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Als Herr Advent zu Besuch kam

Von Roswitha Fitzinger   20.Dezember 2014

Ich seh’ ihn heute noch vor mir, den wunderschönen Puppenwagen mit einer Puppe drin." Ein Korbwagen sei es gewesen, ein eleganter. "Meine Geschwister bekamen Skier. Ich hab sie sehr beneidet." 74 Jahre sind diese Erinnerungen alt. Die Bilder und Gefühle von damals sind nach wie vor präsent. Sechs Jahre zählte Anneliese Ratzenböck damals.

Als Herr Advent zu Besuch kam

(privat)

 

Gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrer Schwester wuchs die heute 80-Jährige in Bruck an der Aschach im Hausruckviertel auf. Der Vater war Lehrer, die Familie wohnte in der Schule, einem alten Wasserschloss mit vielen geheimnisvollen und versteckten Ecken und Winkeln. "Zumindest ein kleines Spielzeug lag in den Kriegs- und Nachkriegsjahren immer unterm Weihnachtsbaum", sagt sie, nicht wissend, wie ihre Mutter das vollbracht habe: "Wahrscheinlich über zig Tauschgeschäfte."

Es waren karge und entbehrungsreiche Jahre, in denen nicht nur die Geschenke, auch die Bratwürstl an Heiligabend etwas Besonderes und keine Selbstverständlichkeit waren. Sie sind ebenso unvergessen wie die heimlichen Griffe in die Keksdose. Wie damals üblich, kam das Weihnachtsgebäck erst am 24. Dezember auf den Tisch. "Meine Geschwister und ich haben gedacht, das fällt nicht weiter auf, aber natürlich hat es meine Mutter bemerkt – und stillschweigend hingenommen."

Die Weihnachtsrituale hatten damals bereits ihren festen Platz in der Familie. Das festlich geschmückte Wohnzimmer, das an Heiligabend ausnahmsweise geheizt worden war, zählte ebenso dazu wie der große Christbaum, der vom immer gleichen Bauern stammte. Besagter Landwirt hat sich im Gedächtnis von Anneliese Ratzenböck eingebrannt. War er es doch, der ihren Glauben an die Existenz des Christkinds nachhaltig erschütterte. "Eines Tages stand er vor der Tür, und ich hörte, wie er sagte: Den Christbam hob i do." Da habe es ihr gedämmert, erinnert sie sich.

Auch die Ankündigung, dass nun bald der Advent komme, löste bei der kleinen Anneliese eine ganz eigene Vorstellung aus. "Ich dachte, wir bekommen Besuch von einem Herrn Advent, eine Art Engel", sagt sie und lacht über ihre kindliche Fantasie, die nicht vergessen, aber längst Schnee von gestern ist.

Alle Jahre wieder

Und wie feiert man heute in der Familie Ratzenböck Weihnachten? Im Kreise der ganzen Familie. Auch wenn die Enkel mittlerweile bereits erwachsen sind, wird der Heilige Abend gemeinsam verbracht. "Eigentlich haben wir viel von damals herübergerettet in unsere Familie", sagt sie. Die drei Lieder etwa, die an Heiligabend seit jeher gesungen werden – angefangen von Oh Tannenbaum über Ihr Kinderlein kommet bis hin zu Stille Nacht. Zum Leidwesen der männlichen Familienmitglieder, die auch heute noch ungern mit einstimmen würden, sagt sie und grinst. Manches ändert sich eben nie. Auch das Glöckchen von damals, mit dem in Kindheitstagen das Christkind angekündigt wurde, gibt es noch. Etwas Patina hat es schon angesetzt, aber das macht nichts. Wie zu jedem Weihnachtsfest wird es auch in diesem Jahr hervorgeholt werden.

"Wir haben auch ganz bewusst die Geschenkeflut eingedämmt", sagt die vierfache Großmutter. Ein kleines Packerl für jeden mit etwas Nützlichem, das sei alles. Dafür leiste man sich seit Jahren eine Skiwoche gemeinsam mit Kindern und Enkelkindern.

Das einzige Zugeständnis, das sie mache, so die 80-Jährige, sei der Weihnachtsbaum. "Der wird jedes Jahr ein bisschen kleiner. Mein Sohn sagt immer, wenn du einmal nicht mehr kannst, mach ich ihn. Aber noch kann ich."

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29. März 2024