Erfolgreiche Sucht-Therapie am Bauernhof

Von Michaela Krenn-Aichinger   10.Oktober 2014

Die Sozialorganisation "pro mente OÖ." feiert heute das 50-jährige Bestehen. Als eine ihrer Vorzeigeeinrichtungen gilt die Therapiestation Erlenhof in einem Vierkanter in Prambachkirchen für Drogen-, Medikamenten- und Alkoholabhängige, die ihre Suchtkrankheit zum Stillstand bringen und ohne Drogen leben wollen. Auch Mütter mit Kindern bekommen dort im gesicherten Rahmen und im Schutz der ländlichen Umgebung professionelle Hilfe. Leiter Peter Klaus Olbrich erklärt im Interview, warum er auch zwei Mitarbeiter mit früherer, eigener Drogenerfahrung in seinem Team hat, und mahnt vor allzu leichtfertigem Umgang mit Drogenersatz-Programmen.

 

Welser Zeitung: Sie arbeiten seit 1986 mit Drogenabhängigen, was hat sich in dieser Zeit im Konsumverhalten verändert?

Peter Klaus Olbrich: Vor 25 Jahren haben viele den Drogenkonsum als eine Alternative zum bürgerlichen Leben verstanden. Sie konnten besser damit umgehen, waren psychisch gesünder. Heute sind die Verfügbarkeit und das Angebot viel größer. Bei Crystal Meth kommen die Konsumenten in erstaunlich kurzer Zeit zu Schaden, verlieren ihre Merkfähigkeit, können keine klaren Gedanken mehr fassen, kein Wunder, wenn sie oft fünf bis sechs Tage hintereinander nicht geschlafen haben.

Jene, die sich für die Therapie am Erlenhof entscheiden, bekommen keine Drogenersatztherapie, wollen ohne Suchtmittel leben. Wie viele schaffen das?

Etwa ein Drittel schafft es, ganz ohne Drogen zu leben oder greift nur mehr gelegentlich zu Drogen. Sie erzielen wesentliche Verbesserungen bei wichtigen Parametern, die zu einem erfüllten Leben dazugehören, haben eine Partnerschaft, Familie, eigene Wohnung und einen Job. Ein Drittel kann etliche dieser Parameter verbessern, der Rest kehrt wieder zum alten Lebensstil zurück. Es gibt internationale Studien, die besagen, dass nur drei bis zehn Prozent ihr Drogenproblem dauerhaft in den Griff bekommen.

Da völlige Suchtmittelfreiheit nur sehr wenigen gelingt, wurde Ende der 80er Jahre mit der Substitutionstherapie begonnen. Wo liegen die Gefahren?

Das Pendel ist jetzt ein Stück weit vom Ziel der Abstinenz in die Gegenrichtung ausgeschlagen. Betroffene berichten uns, dass es unglaublich leicht ist, in Substitutionsprogramme hineinzukommen oder sie sogar dazu gedrängt werden, Ersatzdrogen zu nehmen. So dürfe sich die Gesellschaft nicht wundern, das das Drogenproblem nicht zurückgeht oder sogar größer wird. Viele lassen sich von den Ärzten zu hoch einstellen und verkaufen die Drogen dann weiter.

Wie läuft die Therapie am Erlenhof ab?

Die Leute kommen erst zu uns, wenn sie den körperlichen Entzug hinter sich haben. Wir haben 22 Therapieplätze. Unser Team besteht aus Psychotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern und Mitarbeitern in der Arbeitsassistenz. Wichtig ist uns, dass die Klienten voneinander lernen. Von jemandem, der dieselbe Geschichte hat, lässt man sich leichter etwas sagen, beispielsweise, wenn einer Abbruchgedanken hat. Wir haben auch zwei Mitarbeiter, Ex-User, im Team, die auch ihre Therapie am Erlenhof gemacht haben, die haben in ihrer Glaubwürdigkeit eine ganz andere Position. Wichtig ist auch die Abgeschiedenheit des Hofes, hier kommen sie an keine Drogen.

Wie gut funktioniert die berufliche Integration ehemaliger Drogenabhängiger?

Wir haben in Eferding Wohngemeinschaften, wo es um die berufliche und soziale Integration geht, wir haben eine Jobtrainerin, die berufliche Perspektiven am ersten, zweiten und dritten Arbeitsmarkt ermöglicht.

Der Erlenhof ist 1998 von Enns nach Prambachkirchen ins adaptierte Gut "Wiesinger z´Taubing" übersiedelt. Wie groß waren und sind die Ängste der Bevölkerung?

Wir haben intensiv informiert, natürlich war die Angst groß. Es gab Befürchtungen, dass die Kinder mit Drogen in Kontakt kommen, Kriminalität und Drogenhandel in Prambachkirchen einziehen werden. Der Bürgermeister hat uns damals sehr unterstützt. Wir machen auch jetzt noch regelmäßig einen Tag der offenen Tür. Dort sehen die Besucher, dass die Bewohner clean sind. Ich höre dann oft Aussagen wie: "Das sind ja ganz normale Menschen wie wir." Großes Verständnis gibt es von Seiten des Kindergartens und der Schule, die jederzeit Kinder von Müttern aufnehmen, die bei uns einen Therapieplatz bekommen haben.

Persönlich

Ursprünglich wollte Sozialarbeiter und Psychotherapeut Peter Klaus Olbrich nur zwei Jahre in der Suchtarbeit bleiben, mittlerweile sind daraus 28 Jahre geworden, in denen sich der Linzer um Drogenkranke annimmt. In Europa und in den USA sammelte der Experte viele Ideen und reicherte das Konzept der Therapiestation Erlenhof mit neuen Behandlungskonzepten an. Er nimmt sich alle paar Jahre regelmäßige Auszeiten von drei bis sechs Monaten, um weiterhin Energie für den aufreibenden Job zu haben.