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Ehrengruft für Nazi-Mordopfer nach 79 Jahren

Von Hannes Fehringer   17.Juni 2019

Beim Wiederaufbau drei Jahre nach Kriegsende hatte man im Rathaus andere Sorgen, auch an die Gräuel in der Vergangenheit wollte kaum jemand erinnert werden: 800 Urnen mit der Asche von KZ-Häftlingen, deren Leichen während der NS-Zeit im Steyrer Krematorium verbrannt wurden und die man in einem Schuppen gefunden hatte, wurden am Friedhof in einer Gemeinschaftsgruft eingemauert.

Dass in Steyr nur wenige Monate nach dem "Anschluss" an das Dritte Reich bereits die Leichen von 4.585 Häftlingen des KZ Mauthausen und dessen Nebenlagern in Steyr-Münichholz, Ternberg und Großraming verbrannt wurden, darüber ließ man Gras wachsen. Jedenfalls wusste später niemand mehr, wo sich die in Gemeinderatssitzungen protokollierte Gruft mit den Urnen ermordeter Nazi-Opfer befinden soll. Eher zufällig entdeckte man vor acht Jahren die Grabkammer, als ein Asphaltweg bei einer Baustelle am Friedhof aufgegraben werden musste.

Für das Steyrer Mauthausen-Komitee war dies der Beginn vieler Nachforschungen. Endlich konnten auch Anfragen wie jene von Marek Ormicki aus Dänemark behandelt werden, der nach dem Verbleib seines Großvaters Wiktor Ormicki, eines Geografieprofessors der Krakauer Jagellonen-Universität, forschte, der wie viele Intellektuelle nach dem Überfall der Wehrmacht deportiert wurde.

Das Mauthausen-Komitee Steyr konnte sich wenigstens für die 800 unter dem Asphaltweg gefundenen Urnen auf den Weg machen, die Schicksale zu erforschen, die die Menschen erlitten haben, auf deren sterbliche Überreste man gestoßen war. "In 84 Fällen ist es uns gelungen, die Namen zuzuordnen", sagt Karl Ramsmaier, Obmann des Mauthausen-Komitees.

Das Innenministerium, zuständig für die Kriegsgräberfürsorge, ließ unterdessen die ausgegrabene Gruft mit Granitplatten abdecken. Dann teilte das Ministerium mit, dass es das Gesetz verbiete, dass Friedhofsbesucher weiter über das Grab der ermordeten KZ-Häftlinge schritten und schlug eine Verlegung der Gruft in einen hinteren Teil des Friedhofes vor. "Damit wäre das Schicksal der KZ-Häftlinge wieder aus dem Blickfeld verschwunden", begründet Ramsmaier die Bedenken, die das Komitee gegen diese Lösung vorbrachte.

Vergangenen Freitag wurde nun im Urnenfriedhof an der Fundstelle ein Grabmal mit fünf Stelen mit allen Namen der 84 bestatteten KZ-Opfer enthüllt. Architekt Bernhard Denkinger verwies darauf, dass das Grabmal ein Störfaktor für die Friedhofsbesucher darstelle, da diese um es herumgehen müssten: "Diese Verstörung soll bewusst machen". Damit der Umweg für die Passanten möglich wurde, hat die Friedhofsverwaltung zwei Urnengräber im Einvernehmen mit den Hinterbliebenen verlegt. Die Redner würdigten die Bedeutung der Grabstätte als Mahnmal vor Diktatur und Rassenwahn. Für Marek Ormicki war es der Tag, an dem vieles gut wurde: Sein Großvater habe nach einer Häftlingsnummer seinen Namen zurückbekommen, die Erinnerung an ihn sei nicht mehr gelöscht, weil der Name mit einem Laserstrahl in eine Stahltafel geritzt wurde. Zum Abschied dankte er Ramsmaier: "Das war das erste Begräbnis für meinen Großvater."

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