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Astrid Miglar: Himmel und Hölle sitzen mir im Gnack

18. September 2020, 11:15 Uhr
Astrid Miglar
Astrid Miglar aus Reichraming (privat)

REICHRAMING. Astrid Miglar schweift in ihren Gedanken heute ein wenig ab und landet bei der Weltherrschaft. Als Antwort auf Franz Brunners würzigen Wortwechsel vom Dienstag.

Himmel und Hölle sitzen mir im Gnack!

Ich liebe die Natur. Ich habe eine dezent-böse Ader. Mehrmals schon habe ich gestanden, dass ich die Weltherrschaft an mich reißen will. Fragt man mich, „Wo siehst du dich in zehn Jahren?“, grinse ich arglistig und verweise auf obige Zeile. Weltherrschaft! Nun übt diesen Job bereits jemand aus. Jemand, der im Allmächtig-sein unendliche Erfahrung besitzt. In diese Fußstapfen zu treten, ist keine einfache Angelegenheit, also frage ich ungestüm in der Pressestelle von >Allmacht & Widersacher< an, ob ein Informationsgespräch möglich sei, womöglich sogar eine Art Schnupperlehre? Im Hinterkopf liebäugle ich mit dem Titel >Weltherrscherin<.

Eine Anrede, mit der sich leben lässt. Ich möchte diese Berufsbezeichnung unbedingt in meinem CV aufnehmen. Ich habe gegoogelt. CV heißt Curriculum Vitae. Die noblere Variante für Lebenslauf.

Ich bekomme einen Gesprächstermin bei Allmacht & Widersacher. Dreißig Minuten. Empfangen werde ich von einer göttlichen Schönheit, deren Optik mich blendet. Sie grüßt, nimmt mir gegenüber Platz, betrachtet mich belustigt. Ich soll wohl eine Einweisung erhalten.

„Wie stellen Sie sich eine Weltenherrscherin vor?“ Sie sieht mich entspannt an. Ich bin verblüfft. Gleich die erste Überraschung. Weltenherrscherin. Sie spricht nicht nur von einer Welt, sondern von vielen. Ich bin beeindruckt, versuche lässig zu wirken und lege los. „Sie ist stolz und unbegreiflich, liebevoll, wütend und friedlich. Außerdem ungerecht, respektvoll und niemals bescheiden. Gelegentlich gnädig. Selten duldsam. Manchmal großzügig, meist jedoch unberechenbar.“ Ich zucke scheinbar abgeklärt mit den Schultern.

„So ist Allmacht eben. Ich glaube, dass gut eingearbeitete Allmacht all ihre Charakterzüge locker an einem Tag ausspielen kann. Böse Zungen würden behaupten, dass nur Bruchteile von Sekunden zur Ausübung von Allmacht in all ihrer Urgewalt nötig sind.“ Ich schweige und erwarte den allmächtigen Blitzschlag, der mich vermutlich gleich treffen wird. Vielleicht werde ich gen Hölle befördert oder was immer als Bestrafung für meine frevelhaften Worte vorgesehen ist. Die junge Schönheit schmunzelt mild. „Allmacht“, sagt sie mit leiser Stimme, „ist gelassen und hoheitsvoll, ignoriert derartige Sticheleien und übt sich in Toleranz. Manchmal auch in Ignoranz.“

Ich schweige. Mir ist schwindlig. Es muss die Aufregung sein. Was wäre, wen ich tatsächlich allmächtig wäre? Plötzlich liegt ein Katalog in meinem Schoß. Ich blättere, suche nach einem besonderen Angebot, namens >Überirdische Allmacht< oder so. Zahlreiche, appetitliche Superkräfte werden mir angeboten. >Werden Sie zur Göttin<, steht da. Das will ich werden. Unbedingt. Was im Angebot „Göttin“ noch enthalten ist? Fliegen werde ich können. Bis ins Weltall. Ohne auf lästiges Equipment angewiesen zu sein. Mit echten Kiemen atmen. In die tiefsten Tiefen der Tiefsee tauchen. Bis zur Titanic und tiefer. Hitzebeständigkeit, lese ich. Ein wichtiger Punkt, gerade in Zeiten des Klimawandels. Auch Gefrierbrand, Eiseskälte und Blitzeis werden mir nichts ausmachen. Aus Klitzekleinem werde ich Großes machen, aus Großem ganz Kleines und dadurch ausufernde Perspektiven zurechtrücken. Ich werde schnell sein, wenn nötig. Langsam, wenn mir danach ist. Ich werde, so verspricht die Göttinnen-Ausstattung, viele Äonen Zeit zum Nachdenken haben, mich für Ewigkeiten auf einen moosbesetzten Baumstumpf setzen können, während die Gestirne über mir durch alle Tierkreiszeichen ziehen. Jahrtausende werden vergehen.

Bonus: >Allumfassendes Wissen<, das steht kleingedruckt in der Fußzeile des Angebots. Nun bin ich also mit einem Mal allmächtig. Zeit bedeutet nichts. Während mir die Sonne auf den Scheitel scheint, wuseln Menschen über meine Zehen, geschäftig wie Ameisen. Soll ich sie durcheinanderwirbeln? Soll ich sie ausrotten?

Als Göttin wäre das vermutlich einer meiner leichtesten Übungen, doch sich ausrotten, können meine Kreaturen ohnehin eigenständig. Sie zerstören die von mir erschaffene Umwelt. Sie lassen ihren Nächsten leiden, und wenn der Nächste nicht zur Verfügung steht, stürzen sie sich wie Zecken auf den Übernächsten. Sie haben wenig für die Schönheit meiner Schöpfung übrig. Mich schmerzt, wenn ich sehe, wie meine Erde als riesiger Mistkübel missbraucht wird. Sie verstehen nicht, dass alles um sie herum gesund sein muss, um Leben zu ermöglichen. Ich kann sie mit Leid und Kummer und Krankheiten strafen. In manchen Kontinenten beten sie mich aus Verzweiflung an, hoffen auf Heilung. Auf anderen Kontinenten ignorieren sie mich. Unterdrücken, verschwenden, missbrauchen. Sie schöpfen aus meiner Kraft und treten mich zugleich mit Füßen.

Allmacht, erkenne ich, ist ein einsames Geschäft. Ich will nicht hinsehen müssen, wie alles kaputt wird. So viele Schandflecken! Sie werden Dahinsiechen, krampfhaft nach Luft schnappen, in der Hitze verglühen. Am Ende wird ihnen die Hölle auf Erde bereitet.

Der Tanz auf dem Vulkan wird heißer. Ich lasse Musik erklingen. Ehemals harmonischer Klang kippt in Disharmonie. Tanzpartner wirbeln durcheinander. Stolpern. Schluss mit Ästhetik. Nichts läuft mehr rund. Schon lange nicht mehr. Die Revue, die sie auf Kosten ihrer Nachkommen präsentieren, ist hässlich. Ihre Zuseher, überwiegend junges Publikum, bekunden Missfallen. Es wird keine schöne Leich‘ werden. Ich bin entsetzt. Der Bonus „Allumfassendes Wissen“ ist ein grausamer Gutschein.

„Errätst du“, holt mich die Stimme der jungen Frau aus meinen Fantasien, „warum ich die Menschen dennoch nicht vernichten werde, obwohl es ein Leichtes wäre?“ Ich schüttle den Kopf, sehe ich doch keinen Anlass für Gnade. „Weil unter allen schlechten Menschen immer auch gute sind. Auf die Guten baue ich Vertrauen und Hoffnung“, sagt sie, bückt sich nach einer Aludose, die vor ihr auf dem Boden liegt und wirft sie in den Mistkübel.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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4larsen (211 Kommentare)
am 21.09.2020 08:04

Gut, dass es noch Gute gibt und das Gute nicht ausstirbt ... Womit ich dann immer wieder verwundert bin, warum versucht wird, das Wort "Gutmensch" negativ zu verwenden - siehe manche Artikel und Kommentare - wenn mich jemand als "Gutmensch" bezeichnet, freu ich mich. Das bedeutet, ich kann noch mit anderen fühlen, versuche zu helfen, rede nicht schlecht über Mitmenschen, egal, woher sie kommen. Wie heißt es so schön: "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut ... "(Goethe). Auch wenn das dem Zeitgeist nach zur Zeit gar nicht zeitgemäß ist.

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Gugelbua (31.923 Kommentare)
am 18.09.2020 11:43

schöne abstrakte Gedanken über das „was wäre wenn“
es würden die 10 Gebote von Moses ausreichen, ja wenn der Teufel nicht in uns wäre😁

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