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"Aids ist so verbreitet wie bei uns ein Schnupfen"

Von Erik Famler   03.April 2015

In ihrem Urlaub reiste die Allgemeinmedizinerin Nicole Strasser nach Afrika. In Uganda arbeitete die Eberstalzellerin vier Wochen in einer Gesundheitsstation unter Aidskranken und Malaria-Patienten.

 

Was war Ihr Motiv, den gesamten Jahresurlaub als Ärztin in Afrika zu verbringen?

Nicole Strasser: Ich wollte immer schon in einem Entwicklungsland arbeiten. Bei einschlägigen Hilfsorganisationen musst du dich für drei bis sechs Monate verpflichten und bekommst in dieser Zeit kein Gehalt. Das war mir dann doch zu viel des Guten. Ich nutzte die Möglichkeit über die Welser Kreuzschwestern, deren Mutterorden in Uganda zwei Gesundheitszentren betreibt.

Wie ging es weiter?

Ich bin, nachdem alles fixiert war, ins Flugzeug gestiegen. Als ich um vier Uhr früh in der Hauptstadt Kampala landete, war weit und breit niemand, der mich vom Flughafen abholte. Als um acht Uhr noch immer keiner da war, wurde ich nervös. Um 8.45 Uhr kam dann endlich jemand. In Afrika sind Terminvereinbarungen sinnlos, weil sie nicht eingehalten werden.

Wo waren Sie untergebracht?

Ich lebte in einem Kloster, das 70 Kilometer von Kampala entfernt war. Ich habe privilegiert gelebt, hatte ein eigenes Zimmer, meistens Strom und fließendes Wasser. Im Gesundheitszentrum war ich die einzige Ärztin. Ein Clinical-Officer leitete die Station. Diese Leute machen nach der Highschool eine vierjährige Ausbildung. Danach übernehmen sie ähnliche Tätigkeiten wie bei uns ein Allgemeinmediziner. Ich war überrascht, was sie alles machen. Der Officer durfte auch Curettagen vornehmen. Ein solcher Eingriff wäre einem Praktiker in Österreich nicht erlaubt.

Mit welchen Krankheiten waren Sie konfrontiert?

Wir hatten sehr viele Infektionskrankheiten, viele Tropenkrankheiten, Malaria, Typhus. Aids ist weit verbreitet. Der HIV-Virus ist dort so häufig wie bei uns ein Schnupfen. Die Regierung zahlt den Aidskranken Medikamente. Für alles andere muss man selbst aufkommen. Auch für das Essen im Krankenhaus. Alles muss von der Familie organisiert werden.

Gab es auch Sterbende, die Sie betreuten?

Nein, das Zentrum ist ausgerichtet wie eine Hausarztpraxis. Patienten, bei denen eine akute Lebensbedrohung festgestellt wird, müssen in ein richtiges Spital verlegt werden. Wie schwierig sich dort alles gestaltet, lässt sich an einem Beispiel erläutern. Wir hatten eine typhuskranke Frau. Sie bekam alle Medikamente, doch ihr Zustand verbesserte sich nicht. Deshalb musste sie verlegt werden. Als sie am nächsten Tag noch immer da war, habe ich mich gewundert und nachgefragt. Obwohl es bei ihr um Leben oder Tod ging, musste zunächst die Finanzierung geklärt werden. Es ist auch nicht so wie bei uns, dass sofort die Rettung da steht. Dort dauert das mitunter mehrere Tage.

Wenn man mit solchen Eindrücken nach Hause kommt. Mit welcher Einstellung geht man dann an die Arbeit?

Ich hatte am Tag nach meiner Ankunft Praxisvertretung. Mein erster Patient war ein junger Mann, der beklagte, dass seine Freundin seit vier Tagen ein Blaserl auf der Zunge hat. Da wusste ich, ich bin wieder da. Ich persönlich würde um zwei Uhr in der Nacht keinen Arzt bemühen, wegen einem Blaserl auf der Zunge. Nach dieser Vertretung hatte ich Nachtdienst im Welser Klinikum. Da kamen junge Leute wegen Husten und Halsweh mit der Rettung. Bei uns schenken die Pharmafirmen alle möglichen Proben her. In Afrika, wo solche Medikamente gebraucht werden, gibt es das nicht. Da macht sich keine Pharmafirma die Mühe, Medizin gratis zur Verfügung zu stellen. Das stimmt mich nicht nur traurig. Es ist auch hochgradig ungerecht.

Würden Sie wieder nach Afrika gehen?

Ja, ganz sicher. Jetzt ginge es auch mit dem Organisieren viel leichter. Ich könnte sogar meine Familie mitnehmen.

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24. April 2024