Sechsköpfige Familie abgeschoben: "Sie wurden behandelt wie Verbrecher"

Von Philipp Hirsch   09.Oktober 2018

Rechtlich ist die Sache klar. Familie G. aus Tschetschenien hatte in Österreich um Asyl angesucht. Seit Dezember 2014 wartete sie auf eine Entscheidung der Behörden. In zweiter Instanz bestätigte schließlich das Bundesverwaltungsgericht vor wenigen Monaten, dass die Familie Österreich wieder verlassen muss. "Das ist eine Entscheidung des Rechtsstaats, die es zu akzeptieren gilt", sagt Wartbergs Bürgermeister Franz Karlhuber (VP).

Dennoch ist bei manchen Wartbergern der Ärger über die Abschiebung groß. Sie kritisieren die Art, wie die Polizei die sechsköpfige Familie mit der im sechsten Monat schwangeren Mutter am 1. Oktober ohne Vorwarnung aus Wartberg abgeholt hat.

"Entsetzt" über Vorgehen

Anke Bähr kümmert sich gemeinsam mit rund drei Dutzend anderen Ehrenamtlichen im Verein "Vielfalt für Wartberg" seit Jahren um die Flüchtlinge, die im Caritas-Gästehaus untergebracht sind. Sie ist über das Vorgehen der Exekutive entsetzt: "Vier Polizisten haben die Straße gesperrt, und zwei Beamte haben die Familie aufgefordert, mitzukommen. Mitnehmen durften sie nur das Nötigste. Zum Packen haben sie ihnen lediglich ein paar Minuten Zeit gegeben. Sie wurden behandelt wie Verbrecher."

Ihre Mobiltelefone mussten die Eltern den Polizisten aushändigen: "Ich glaube, die Polizei wollte verhindern, dass sie noch irgendjemanden informieren können", sagt Bähr.

Nachsatz: "Wenn wir davon gewusst hätten, hätten wir zu verhindern versucht, dass sie einfach so mitgenommen werden."

Nach dem negativen Asylbescheid hatte Familie G. sogenannte Rückkehrhilfe beantragt. Das Ende dieses Verfahrens wollten die Asylbehörden nun offenbar nicht mehr abwarten. Familie G. wurde noch in der Nacht des 1. Oktober nach Wien gebracht. "Die Beamten haben ihnen nicht gesagt, wo sie hingebracht werden", berichtet Bähr.

In Wien angekommen, gestattete die Polizei der Mutter ein einziges Telefonat. Sie rief Bähr an und berichtete, dass sie keine Ahnung habe, wo man sie hingebracht hat. Nach aufwendiger Recherche konnte Bähr herausfinden, dass man Familie G. in eine Unterkunft in Wien-Simmering gebracht hatte. Bereits am nächsten Tag machte sich Bähr auf den Weg dorthin: "Es war dort wie in einem Gefängnis."

Sie gab den Eltern noch ein wenig Geld mit und verabschiedete sich. Bereits 24 Stunden später startete der Abschiebeflieger nach Moskau.

Gestern organisierten die ehrenamtlichen Helfer eine Mahnwache für die Familie vor dem Gästehaus. Für Bähr steht fest: "Wir dürfen nicht zulassen, dass mit Flüchtlingen so umgegangen wird."