriminalamtes eine Fälschung.
Bereits wenige Stunden nach dem Tod von Wolfgang Priklopil hatte der gute Freund und Geschäftspartner des Entführers der Polizei einen Einkaufsgutschein mit dem handschriftlich verfassten Wort „Mama“ präsentiert.
Auffällig war für die Polizei und die Kampusch-Evaluierungskommission jedoch, dass zunächst nicht der Freund selbst, sondern seine Schwester (eine Juristin) die Beamten auf den angeblichen Abschiedszettel aufmerksam machte.
Überraschend und völlig unklar ist, warum die Handschrift auf dem Zettel zunächst nicht untersucht wurde, um sie eindeutig Wolfgang Priklopil zuzuordnen und einen eventuellen Fälschungsverdacht auszuschließen.
Erst die Kampusch-Untersuchungskommission und (der inzwischen verstorbene) Chefermittler Franz Kröll hegten den Verdacht, dass der Zettel nicht von Priklopil beschrieben worden sei. Sie ließen das Beweisstück deshalb im Sommer 2009 durch die Handschriften-Untersuchungsstelle im Bundeskriminalamt begutachten. Auch, weil der Mutter von Wolfgang Priklopil aufgefallen war, dass ihr Sohn handschriftliche Notizen immer in Blockbuchstaben verfasste und nicht in einer Mischung aus Blockbuchstaben und Lateinschrift.
Im November 2009 platzte die Bombe: Die Untersuchung ergab „keine Übereinstimmung mit der Handschrift von Wolfgang Priklopil“, dafür aber „übereinstimmende graphische Merkmale mit der Handschrift des Geschäftspartners“.
Die Experten konnten jedoch aus der Analyse von vier Buchstaben nur „geringe Hinweise“ auf den Freund finden. In seiner Vernehmung 2009 bestritt dieser jeden Zusammenhang mit dem Zettel und sagte, Priklopil habe ihn in seinem Auto geschrieben: „Er hat mich dann um diesen Zettel gebenten, weil er für seine Mutter etwas aufschreiben möchte."
Die zentralen ungeprüften Fakten der Ankläger
• Warum ignorierten die Staatsanwälte die Aussagen einer Schülerin, im Kastenwagen von Wolfgang Priklopil einen weiteren Täter beobachtet zu haben? Wieso wurde diese Zeugin kein einziges Mal von einem Staatsanwalt befragt?
• Warum interessierten sich die Ankläger nicht für das Ergebnis der polizeilichen Telefonauswertung des besten Freundes von Priklopil. Dieser hatte in seinem Mobiltelefon unter dem Eintrag „Be Kind Slow“ die Nummer eines Mannes gespeichert, der möglicherweise im Zusammenhang mit einem Sex-Shop und einschlägigen Straftaten stehen könnte.
• Warum ignorierten die Staatsanwälte im Jahr 2009n den Hinweis auf die – laut Gutachten – gefälschte Abschiedsbotschaft von Wolfgang Priklopil?
• Warum stellten die Ankläger nie einen Hausdurchsuchungsbefehl für die Objekte des Geschäftspartners? Immerhin traf ihn die Polizei am 23. 8. 2006 beim Verladen unbekannter Gegenstände an, worauf der Mann sichtbar mit Panik reagierte.