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Franz Brunner: Von Hänschen und Lieschen

02.Juni 2020

Von Hänschen und Lieschen.
Wo und wann hat Hänschen in der Schule gefehlt, dass er das nicht lernen konnte? Dass dann, wenn Hans zwei Bäume umhackt und er nur einen nachpflanzt, irgendwann die Rechnung nicht mehr stimmt. Es fehlen dann Bäume, und je mehr Hansens es gibt, umso mehr Bäume fehlen. Für unsereiner leicht nachvollziehbar, sollte man meinen. Vielleicht hat Hänschen auch gar nicht gefehlt, kann ja durchaus sein, dass ihm diese Rechnung gar nicht beigebracht wurde. Nein, ich will Lehrerinnen und Lehrern keinen Vorwurf machen, immerhin war ich lange genug Teil dieser Clique und weiß, dass die Grundrechnungsarten eifrig geübt wurden. Vermutlich war die Notwendigkeit, diese bei Bäumen anzuwenden, einfach nicht gegeben. Es gab mehr als genug davon, als Hänschen zur Schule ging. Und solide Vordenker waren oft nicht da oder zu wenig überzeugend.
All die Hansens der Welt mögen mir bitte verzeihen, aber mit Kevin, Marcel und Rene funktioniert die Metapher mit Hänschen nicht. Auch mit Yvonne und Jennifer nicht, mit Lieschen und Lisa allerdings schon, damit wir die Weibchen ebenso in die Verantwortung nehmen. Alsdann, packen wir uns geschlechterübergreifend an der Nase und stellen fest: da ist echt was schief gelaufen. Wie kommen wir da wieder raus? Nicht nur die Pädagogen, nein, wir alle als Gesellschaft, als zumindest theoretisch lernfähiges, soziales Gebilde. Man muss ja nicht gleich rotsehen, wenn von sozial die Rede ist. Wissen Sie's noch aus der Schule? Falls nicht, Wikipedia hilft uns beim Erinnern: "In der Umgangssprache bedeutet „sozial“ den Bezug einer Person auf eine oder mehrere andere Personen; dies schließt die Fähigkeit (zumeist) einer Person, sich für andere zu interessieren und sich einzufühlen mit ein. Aber es bedeutet auch, anderen zu helfen und eigene Interessen zurückzustellen." Kann man doch verstehen, oder? Allerdings geht es noch weiter, von hilfsbereit, höflich, taktvoll und verantwortungsbewusst ist die Rede. Oha, das klingt kompliziert, das ist sicher nicht machbar. Ist es aber trotzdem. Schließlich haben wir zu Beginn der COVID-Sache gezeigt, dass wir's draufhaben, dieses "sozial“ sein, hilfsbereit und gleichzeitig taktvoll sein.
Soziales Verhalten haben wir zudem alle als Kinder und Jugendliche gelernt. Im Grunde nichts als reine Physik, ein Gleichgewicht der Kräfte. Am Sozius mitfahren, sich dem Vordermann, meinetwegen der Vorderfrau anvertrauen, gemeinsam durch die vielen Kurven des Lebens zu steuern. Ich hab's tatsächlich erlebt, ach was, knapp überlebt habe ich es, dass die Person hinter mir nicht mitmachen wollte, sich aus Angst in die falsche Richtung lehnte. Vielleicht mangelte es auch nur an der Absprache, am gemeinsamen Ziel lag es nicht, wir wollten beide zum Traumstrand. Egal. Es ging gerade nochmal gut, wir sind immer noch (sehr gerne) verheiratet. Oder war's tatsächlich vor der Hochzeit? Oops, da war ich aber am Standesamt sehr optimistisch, dass die Sache gut gehen würde. Und gerade das brauchen wir jetzt: OPTIMISMUS! Wir müssen da irgendwie raus. Wir lassen uns gemeinsam in die Kurve, halten uns vertrauensvoll aneinander fest und siehe da: GESCHAFFT! Also, Hänschen und Lieschen, was gelernt? 
Wenn das Ziel das gleiche ist, wir einander vertrauen und es auch an Optimismus und Lebensfreude nicht mangelt, dann fehlt‘s vielleicht an der Technik, wenn wir irgendwo reinschlittern. Die Übung macht den Meister, also üben wir uns über die Krise hinaus, schwierige Dinge gemeinsam anzupacken. Und schwierig wird sie allemal, die allernächste Zukunft. Für die Familien, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft insgesamt. Etablierte Systeme, Wertvorstellungen und eingefahrene Verhaltensweisen, Regierungen und Krisenmanager stehen derzeit auf dem Prüfstand. Was können wir als Normalverbraucher zur Lösung beitragen? Seicht diskutieren, niveaulos kritisieren und mit verbalen Furzen im Schutzmantel der Anonymität in den Medien kommentieren? Um Normalität ging's vor wenigen Wochen in dieser Kolumne. Geistig furzen scheint der Normalität schon wieder sehr nahezukommen. Wollen Sie wirklich so normal sein und da mitstinken? Versuchen wir's doch anders, lasst uns optimistisch, rücksichtsvoll und hilfsbereit sein, wieder gemeinsam die Kurven nehmen. Zeigen wir Hänschen und Lieschen, wie es geht, damit diese als Hans und Lisa beweisen können, was sie von uns gelernt haben.
Mehr Texte unter www.franzbrunner.at
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