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Franz Brunner: Wenn das Denken Pause macht

15.September 2020

Wenn das Denken Pause macht
Um Greta ist es ruhig geworden. Mag sie vielleicht nicht mehr, ist ihr die Umwelt plötzlich egal geworden? Ach wo, freut euch nicht zu früh, ihr Klimaschädlinge. Sie nutzt die CORONA-Einschränkungen, um ihre Lerndefizite aufzuarbeiten. Immerhin hat sie so manchen Freitag und noch mehr geschwänzt, das kann nicht spurlos an einem jungen Menschen vorüberziehen. Ich habe, Sommerpause hin oder her, zwischenzeitlich trotzdem nachgedacht. Über die Gegenwart und die Zukunft, die Vergangenheit versuchte ich so gut wie möglich auszuschalten, ging aber nicht, da ist zu viel vorgefallen, mit dem wir heute und in Zukunft zu kämpfen haben. Doch wie geh‘ ich's an, um weiterhin zum Mitdenken anzuregen? Erste Möglichkeit: Ich provoziere. Und los geht's.
Es gibt Mitbürger, deren Intelligenz mit der eines Pflastersteins durchaus vergleichbar ist. Nicht dass Sie glauben, ich hätte was gegen Pflastersteine, die erfüllen schon brav ihre Funktion. Und die übernehmen sich außerdem nicht, die machen genau das, wofür sie geschaffen wurden. Nein, die Menschen sind das Problem, da bezweifle ich schon sehr, ob ihr Tun mit ihrer Bestimmung einhergeht. Und das, meine ich, ist sehr wohl eine Frage der Intelligenz. Kein Affe würde den Baum, auf dem er sitzt, absägen. Und kein Fisch würde den See, in dem er sich tummelt, mit einer giftigen Brühe versauen. Aber wir, wir machen das, zuverlässig und todsicher.
Ich kann's nicht verhindern, gerade jetzt fällt mir dieser Burkhard ein. Es war kurz vor CORONA, Greta war gerade hochaktiv, ihre Themen in aller Munde. Ich zappte nach getaner, CO2-neutraler Gartenarbeit müde und mit dem verdienten Abend-Bier in der Hand durch die Fernsehlandschaft. Wahrscheinlich heißt der Typ gar nicht Burkhard. Ich nenne ihn trotzdem so, weil ich keine Burkhards mag. Besagter Mitmensch stand nach absolviertem Check-In gelöst in der Abflughalle des Flughafens herum. Neben ihm seine Thusnelda, die sicher auch nicht so heißt, aber ich mag auch keine Thusneldas und bestrafe die Dame mit dem aufdringlichen Ohrgehänge mit diesem Namen.
In den Medien wurde in diesen Tagen wieder einmal heftig über den CO2-Ausstoß von Flugzeugen, über die Ticketpreise und über die moralische Vertretbarkeit von Flugreisen diskutiert. So wurde Burkhard zufälligerweise von einem TV-Team auserkoren, dazu Stellung zu nehmen und gefragt: Haben Sie denn kein schlechtes Gewissen, angesichts der drohenden Klimakatastrophe auf Urlaub zu fliegen? Und er gab tatsächlich Folgendes von sich: „Ich bin schon so alt, ich muss auf die Umwelt keine Rücksicht mehr nehmen.“ Fletschte seine neuen, wahrscheinlich schweineteuren Beißerchen und grinste blöd in die Kamera, um dann im Flugzeug zu verschwinden. Thusnelda grinste zustimmend und solidarisch mindestens genau so blöd, um dann ihrem Herrn und Meister albern kichernd in das Flugzeug zu folgen.
Ich saß da, sprachlos, beinahe atemlos, und versuchte vergeblich, Burkhards verbalen Furz zu verdauen. Holt den Typen doch aus dem Flieger und sperrt ihn irgendwo hin, dachte ich bei mir. Ich schämte mich, obwohl Fremdschämen sonst ja nicht meine Sache ist, im Moment konnte ich aber nicht anders. Hat der Mensch noch alle Tassen im Schrank? Unsere Teenies reißen sich für die Rettung der Erde, für ihre und unser aller Zukunft den Arsch auf, und der Typ getraut sich derartigen Stumpfsinn von sich zu geben. Mein Respekt vor der älteren Generation fiel gerade ins Bodenlose, sowas muss erst einmal verdaut werden.
Das war im Februar, jetzt haben wir September und urlaubstechnisch eine Durststrecke hinter uns. Wie wird es wohl Burkhard gehen, hat er was gelernt? Bei Thusnelda schließe ich das aus, da gibt's ein hinderliches Abhängigkeitsverhältnis. Aber haben wir was gelernt? Nein, so leid es mir tut, denn umgehend kam die Bestätigung: Wir sind so blöd wie vorher, vor CORONA. Der Grad der Dummheit ist dabei alters-, geschlechts- und kulturunabhängig, auch Bildung ist kein sicherer Schutz vor anhaltender Beratungsresistenz. Warum ich das weiß? Nun, ich bat vor einigen Tagen einen erfahrenen Rettungskollegen um Hilfe, mir war bei Durchsicht der Lehrunterlagen für die Sanitäter-Ausbildung eine Sache unklar, ich brauchte Rat.
Die Antwort: "Das haben wir immer so gemacht, das hinterfragen wir nicht. Da haben sich schon Gescheitere Gedanken dazu gemacht!" Bumm! Das hat gesessen. Meine Antwort bedeutete die Aufkündigung jeglicher brauchbarer Zusammenarbeit, von Freundschaft ganz zu schweigen: "Wenn das jeder so sehen würde wie du, lieber Mann, würden wir heute noch auf allen Vieren herumstreunen oder auf Bäumen leben oder Gras fressen. Prost, Mahlzeit, Herr Kollege."
Wollen Sie das wirklich? Auf allen Vieren herumkriechen und Gras fressen? Wenn nicht, dann hinterfragen Sie weiterhin frech und denken Sie quer, ob's anderen nun passt oder nicht. Es geht immerhin auch um Ihre Zukunft.
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