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Von Singvögeln und Menschen

28. September 2019, 00:04 Uhr
Von Singvögeln und Menschen
Organismus-Systembiologin Sonia Kleindorfer im Kreise der gefiederten Forschungsobjekte im Almtal Bild: OÖN/but

Im Almtal wird ein frischer Blick auf die Evolution geworfen: beim heurigen Biologicum in Grünau und in der Forschung von Konrad-Lorenz-Nachfolgerin Sonia Kleindorfer.

Sie ist die noch junge Mutter der berühmten Grünauer Graugänse. Sonia Kleindorfer (53) leitet die Konrad Lorenz Forschungsstelle der Uni Wien im Almtal seit November 2018. Heuer spricht die Biologin und Ornithologin erstmals beim Biologicum Almtal, dem mittlerweile sechsten Symposion für aktuelle Sichtweisen auf die Mechanismen der Evolution (siehe Kasten).

OÖN: Das Biologicum verspricht einen frischen Blick auf die Evolution. Was ist denn am althergebrachten Blick Darwins falsch?

Der Blick ist nicht falsch. Darwins Fokus lag eingeschränkt auf der natürlichen und sexuellen Selektion von Individuen. Ein neuer Blick auf die Evolution misst die Signale der Selektion sowohl aus der vorhergehenden Generation (Epigenetik) als auch aus der Selektion, die entsteht, weil Individuen in Gruppen leben. Insofern ist unser Blick auf die Evolution erweitert – zeitlich und von den Einflussfaktoren her.

Vollzieht sich hier gerade ein Paradigmenwechsel?

Die Entwicklung geht hin zur Interdisziplinarität. Von der molekular-zellularen Ebene über die Komplexität des Individuums bis zu Populationen und Ökosystemen. Hinsichtlich der Mechanismen der Evolution – wie die Selektionsprozesse agieren und interagieren – ist es durchaus möglich, dass wir einen Paradigmenwechsel brauchen, um die verschiedenen Schichten der Komplexität zu verknüpfen. Es gibt zum Beispiel plötzlich auftretende Eigenschaften von Kollektiven. Gibt man bekannte Individuen in eine Gruppe, entsteht etwas Neues, das man aus den Eigenschaften der Individuen nicht hätte vorhersagen können. Das ist die Komplexität, die wir als Biologen jetzt begreifen müssen.

Braucht Evolutionsverständnis einen systemischen Ansatz?

Durchaus. Wir forschen nicht nur in der Genetik, sondern auch in der Epigenetik und an pränatalen Erfahrungen. Mein Forschungsbereich ist das akustische Umfeld und dessen Einfluss auf die Entwicklung des Nervensystems.

Das erinnert an die herumspukende Idee, Ungeborenen Mozart vorzuspielen …

Menschen und Singvögel haben erstaunlich ähnliche Gehirne. Es gibt nur sieben Tiergruppen, die vokales Lernen beherrschen; eine Form von Kultur: Singvögel, Papageien, Kolibris, Wale, Elefanten, Fledermäuse und Menschen. Jede Generation lernt die Sprache neu. Menschen und Singvögel haben einen Bereich im Gehirn, der für Lautverarbeitung zuständig ist und einen anderen für Lautproduktion. Beide sind mit Neuronen verbunden. Im menschlichen Baby, das ja noch nicht spricht, wird der Lautverarbeitungsbereich zuerst einmal mit den Lauten der Bezugspersonen formatiert. Diese Informationsstelle wird später mit der Lautproduktion verknüpft. Das Gleiche gilt bei den Vögeln. Brütet man Eier still im Labor aus, können die Vögel später nicht singen. Was meine Gruppe entdeckt hat, ist, dass dieses Lernen sehr früh beginnt. Wir haben gesehen, dass Weibchen zu ihren Eiern singen, obwohl dies das Risiko, von Räubern entdeckt zu werden, erhöht. Wir haben Gelege ausgetauscht und konnten nachweisen, dass die Küken dann den Ruf der Ziehmutter produzieren. Das heißt, dass die Lautäußerung gelernt ist und nicht genetisch festgelegt. Dann haben wir anhand von Magnetresonanzuntersuchungen an den Eiern festgestellt, dass sich die Gehirne anders entwickeln, wenn sie keine elterlichen Rufe erfahren haben. Sie waren asymmetrisch, kleiner und hatten weniger Protein im Areal der Lautverarbeitung.

Lässt sich diese Erkenntnis auf Menschen umlegen?

Wir wissen, dass menschliche Embryos sehr wohl eine Wahrnehmung haben für menschliche Sprache. Neugeborene zeigen eine Präferenz für die Sprache, mit der sie Erfahrung haben – gemessen an der Nuckelintensität. Hier tut sich meines Erachtens eine Möglichkeit auf, mit der Stimme der Eltern Frühgeborene zu fördern. Diesbezüglich bin ich derzeit auf der Suche nach Forschungskooperationspartnern.

Mozart oder Schönberg für das neugeborene Nachwuchsgenie?

Es gibt keinen Beweis – bei Singvögeln – dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Kognition und Sprachfähigkeit. Aber wir wissen, dass eine reiche pränatale Erfahrung mit Akustik die Persönlichkeit beeinflusst. Solche Jungvögel sind neugieriger und zeigen vermehrtes Explorationsverhalten, ohne bei Problemlösungen besser zu sein. Es gibt keine Evidenz, dass ein Vogel- oder Menschenbaby gescheiter wird, wenn man ihm Mozart oder Schönberg vorspielt. Spielt man jedoch Wachteln im Ei rhythmische Töne vor, steigert das ihre Leistungsfähigkeit nach dem Schlüpfen, spielt man ihnen hingegen Lärm vor, vermindert das die Gehirnorganisation. Wir Menschen – als vokal lernende Art – sollten unsere akustische Landschaft besser gestalten und genauer untersuchen. Viele unserer Leiden könnten daher kommen, dass wir in akustischer Armut leben oder überreizt sind vom Geräuschpegel.

Biologicum Almtal

 

„Warum wir so sind, wie wir sind“ lautet die Frage, die das heurige 6. Biologicum Almtal beleuchtet. Von 3. bis. 5. Oktober wird in Grünau mit Hilfe renommierter Expertinnen und Experten ein „frischer Blick auf die Evolution“ geworfen. Unter anderen tragen vor: Evolutionsbiologe Tecumseh Fitch (Uni Wien), Genetiker Markus Hengstschläger (Uni Wien), Genetikerin Eva Jablonka (Uni Tel Aviv), Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal (Uni Wien), Genetiker Johannes Krause (MPI Jena), Neuropsychologe Willi Stadelmann (CH), Wissenschaftskommunikatorin Theresa Bodner (Bangor Uni, GB) und Sonia Kleindorfer (Konrad Lorenz Forschungsstelle, Uni Wien). Erstmals findet ein „Junior Biologicum statt, das sich an die 9. Schulstufe richtet.

Nähere Informationen: biologicum-almtal.univie.ac.at

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