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Warum Superhelden die Welt nicht retten

04.April 2020

Publizistin und Philosophin Lisz Hirn aus Wien arbeitet in der Jugend- und Erwachsenenbildung und lehrt "Philosophische Praxis" an der Universität Wien unter Leitung von Konrad Paul Liessmann. Sie ist Obfrau des Vereins für praxisnahe Philosophie und im Vorstand der Gesellschaft für angewandte Philosophie.

In Krisenzeiten steige die Sehnsucht nach Superhelden, schreiben Sie in Ihrem neuen Buch. Welche meinen Sie? Superman ist ja tot ….

Hirn: Totgesagte leben länger. Die Idee der "Supermännlichkeit", die uns medial oder politisch vermittelt wird, ist quietschlebendig. Es ist kein Zufall, dass sich beispielsweise Donald Trump mit Superman vergleichen lässt. Er ist ein gutes Beispiel dafür, warum und wie uns allen diese Art von "Supermännlichkeit" gefährlich werden kann.

Warum genießen solche Leute einen teilweise so hohen Stellenwert? Was tun sie wirklich für uns und was nur vermeintlich?

Sie machen sich die Idee des "Supermannes", die ja so eine gesellschaftlich wirkmächtige Fantasie ist, politisch zunutze. Der Wunsch nach einfacheren Antworten, schnellen Lösungen und hartem Durchgreifen steigt in Zeiten von Krisen immer. Die eigenen Ängste unter Kontrolle zu halten, erfordert allerdings einen hohen Energieaufwand und ein großes Maß an Selbstreflexion von jedem Einzelnen.

Zeigt die herrschende Krise wie durch eine Lupe, dass die Helden machtlos sind, dass sie wie der Kaiser im Märchen eigentlich nackt dastehen? Siehe Boris Johnson ...

Oder auch Trump, Putin oder Lukaschenko, der Wodka gegen das Virus empfiehlt. Pandemie, Klimakrise, Migration haben eines gemeinsam: Nicht einmal unsere Superhelden könnten uns davor retten! Im Moment zeigt sich, wie hilflos und unvernünftig Populisten im Angesicht solcher Krisen agieren. Jedoch könnte es ein böses Erwachen nach der Krise geben. Eine bedrohliche ökonomische Situation, Unzufriedenheit und Unsicherheit könnten diesen "starken" Männern und ihren Interessengruppen wieder Auftrieb verleihen.

Wenn nicht sie, die alten Helden, werden dann neue Helden den Planeten retten?

In unserer Vorstellung muss immer jemand den Planeten retten, aber ist es nicht vielmehr so, dass es um das Überleben der Menschheit geht? Es ist aber durchaus sinnvoll, sich anzuschauen, von wem wir gerettet werden wollen. Unsere Superhelden zeichnen sich ja nicht durch Intelligenz, sondern durch körperliche, aber auch moralische Überlegenheit aus. Das ist aber auch das Problem: Sie helfen niemals, das System wirklich zu verbessern, zu verändern oder gerechter zu machen, sondern sie machen simple Symptombekämpfung.

Sehen Sie die Demokratie durch die derzeitige Einschränkung der Freiheit längerfristig gefährdet?

Eine Gesellschaft im Ausnahmezustand ist nicht frei. Versammlungen, Demonstrationen, Wahlen etc. sind derzeit nicht möglich, aber Grundpfeiler einer gelebten Demokratie. Entscheidend ist, wie lange die Einschränkungen dauern und wie schnell wieder wichtige demokratische Player und die Zivilgesellschaft als Ganzes reaktiviert werden können. Immerhin klopfen auch noch andere Probleme wie die Klimakrise, Migration und Flucht an unsere Tür.

Was sagen Sie Leuten, die nachvollziehbar Angst haben in diesen Tagen?

Angst ist nicht das Problem, die kann sogar lebensrettend sein, wenn man die richtigen Maßnahmen ergreift. Gefährlich wird Angst erst, wenn sie sich in Panik verwandelt. Denn Panik und Vernunft schließen einander aus.

Welchen Lehren sollten wir – als Menschheit – aus der Coronakrise ziehen?

Die Menschheit ist ein großer Begriff. Bleiben wir bei dem, was wir gerade jetzt als einzelne Menschen erleben können. So ist innerhalb kürzester Zeit deutlich geworden, dass der Individualismus an seine Grenzen stößt, wenn wir es mit einer Krise wie dieser zu tun bekommen. Einzelne können solche Probleme nicht lösen, es braucht Kooperation und Solidarität. Diese Einsicht – auch für die Zeit danach – zu bewahren, hielte ich für einen guten Anfang. (but)

Lisz Hirn: "Wer braucht Superhelden?": Molden Verlag, 160 Seiten, 22 Euro

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