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Sonja Duda im Interview: „Frauen ertragen Gewalt oft Jahrzehnte“

Von Nora Bruckmüller   01.Juli 2011

OÖN: Frau Duda, wie viele Frauen leben gerade bei Ihnen im Frauenhaus?

Duda: Es sind momentan sechs Frauen. Im Grund genommen sind wir voll. Für alle Fälle haben wir noch das freie Notzimmer. Kinder haben wir gerade fünf im Haus.

OÖN: Laut Ihrer Statistik hielten sich 2008 im Welser Frauenhaus 22 Frauen auf, 2010 waren es bereits 36. Was zeigt uns das? Einen Anstieg von Gewalt?

Duda: Ich glaube nicht, dass die Gewalt gestiegen ist. Man muss auch auf die Aufenthalts-Tage schauen. (2008 waren es bei den Frauen 1923, vergangenes Jahr 2125, Anm.) Das Problem in Wels sind nicht leistbare Wohnungen. Viele Frauen sind mit ihren Kindern bei uns. Als Alleinerzieherin mit Kind geht sich ein Vollzeitjob nicht aus. Damit sind Privatwohnungen zu teuer. Genossenschaftswohnungen sind nicht leicht zu finden.

OÖN: Das heißt, da die Frauen länger bei Ihnen bleiben, erfüllen Sie eine Aufgabe, die so gar nicht mehr zu Ihnen gehört?

Duda: Wir können die Frauen nicht auf die Straße setzen. Die Frauen bleiben bei uns, obwohl wir den Platz anderen Frauen geben könnten.

OÖN: Wie ist das Verhältnis von Österreicherinnen zu Migrantinnen im Welser Frauenhaus?

Duda: Mehr als fünfzig Prozent sind Migrantinnen. Ich arbeite seit elf Jahren hier. Als ich 2000 angefangen habe, waren es noch zehn Prozent.

OÖN: Zum Verständnis: In wie fern zeigt diese Entwicklung einen Gewaltanstieg bei Migranten an?

Duda: Es heißt, dass die Frauen selbstbewusster werden, sie trauen sich mehr. Ich hoffe auch, dass sie durch unsere Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam gemacht werden.

OÖN: Ist der starke Anstieg von Migrantinnen ein Spezifikum für Wels?

Duda: Wels hat an sich einen hohen Anteil von Migranten. Ich denke, dass das Verhältnis normal ist.

OÖN: Welchen Unterschied gibt es zwischen Gewalt an Migrantinnen und Österreicherinnen?

Duda: Bei Migranten ist oft die gesamte Familie gegen eine Scheidung – der Bruder, der Onkel. Kommt die Frau zu uns, verliert sie die gesamte Familie. Bei einer Zwangsheirat wird die Tochter verstoßen, wenn sie sich weigert.

OÖN: Sie sagten „Onkel, Bruder“. Kommt dieser Druck lediglich von der männlichen Seite?

Duda: Nein, Frauen sagen dann das, was ihnen ihr Mann oder Vater sagt.

OÖN: Wie gehen Sie auf diese Problematik ein?

Duda: Wir kennen die Kultur bereits. Wir bieten auch Beratungen auf Kroatisch an. Unser Pool an Dolmetschern wird größer und größer. Wir bemühen uns für sie einen Dolmetscher aufzutreiben. Bis die Frauen jemanden finden, dem sie vertrauen können.

OÖN: Haben Frauen nicht weiter Angst, wenn sie in ein Frauenhaus gehen, dass in der Nähe ihres Gefährders ist?

Duda: Wenn die Gewalt oder die Angst sehr groß ist, vermitteln wir auch an andere Frauenhäuser. Es kann auch sein, dass Frauen eine Woche drinnen bleiben, bevor sie sich raus trauen. Wir stärken sie dann mit einem Notfallplan. Er zeigt ihnen etwa, dass sie per Handy den Notruf wählen können, wenn sie den Täter sehen.

OÖN: Wie lange können Frauen Gewalt ertragen?

Duda: Jahrelang, mitunter auch jahrzehntelang. Keine geht ins Frauenhaus, wenn sie einmal Gewalt erfahren hat. Wobei einmal zu viel ist. Ich höre Verharmlosungen, oder: „Das Frauenhaus. Diese Hilfe braucht doch eine andere viel mehr als ich.“

OÖN: Wie können Sie im Erstgespräch ihre Geschichte ermitteln?

Duda: Ich frage, was passiert ist und frage detailliert nach. Ich höre dann Antworten wie: „Eigentlich war das erste Mal gleich nach der Hochzeit.“ Und die Hochzeit liegt dann 15 Jahre zurück. Das zweite Mal war dann etwa in der Schwangerschaft.

OÖN: Wie lässt sich so etwas erklären?

Duda: Frauen sehen oft auch die Schuld bei sich. „Es gehört mir, dass ich geschlagen werde. Ich habe viel falsch gemacht.“ Aber es gibt keinen einzigen Grund, eine Frau zu schlagen.

OÖN: An welches Schicksal erinnern Sie sich in all den Jahren besonders?

Duda: Grundsätzlich sind alle schlimm, aber es gibt vereinzelt Schicksale, die man sich ein Leben lang merkt. Ich erinnere mich an die Worte von Kindern. An einen Sohn, der gesagt hat: „Der Papa kriegt Augen wie ein Monster.“

OÖN: Sie sehen täglich Gewalt. Warum stumpft man da nicht ab?

Duda: Abstumpfen ist das falsche Wort. Man grenzt sich davon ab. Ich bin seit elf Jahren da. Die Erfahrung, die ich mitbringe, sehe ich als Bereicherung. Ich hoffe, dass ich nicht abstumpfe, sondern mich gut abgrenzen kann. Es gibt auch Supervision.

OÖN: Welche Reaktionen von Männern bekommen Sie im Frauenhaus mit?

Duda: Manche Männer entschuldigen sich mit Blumen. Manchmal glaube ich, dass es ihnen leid tut. Sie versprechen, dass sie es ernst meinen. Aber sie haben keine andere Strategie Konflikte zu lösen, außer Gewalt.

 

„Keine Frau soll sich mehr Gewalt zufügen lassen“

Die Leiterin des Welser Frauenhauses, Sonja Duda, hat große Ziele: Einerseits soll einmal jeder wissen, dass es in Wels ein Frauenhaus gibt. Das andere ist ihre persönliche Vision: „Keine Frau soll sich mehr Gewalt zufügen lassen.“ Die 37-Jährige begann gleich nach ihrem Soziologie-Studium an der Linzer Johannes Kepler Uni im Frauenhaus zu arbeiten. Im März 2007 übernahm sie die Leitung von Eva Bräuer. Insgesamt arbeiten vier Vollzeitkräfte im Frauenhaus: zwei Soziologinnen, eine diplomierte Sozialarbeiterin und die wirtschaftliche Leiterin. Eine große Herausforderung für ihre Organisation wird der Umgang mit den finanziellen Ressourcen sein. „Im Sozialbereich wird immer wieder gekürzt.“ Sie und ihr Team bieten rund um die Uhr Schutz für Frauen mit ihren Kindern, die Formen häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Die Beratung ist anonym und kostenlos. Zimmer im Frauenhaus kosten zwischen 4 und 5,50 Euro pro Tag. Mit den Frauen wird ein Erstgespräch geführt, ihre Situation wird besprochen. Sie können bleiben, bis sie wieder Schutz im Leben haben.

Tel. Frauenhaus: 0 72 42 / 67 851

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28. März 2024