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Vom Statussymbol zur Volksdroge

Von Roman Sandgruber, 09. Februar 2019, 00:04 Uhr
Vom Statussymbol zur Volksdroge
Am Zuckerverbrauch konnte man vor 200 Jahren die gesellschaftliche Stellung ablesen. Bild: Colourbox.de

Am Zuckerverbrauch konnte man vor 200 Jahren die gesellschaftliche Stellung ablesen.

Vor 200 Jahren war süß für den Großteil der Österreicher noch eine nahezu unbekannte Geschmacksrichtung und Zucker eines der höchsten Statussymbole. Es war ein Essen ohne jede Süße, das damals in den meisten Haushalten auf den Tisch kam: Am Rohrzucker, der aus Indien oder Ägypten und später aus Brasilien und der Karibik importiert wurde, klebte das Blut der Sklavenarbeit. Auch Honig war teuer. Und da das Obst nicht wirklich süß war, sondern aus eher sauren und bitteren Mostäpfeln, Mostbirnen und Zwetschken bestand, die zu Most und Schnaps verarbeitet oder zu Dörrobst getrocknet wurden, hatte man kaum jemals die Möglichkeit, Süßes zu verkosten.

Am Zuckerverbrauch konnte man die gesellschaftliche Stellung ablesen. Die Habsburger und andere Oberschichten der Frühen Neuzeit liebten den Zucker und zuckerten im Übermaß. Entsprechend schlecht waren ihre Zähne. In der Wiener Hofburg gibt es bis heute eine Zuckerbäckerstiege, die noch etwas von der wichtigen Rolle der Zuckerbäcker in der Küchenhierarchie erahnen lässt, als der Oberstzuckerbäcker dreimal so viel verdiente wie die übrigen Spitzenköche. Zucker machte um 1800 unter den Ausgaben der Wiener Hofküche den größten Posten aus.

Der durchschnittliche Jahresverbrauch von Zucker im späten 18. Jahrhundert in Österreich wird auf etwa ein Viertelkilo pro Kopf der Bevölkerung geschätzt. Heute liegt er nahe bei 33 Kilogramm im Jahr. Erst mit der Erfindung der Rübenzuckerraffinierung im frühen 19. Jahrhundert wurde Zucker allmählich billiger, auch wenn er in vielen Arbeiter- und Bauernhaushalten noch vor 100 Jahren eine ausgesprochene Rarität darstellte, die es nur zu den festlichsten Anlässen gab. Alte Menschen erinnern sich da und dort noch an eine zuckerlose Kindheit: "Wie strahlten meine Augen, wenn meine Mutter einen ,Zuckerhut‘ heimbrachte … Naschereien gab es überhaupt nicht. Das war uns ganz fremd …"

Die Zuckerrübe machte den Zucker in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Alltagsprodukt und trug ganz entscheidend zum Wandel der Habsburgermonarchie vom Agrar- zum Industriestaat bei. Für den Großgrundbesitz war der Zuckerrübenanbau zu einem Motor des Fortschritts geworden. Die Habsburgermonarchie entwickelte sich zum größten Rübenzuckerproduzenten der Welt. Zucker wurde nicht nur der wichtigste Exportartikel, sondern durch die Zuckersteuer vor der Einführung der allgemeinen Umsatzsteuer auch einer der wichtigsten Quellen der Staatsfinanzen. Auch die beiden Weltkriege unterbrachen den Zuckerboom nur kurz. Der Rübenzucker und die Wohlstandsgesellschaft haben unserer Gesellschaft die "Süße" gebracht, die in ihrem Übermaß aber längst zu einer gefährlichen Belastung geworden ist.

 

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz. 

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