Statt ruhigem Klosterleben purer Stress
EBERSTALZELL/LAMBACH. Benedikt Weingartner (42) legte vor knapp zwölf Jahren seine Mönchskutte ab. Der Archivar des Stiftes Lambach ist nun gefragter Musikmanager.
OÖN: Warum tragen Sie Ihren Ordens- und nicht Ihren Taufnamen?
Weingartner: Es hat genügt, dass ich das Mönchsgewand ablege. Da muss ich nicht auch noch den Namen ablegen.
OÖN: Wie lange waren Sie im Stift Lambach als Frater Benedikt aktiv?
Weingartner: Von September 1989 bis Oktober 1999.
OÖN: Weshalb verließen Sie die Gemeinschaft?
Weingartner: Es war eine Lebensentscheidung, weil ich im Kloster zu Hause war und dort meine Lebensperspektive hatte. Im Laufe der Zeit hat sich das verändert. Es klingt banal, aber ich habe keine Perspektive mehr gesehen. Eine neue Lebensorientierung war notwendig.
OÖN: Ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?
Weingartner: Ich bin kein Mensch, der aus einer Emotion heraus handelt. Es war überlegt, das Ende eines längeren und ganz bewussten Prozesses. Mir war wichtig, nicht einfach in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu verschwinden: Ich verabschiedete mich bei der Gemeinschaft und versandte an 600 Leute einen Brief. Noch heute werde ich darauf angesprochen. Es war ja kein klassischer Abgang wegen einer Frau.
OÖN: Hatten Sie Angst vor dem Leben außerhalb der Klostermauern?
Weingartner: Es gab von Lebensdynamik und Lebenslust aus betrachtet keine Alternative. Sie waren stärker: Ich hatte Angst, im Kloster stehen zu bleiben.
OÖN: Haben Sie Ihren Rückzug jemals bereut?
Weingartner: Nein, die Entscheidung war richtig. Ich habe vor den zehn Jahren und vor dem Kloster Respekt. Sie gehören zu mir, sind Teil meine Identität und vielleicht noch immer nicht ganz abgeschlossen.
OÖN: Haben Sie das Gefühl, etwas versäumt zu haben?
Weingartner: Was mich beschäftigt, ist die Tatsache, dass ich die ‘klassische Jugend’ versäumt habe. Vielleicht hätte ich eine Familie. Nun bin ich in eine Karriere hineingestolpert, freilich tobe ich mich im Beruf aus: Das ist mir wichtig. Mir fehlt, dass ich nicht auf Familie schauen kann. Das ist keine Krise. Wenn meine drei besten Freunde nun Vater werden, wird einem das bewusst.
OÖN: Haben Sie noch Kontakte zum Stift?
Weingartner: Abt Maximilian hat mich in Wien besucht, wir hatten längere Gespräche. Es interessiert mich auch, was im Kloster los ist. Im Stift war ich aber nur ein oder zwei Mal.
OÖN: Was machten Sie nach Ihrem Abgang?
Weingartner: Das Stift gewährte mir existenzielle Hilfe, um meine ersten Schritte außerhalb gehen zu können. Ich hatte einen riesigen Freundeskreis, viele haben sich Sorgen gemacht, dachten, ich sei überfordert. Meine erste Station war Salzburg: ich wollte im Journalismus oder Kulturmanagement beginnen. Ich spürte die Realität des Lebens, und dass es nicht so einfach ist.
Dann habe ich in Salzburg in einer evangelischen Privatschule Religion – römisch-katholisch – unterrichtet. Die Stelle bekam ich, weil sie keiner wollte: Wegen Teamteaching, Integration behinderter Kinder und Montessori-Pädagogik. Es war eine herrliche Herausforderung. Ich hatte neun Stunden Unterricht, verbrachte aber fast die ganz Woche dort: Ich tauchte in eine neue Welt ein, die sehr innovativ war. Ich habe noch immer Kontakt zu den Lehrern.
OÖN: Wie kamen Sie beruflich nach Wien?
Weingartner: Durch die Organisation der Kammermusikfestivals im Stift hatte ich Kontakt zu Künstleragenturen in Wien. Frau Baron von der gleichnamigen Agentur war 60 Jahre alt, hatte keine Kinder und suchte jemanden, der nach 30 Jahren ihre Agentur weiterführt. Ich wurde 2000 Junior-Partner und habe drei Jahre später die Agentur übernommen.
OÖN: Wie heißt sie nun?
Weingartner: Anfangs hieß sie Baron und Weingartner, jetzt Benedikt Weingartner. Meine drei Mitarbeiter und ich vertreten weltweit internationale Künstler der klassischen Musik. Wir organisieren auch Orchestertourneen. Mein Büro ist im ersten Bezirk zwischen Oper und Musikverein. Etwa zehn Prozent der Arbeit betreffen Österreich. Ich brachte im Oktober Cecilia Bartoli nach Linz. Am 7. März spielt das „Royal Philharmonic Orchestra London“ im Brucknerhaus.
OÖN: Wie hat sich Ihr Leben verändert?
Weingartner: Ich habe mehr als 20 Kilo abgenommen, ernähre mich gesund, laufe viel und besuche – wenn es irgendwie geht – drei Mal pro Woche das Fitness-Studio. Ich habe einen absoluten Stressberuf und brauche den Ausgleich.
OÖN: Macht der anstrengende Job Spaß?
Weingartner: Es ist der ideale Beruf: Ich habe mit Menschen zu tun und bin nicht nur Verkäufer. Ich bin auch Coach, versuche Talente zu entdecken, Karrieren zu planen und in Gang zu setzen. Das bringt kein Geld, ist aber meine absolute Leidenschaft. Nun bin ich Vorstandsvorsitzender des europäischen Verbandes der Konzertdirektionen. Für eineinhalb Jahre vertrete ich die Interessen von mehr als 90 Mitgliedern aus 16 EU-Staaten. Ich berate auch die EU-Kulturkommissarin. Das Problem ist: Musiker werden am Instrument perfekt ausgebildet, jeder träumt von Karriere. Aber keiner weiß, wie man das anstellt, was ein Manager zu machen hat.
OÖN: Zurück zu Ihrer Zeit als Mönch: Ist zölibatäres Leben zeitgemäß?
Weingartner: Wenn jemand glaubt, das ist die richtige Lebensweise, dann habe ich Respekt davor.
OÖN: Wie stehen Sie zur Priester-Initiative?
Weingartner: Ich wünsche jedem, dass er im Glauben an Gott den Halt für sein Leben findet. Dazu ist die Gemeinschaft der Kirche wichtig, aber leider merkt das die Amtskirche noch nicht: Für mich war Jesus ein Revolutionär, deshalb ist für mich der Slogan wichtig: Seid nicht so geduldig und widersprecht, denn jeder ist berufen!
Benedikt Weingartner
Der 42-jährige Eber-stalzeller mit Taufnamen Norbert wollte seit seinem achten Lebensjahr Priester werden. Er maturierte 1989 am Stiftsgymnasium Lambach und trat in das Benediktiner-Kloster ein. „Mit der Einkleidung erfüllte sich für mich ein Lebenstraum“, erinnert sich Weingartner. Er hatte sich als Archivar und Kustos des Stifts engagiert und erhielt durch seine Kontaktfreudigkeit viel mediale Präsenz.
Es kam allerdings ganz anders: Nach nur zehn Jahren kehrte er der Abtei den Rücken, zog nach Salzburg und unterrichtete Religion an einer evangelischen Privatschule. Durch die Organisation von Kammermusik-Konzerten im Stift hatte er Kontakt zu Künstleragenturen – unter anderem zu der Agentur Baron im ersten Wiener Gemeindebezirk. Die kinderlos gebliebene Eigentümerin suchte einen Nachfolger für ihr Unternehmen und fand ihn in Benedikt Weingartner.
Nach drei Jahren als Junior-Partner übernahm der Junggeselle 2003 die alleinige Geschäftsführung der Agentur, die internationale Künstler der klassischen Musik weltweit betreut.